Fachartikel, 08.09.2014
Perspektive Mittelstand
Kapitalhebel Unternehmensbeteiligung
Welcher Investor passt zum Unternehmen?
Die zunehmende Unberechenbarkeit der Finanzmärkte und Kreditvergabepolitik der Banken macht alternative Finanzierungsformen wie etwa die Kapitalbeschaffung über Beteiligungen für Unternehmen immer interessanter. Die Ausgestaltung einer Unternehmensbeteiligung will allerdings gut überlegt sein. Denn: Investor ist jedoch nicht gleich Investor.
Früher war die Welt noch in Ordnung: Wenn vor 30 Jahren ein mittelständischer Unternehmer Kapital benötigte, wandte er sich an seine Hausbank und erhielt einen Kredit. Heute – zwei Wirtschaftskrisen, eine Finanzkrise und drei Basler Reformpakete weiter – sieht die Welt etwas anders, für den Unternehmer deutlich komplizierter, aus. Die Banken sind bei der Kreditvergabe zurückhaltend geworden; sie unterstützen nur noch risikoarme Investitionen. Der Unternehmer muss sich nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen. Derlei gibt es – glücklicherweise – viele.

Mit mehr als tausend Förderprogrammen unterstützen Bund, Länder oder die EU mittelständische Investitionsvorhaben. Sich durch das Dickicht dieser zu wühlen, ist allerdings eine Herkulesaufgabe bzw. ein Outsourcing-Thema für Spezialisten. Ebenso wie die gesamte Palette an alternativen Finanzierungsmodellen. Mittlerweile hat der mittelständische Unternehmer die Auswahl unterschiedlichster Möglichkeiten, um seine Vorhaben zu finanzieren oder Verluste aufzufangen. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, mit der Aufnahme neuer Gesellschafter eine Kapitalerhöhung zu erzielen. Es stellt sich dem Unternehmer lediglich die Frage: Wer und wie sollte ein solcher neuer Gesellschafter sein? Denn die Bandbreite möglicher Investoren ist groß: Sie reicht von Familienmitgliedern, Mitarbeitern, Geschäftspartnern, Lieferanten und Kunden über Gläubiger bis hin zu Beteiligungsgesellschaften, Fonds, Finanzinvestoren und strategischen Investoren. Die erstgenannten Optionen hängen stark von Vertrauen bzw. der Unternehmenskultur ab. Bei den Letztgenannten sollte der Unternehmer sich gut überlegen, welche Folgen der Einstieg eines Investors für das Unternehmen haben könnte.

Finanzinvestor versus strategischer Investor


Denn Finanzinvestoren und strategische Investoren verfolgen meist vollkommen unterschiedliche Ziele und verhalten sich diesen entsprechend. Finanzinvestoren haben das klare Ziel, eine möglichst attraktive Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu erreichen. Ihr Engagement ist meist nicht langfristig angelegt, sondern klassischerweise auf einen Zeithorizont von maximal fünf Jahren beschränkt. Daher sind für Finanzinvestoren auch nur solche Unternehmen attraktiv, bei denen sie davon ausgehen können, dass der Unternehmenswert recht kurzfristig gesteigert werden kann.
Dies wirkt auf die meisten Unternehmer abschreckend, muss aber kein Nachteil sein. Weil den Finanzinvestor meist nur die relevanten Unternehmens-Kennzahlen, das Unternehmenswertsteigerungspotenzial, die Wachstumschancen und das Refinanzierungspotenzial interessieren, hält er sich weitestgehend aus dem operativen Geschäft heraus. Eine Einflussnahme in das Tagesgeschäft muss das Zielunternehmen daher nicht befürchten. Da Finanzinvestoren ihr Kapital meist breit streuen, streben sie zudem selten eine Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen an, sondern geben sich in der Regel mit Minderheitsbeteiligungen zufrieden.

Ganz anders verhält sich dies bei strategischen Investoren. Primär suchen sie Lösungen für strategische Lücken des eigenen unternehmerischen Ansatzes. Sich suchen den sogenannten „strategic fit“. Deshalb möchten sie sich fast immer die größtmögliche Einflussnahme an strategischen Entscheidungen und deren Ausgestaltung sichern und streben daher grundsätzlich eine Mehrheitsbeteiligung an. Dies schränkt die unternehmerische Freiheit ein, kann aber durchaus auch von Vorteil sein. Denn strategische Investoren haben zumeist großes Interesse am langfristigen Erfolg des Unternehmens. Sie sind nicht rein auf Gewinne aus, sondern versprechen sich meist weitere Effekte, wie beispielsweise den Zugang zu dem Know-how, den Experten oder der Technologie des Unternehmens, zu dessen Vertriebsstrukturen oder zu seinen Produkten. Nicht selten verschaffen sich strategische Investoren über eine Beteiligung Zugang zu anderen Branchen oder nutzen Synergieeffekte zur Reduzierung der eigenen Kosten. Strategische Investoren kommen meist aus dem näheren Marktumfeld des Kapital suchenden  Unternehmens, sind Wettbewerber, Kunden, Geschäftspartner, Lieferanten oder in einem verwandten Marktsegment tätige Unternehmen.

Die unterschiedlichen Ziele von Finanz- und strategischen Investoren gilt es zu bedenken. Jeder Unternehmer oder Gesellschafter sollte sorgfältig abschätzen, in wie weit seine eigenen Ziele mit denen des jeweiligen Investors vereinbar sind und  gründlich prüfen, welcher Investor-Typ für sein Unternehmen in Frage kommt.
ZUM AUTOR
Über Alexander Eichner
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Alexander Eichner ist seit 16 Jahren selbständig als transition-manager. Als solcher wird er gerufen bei Herausforderungen, denen Unternehmen gegenüberstehen und für welche sie keine Inhouse-Lösung verfügbar haben: Restrukturierung & Sanierung, Investorenansprache, Geschäftsentwicklung, Aufsichtsrats- und Beiratsmanagement etc. Der studierte Literaturwissenschaftler, Politologe und Betriebswirt hat so bereits unterschiedlichste Unternehmen in zahlreichen Branchen unterstützt.
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