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Fachartikel, 17.03.2014
"Hausrecht" im Online-Handel
Dürfen Online-Shops Kunden ablehnen?
Ein Kunde hat die Rechnungen aus seinen letzten Bestellungen noch nicht vollständig bezahlt. Muss der Online-Händler dessen nächste Bestellung annehmen? Ein Kunde schickt im Online-Shop bestellte mangelfreie Ware stets grundlos zurück. Muss der Webshop-Betreiber dessen Bestellungen weiterhin berücksichtigen? Über die Möglichkeiten von Online-Händlern, missliebige Kunden abzulehnen.

Normalerweise wollen Verkäufer stets möglichst viele Geschäfte tätigen. Kunden, die ein Ladengeschäft betreten, sollen dieses am besten mit vollgepackten Einkaufstüten wieder verlassen, nach Bezahlung des Kaufpreises selbstverständlich. Das ist der Regelfall. Ausnahmsweise würden Verkäufer auf manche Kunden ganz gerne verzichten. So etwa auf Ladendiebe, auf verhaltensauffällige Personen oder auf Kunden, die andere Kunden belästigen. Verkäufer sprechen solchen missliebigen Personen aufgrund des Ihnen als Ladeninhaber zustehenden Hausrechts regelmäßig ein Hausverbot aus.
So weit müssen Webshop-Betreiber in der Online-Welt häufig gar nicht gehen. Denn lästige Kunden gibt es in derselben Form dort nicht. Allerdings gibt es vereinzelte Verbraucher, die unverhältnismäßig viele Waren in einem Online-Shop bestellen und dabei zu häufig das Fernabsatzwiderrufsrecht ausüben. Jedes Mal muss der Online-Händler nicht nur die betroffene Ware zurücknehmen, sondern auch die Versandkosten zahlen. Das ist nicht nur lästig, sondern auch kostspielig. Daher haben Shop-Betreiber ein grundsätzliches Interesse daran, derart anstrengende Kunden künftig nicht mehr beliefern zu müssen. Doch wäre das rechtlich überhaupt zulässig?

Vertragsfreiheit gilt auch im Massenverkehr

Im deutschen Zivilrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Zwei oder mehr Parteien dürfen daher nicht nur entscheiden, ob und mit welchem Inhalt sie einen Vertrag abschließen wollen, sondern auch mit wem. Grundsätzlich dürfen somit sowohl Unternehmer als auch Verbraucher frei und ohne Rechtfertigungsdruck entscheiden, mit wem sie vertragliche Vereinbarungen eingehen wollen. Das gilt selbstverständlich auch im anonymen Massengeschäftsverkehr. Das Gesetz schränkt diesen Grundsatz der Vertragspartnerwahlfreiheit lediglich an einigen wenigen Stellen ein.

Gesetzliche Beschränkungen der freien Vertragspartnerwahl

1. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) dient dem Schutz von Menschen vor Diskriminierungen im Rechtsverkehr aufgrund bestimmter Merkmale. Gemäß § 19 AGG darf eine Person bei Massengeschäften (wie etwa bei Verkäufen in Online-Shops) nicht wegen der im Gesetz aufgezählten Diskriminierungsmerkale (Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) benachteiligt werden. Im Fernabsatzhandel erscheint dies jedoch weitgehend unproblematisch, denn der Verkäufer dürfte aufgrund des weitestgehend anonymen Geschäftsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien häufig gar nicht wissen, ob seine Kunden deutscher oder ausländischer Abstammung, jung oder alt, christlich oder muslimisch oder hetero-, bi- oder homosexuell etc. sind. Die Chance, den Kunden entsprechend zu diskriminieren, hat ein Online-Händler regelmäßig nicht.

Zu Konflikten könnte es lediglich im Zusammenhang mit den Merkmalen der "Rasse" bzw. der "ethnischen Herkunft" kommen, wenn der Name des Kunden auf eine bestimmte Herkunft hinzudeuten scheint.

Verweigert ein Online-Händler den Abschluss eines Kaufvertrags mit einem Verbraucher, der einen ausländischen Namen hat, ohne dass ein sachlicher Grund für die Verweigerung vorliegt, so setzt sich der Verkäufer – berechtigt oder nicht – zumindest dem Verdacht der Benachteiligung wegen der „ethnischen Herkunft“ aus. Selbstverständlich bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass ein Unternehmer – ob offline oder online – Vertragsangebote von Personen, die einen ausländischen Namen tragen, stets annehmen muss, wenn kein sachlicher Grund für eine Ablehnung vorliegt. Denn auch hier gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit in Form der Vertragsabschlussfreiheit. Allerdings könnte wegen der Ungewöhnlichkeit einer solchen Vertragsablehnung ein entsprechender Verdacht aufkommen.

2. Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch das UWG

Die Verweigerung eines Vertragsschlusses im Massenverkehr könnte für einen Online-Händler aus lauterkeitsrechtlicher Sicht ein Problem darstellen, wenn darin ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG) zu sehen wäre.

Gemäß § 4 Nr. 10 UWG handelt unlauter und damit rechtswidrig, wer Mitbewerber gezielt behindert (siehe OLG Bremen, Urteil vom 18. April 2007, Az. 5 U 190/06). Das könnte im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren jedoch lediglich dann eine Rolle spielen, wenn der Kunde, dem der Verkäufer den Vertragsabschluss verweigert, ein Testkäufer eines Mitbewerbers ist und er den Testkauf zu verhindern versucht. Nach der Rechtsprechung dürfen Händler Testkäufer nicht sachgrundlos von der Belieferung ausschließen.

