Die meisten Menschen sind einseitig dominant: Der eine ist mathematisch, analytisch begabt und trifft seine Entscheidungen durch kühles Abwägen der Vor- und Nachteile – die Intuition lässt er außen vor. Sein Fokus liegt auf der linken Gehirnhälfte. In der Regel die bevorzugte Seite der meisten Führungskräfte und Unternehmer. Der andere ist kreativ und künstlerisch talentiert, neue Ideen und Einfälle fliegen ihm nur so zu – dafür fällt ihm strukturiertes und geordnetes Arbeiten schwer, typisch rechtshirnig. Wer als Führungskraft hingegen sein gesamtes Potenzial, also beide Gehirnhälften nutzt, hat mehr Erfolg im Berufs- wie im Privatleben.
Von Kindern lernen: spielerisch Leistung bringen
Kleinkinder nutzen beide Gehirnhälften zu gleichen Teilen, oftmals sogar eher die rechte, emotional-kreative Seite. Spätestens mit dem Schuleintritt verliert sich diese Dominanz zunehmend, da durch Schreiben, Lesen und Rechnen vorwiegend die linke Gehirnhälfte angesprochen wird. In der Ausbildung bzw. im Studium setzt sich das fort. Und auch später im Berufsleben sind meist die Eigenschaften der linken Seite gefragt: logisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, analytische Genauigkeit. Es kommt darauf an, unternehmerisch zu denken und zu handeln, Ziele ins Auge zu fassen und auf den Punkt genau die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Vernetzt denken und handeln können
Ein Programmierer kann heute allerdings kein Computerprogramm alleine schreiben, ein Chemiker keine neue Formel entwickeln. Und auch Autobauer schaffen das Aufsetzen neuer PKW-Designs nur im kreativen Team. Bei komplexen Operationen setzt sich das Chirurgenteam mittlerweile aus Spezialisten unterschiedlichster Fachdisziplinen zusammen.
Wirkliche Neuerungen entstehen nur im Team. Im Gegensatz zu früher treten deshalb folgende Tugenden vermehrt in den Vordergrund: Rücksicht auf andere nehmen, Mitarbeitern Vertrauen entgegen bringen und auch Aufgaben delegieren können – wirklich teamfähig zu sein. Dazu braucht es den rechten Teil des Gehirns. 90 Prozent aller Erwachsenen sind einseitig dominant, davon der Großteil linkshirnig. Unternehmen benötigen jedoch Mitarbeiter und Führungskräfte, die beidseitig agieren und so die Firma voranbringen können.
Vorsprung durch Wissen
Wie aber erkennen Führungskräfte ob sie rechts- bzw. linkshirnig dominant sind – oder aber sogar beide Gehirnhälften gleich benutzen?
Erstens das Gesicht betrachten: Ist es symmetrisch oder zu einer Seite hin verzogen? Ist ein Auge kleiner als das andere? Verschiebt sich der Mund beim Lachen eher nach rechts oder links? Dann ist das in der Regel die dominante Seite.
Zweitens das Verhalten analysieren: Ist jemand beispielsweise überpünktlich und verzeiht keinerlei Verspätung bei anderen, kann man von einer Linkshirn-Dominanz ausgehen. Der Rechtshirnige verspätet sich gerne, er ist eher unzuverlässig. Beidseitig Agierende haben die Gabe, Termine von Beginn an unaufgeregt anzugehen und strukturiert zu lenken.
Versucht der Linkshirnige, Ziele ohne Rücksicht auf Verluste umzusetzen, ist der Rechtshirnige hingegen ein Mensch voller Ideen – allerdings kommt er meist zu keinem verwertbaren Ergebnis. Der mit beiden Hirnhälften Arbeitende handelt streng lösungsorientiert, ist zu Kompromissen bereit und erzielt mit Geduld und Weitsicht gute Abschlüssen, meist mit breitem Konsens.
Drittens Hirndominanz messen – und zwar über das Potenzial des Frontalhirns. Dieser Teil des Gehirns beeinflusst die Persönlichkeit und den Charakter; er ist zuständig für das Einhalten von sozialen und ethischen Normen und steuert den Umgang und den Einsatz von Gefühlen. Die Messung erfolgt mit einem speziellen Scanner, der das elektrische Signal (= das Potenzial) von Nervenzellen messen kann. Das Ergebnis sind Potenziale für das rechte und linke Frontalhirn, im Ruhezustand und unter Stress.
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Schnellcheck
Unser Gehirn ist ein Zwölfzylinder: Zwei Reihen mit je sechs Zylindern – rechte und linke Gehirnhälfte.
Wollen Sie wissen, ob Sie ein Zwölfzylinder sind? Ob Sie Ihre beiden Gehirnhälften gleichermaßen nutzen? Dann beantworten Sie folgende Fragen:
Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sind bei Ihnen beide Gehirnhälften optimal synchronisiert. Sie schöpfen aus dem Vollen Ihrer mentalen Möglichkeiten.
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Den 12-Zylinder zünden
Die gute Nachricht: Jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft kann seine Hirndominanz trainieren und innerhalb nur weniger Wochen zum Höchstleister werden – mit einfachen Übungen, die gut in den Alltag integriert werden können:
Erstens ist es grundsätzlich wichtig, beide Gehirn- und Körper-Seiten zu aktivieren und alltägliche Arbeiten bewusst abwechselnd zu verrichten: Putzen Sie beispielsweise die Zähne anstelle mit der rechten mit der linken Hand. Binden Sie Ihre Krawatte mit der „falschen“ Hand. Wechseln Sie das Besteck in den Händen beim Essen. Schlagen Sie in Besprechungen die Beine im Sitzen abwechselnd übereinander.
Zweitens bewegen Sie regelmäßig, zum Beispiel schon kurz nach dem Aufstehen, die Zehenspitzen im Atemrhythmus auf und ab. Atmen Sie durch die Nase ein, Zehen nach oben ziehen, atmen Sie durch den Mund aus, Fuß entspannen und Zehen wieder auf den Boden sinken lassen. Das Ganze am besten zwölf Mal wiederholen.
Drittens fühlen Sie Ihren Fingerpuls: Drücken Sie dazu Ihre Fingerspitzen mit Gefühl gegeneinander, die Hände zeigen dabei nach unten. Variieren Sie den Druck der Fingerspitzen, einmal mehr, einmal weniger – bis Sie Ihren eigenen Pulsschlag in den Fingerspitzen fühlen. Atmen Sie dabei bewusst durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Viertens trainieren Sie den Einbeinstand. Stellen Sie sich auf das rechte Bein und bleiben Sie so zunächst 15 Sekunden stehen. Gehen Sie in die Knie, beugen das Bein und strecken es. Stellen Sie sich wieder gerade auf. Wechseln Sie das Bein und wiederholen Sie die Übung auf dem anderen Bein. Versuchen Sie den Einbeinstand mit geschlossenen Augen. Gut wären sechs Wiederholungen auf jeder Seite.
Fünftens suchen Sie sich ergänzende Sportarten zu dem, was Sie eh schon machen. Sie gehen regelmäßig Joggen oder fahren Rad? Prima. Empfehlenswert sind außerdem Krafttraining oder aber Yoga bzw. Entspannungsübungen. Wagen Sie sich an Neues! Sie wollten schon immer Jonglieren, Gitarre oder Klavier spielen lernen? Tun Sie es! Suchen Sie sich gezielt Tätigkeiten, die beide Gehirnhälften aktivieren und sie vernetzen.
Fazit
Wer so seine Gehirnhälften synchronisiert, denkt ganzheitlicher, kombiniert logische und intuitive Punkte miteinander und handelt insgesamt effektiver. Denkprozesse von linker und rechter Gehirnhälfte werden besser aufeinander abgestimmt, einseitig auftretende Beschwerden wie Migräne, Ischias-Schmerzen oder Tinnitus verschwinden. Auch schwierige Gespräche, beispielsweise mit unzufriedenen Mitarbeitern oder Kunden verlaufen entspannter und führen häufiger zu einem fruchtbaren Ergebnis. Bessere Schnittmengen zwischen Berufs- und Familienleben sorgen für ein harmonischeres Miteinander und geben dem Leben mehr Tiefe sowie Ausgeglichenheit.
++++++ Exkurs: Bekannte Zwölfzylinder ++++++
Bertold Beitz
Bertold Beitz war einer der einflussreichsten Industriellen in der deutschen Nachkriegszeit. Als Nachfolger der Krupp-Dynastie war er Bevollmächtigter des Krupp-Konzerns und leitete dessen Geschicke bis zu seinem Tod 2013.
Als Lenker des großen deutschen Stahlkonzerns galt Beitz als kluger Manager: Er stielte die Fusionsgespräche mit Thyssen zu Thyssen-Krupp ein, in der der kleinere Partner Krupp gefühlt bis zum Schluss die Zügel in der Hand behielt. Bertold Beitz verkörperte einen Führungsstil, der Ziel gerichtetes Unternehmertum mit sozialen Engagement verband: Er verhandelte auf Augenhöhe mit Partnern, ohne den Respekt für sein Gegenüber zu verlieren. Er vermied es, Gegner in der Öffentlichkeit zu diskreditieren – bei aller geschäftlicher Härte verlor er nie den Blick für das große Ganze. Er legte besonderen Wert auf die soziale Versorgung seiner Mitarbeiter und hatte immer ein offenes Ohr für deren Belange. Beispielsweise zahlen Mitarbeiter eine unterdurchschnittlich faire Miete, die in einem der ehemaligen, von Krupp renovierten Zechenhäuser wohnen.
Außerdem gilt Bertolf Beitz und die Krupp-Stiftung als einer der großen Förderer des Ruhgebiets: Bis zu seinem Tod hatte Beitz den Vorsitz des Kuratoriums der Krupp-Stiftung inne. Eigentum der Stiftung ist u.a. das Krupp-Krankenhaus in Essen, weithin bekannt als Vorzeigeprojekt moderner und humaner medizinischer Versorgung. Die Stiftung fördert außerdem Wissenschaft und Kunst, vergibt vielfältige Schüler- und Studienstipendien.
Zeit seines Lebens war Beitz körperliche Fitness wichtig: Eher ungewöhnlich zur damaligen Zeit arbeitete er bereits früh mit einem persönlichen Trainer. So beeindruckte er bis ins hohe Alter durch mentale wie körperliche Fitness.
Werner Otto
Werner Otto, der Gründer des gleichnamigen Familienunternehmens, war ein überaus erfolgreicher Kaufmann. Nach dem Krieg gründete er den bekannten Otto-Versand, aus dem eine der weltweit größten Versandhandelsketten wurde. Auf der Höhe des wirtschaftlichen Erfolgs zog er sich Anfang der 80er Jahre in den Aufsichtsrat des Versands zurück.
Als 60-Jähriger stieg er überraschend in die Immobilienbranche ein. Seine Firma baute riesige Einkaufszentren mit Niederlassungen in Kanada, USA und Deutschland. Mehr als 2 Milliarden Euro investierte das Unternehmen alleine in den Aufbau der neuen deutschen Bundesländer und in Berlin.
Otto war zwar ein großer Visionär, galt aber als bodenständig und bescheiden – er selbst nahm sich nicht so wichtig. Er war Familienunternehmer mit sozialer Verantwortung, beispielsweise führte er u.a. die 5-Tage-Woche und Weihnachtsgeld ein. Bei Firmenfeiern mischte er sich unter die Belegschaft, blieb in allem jedoch stets eine Respektperson für Mitarbeiter und Geschäftspartner.
Von Beginn an war es ihm wichtig, seine Erfolge mit anderen zu teilen: Beispielsweise unterstützte er mit der Werner Otto-Stiftung die medizinische Forschung und finanzierte verschiedene medizinische Projekte. Eine Herzensangelegenheit war ihm das Werner Otto Institut, spezialisiert auf die Entwicklungsverzögerung und Behinderung von Kindern.
Als Werner Otto im Jahr 2011 im Alter von 102 Jahren starb, verlor Deutschland einen seiner großen Visionäre und Mäzene. Noch mit 100 Jahren erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin.
Bild: Maren Beßler / pixelio.de