Verhält sich jedoch ein Testkäufer gerade nicht wie ein normaler, durchschnittlicher Käufer, etwa weil er ungewöhnliche Dinge fordert oder durch sein Verhalten den Geschäftsbetrieb behindert, so stellt dessen Ablehnung keine gezielte (unlautere) Mitbewerberbehinderung dar.

3. Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch das GWB

Das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (kurz: GWB) geregelte deutsche Kartellrecht kennt ebenfalls Beschränkungen der Vertragsfreiheit. Neben den Einschränkungen für marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen enthält das GWB in § 21 ein Boykottverbot und ein Verbot sonstigen wettbewerbswidrigen Verhaltens. Allerdings betrifft das Boykottverbot lediglich die Fälle, in denen ein Unternehmen ein anderes Unternehmen zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordert. Hiervon erfasst sind somit weder Fälle, in denen ein Unternehmen bestimmte Abnehmer nicht (mehr) beliefert, noch Konstellationen, bei denen auf der Abnehmerseite nicht Unternehmen, sondern – wie bei Online-Händlern in der Regel – Verbraucher beteiligt sind.

4. Beschränkungen aus dem AGB-Recht

Das allgemeine Online-Hausrecht eines Webshop-Betreibers kann durch AGB ausgestaltet werden. So können Online-Händler darin etwa bestimmen, dass sie mit einzelnen Kunden keine Vertragsbeziehungen mehr eingehen, wenn sich diese rechtswidrig verhalten.

Rechtlich problematisch ist es jedoch, wenn sich Shop-Betreiber in ihren AGB beispielsweise das Recht vorbehalten, Kunden, die häufig Gebrauch von ihrem Fernabsatzwiderrufsrecht gemacht haben, nicht mehr zu beliefern. Darin könnte ein Verstoß gegen § 307 BGB zu sehen sein, weil dadurch Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt sein könnten. Denn die Kunden könnten deshalb davon abgehalten werden, von ihrem Fernabsatzwiderrufsrecht Gebrauch zu machen. Eine solche AGB-Klausel hätte eine widerrufsfeindliche Vorwirkung, die vor dem Hintergrund des stark ausgeprägten EU-Verbraucherschutzes kaum tragbar erscheint. Insbesondere würde dies den der EG-Fernabsatzrichtlinie zugrunde liegenden Erwägungen widersprechen. Demnach sollte ein Webshop-Betreiber sein „Online-Hausrecht“ nicht detailliert und allumfassend in den AGB regeln, sondern im Einzelfall einfach entsprechend ausüben.

Technisch sichere Umsetzung der Vertragsverhinderung

Online-Shop-Betreiber, die – etwa weil sie überdurchschnittlich anstrengend oder wegen einer Vielzahl von Retouren teurer sind oder aus sonstigen Gründen, die nicht gegen das AGG verstoßen – bestimmte Kunden nicht mehr beliefern wollen, müssen durch entsprechende Programmierung ihres Shop-Systems dafür sorgen, dass mit diesen Kunden tatsächlich kein Vertrag geschlossen wird.

Denn schließt der Online-Händler mit dem entsprechenden Kunden einen Kaufvertrag, indem er die Bestellung des Kunden annimmt, so muss er ihn selbstverständlich beliefern, solange der Kunde gleichfalls seinen Pflichten nachkommt. Verhindert der Verkäufer aber den Vertragsschluss mit dem entsprechenden Kunden, indem er sein Shopsystem so programmiert, dass der Kunde keine Annahmeerklärung erhält, so muss der den Kunden nicht beliefern.

Nicht vergessen sollte ein Online-Händler jedoch seine Pflicht gemäß § 312g Absatz 1 Nr. 3 BGB, wonach er den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigen muss. Den Eingang der Bestellung muss der Händler somit bestätigen, nicht aber die Annahme der Bestellung.

Fazit

Online-Händler müssen ihre Waren nicht an jeden Kunden verkaufen. Sie dürfen ihre Vertragspartner grundsätzlich willkürlich und frei wählen, wie jeder andere auch.

Die Ablehnung eines Kunden kann gute Gründe haben, etwa noch offene Rechnungen der letzten Bestellungen oder eine anstrengende Kundenkommunikation. Lehnt ein Händler einen Kunden ab, so muss er dies nicht einmal begründen. Das Recht eines Online-Händlers, Kunden abzulehnen, unterliegt jedoch einigen wenigen Einschränkungen:

  • Selbstverständlich darf ein Verkäufer Kunden nicht aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ablehnen. Dies ist im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt.
  • Zudem darf ein Händler nicht ohne weiteres den Vertragsabschluss mit dem Testkäufer eines Mitbewerbers verweigern.
Technisch sollte der Online-Händler in jedem Fall sicherstellen, dass mit dem Kunden, den er nicht mehr beliefern möchte, im Shopsystem tatsächlich kein Vertrag geschlossen wird. Denn sobald der Online-Shop-Betreiber bzw. das Shopsystem dem Kunden die Annahme der Bestellung bestätigt, hat dieser einen Anspruch auf Lieferung, den der Verkäufer zu erfüllen hat.
ZUM AUTOR
Über Daniel Huber
IT-Recht Kanzlei
Daniel Huber ist juristischer Mitarbeiter der Münchner IT-Recht Kanzlei. Die IT-Recht Kanzlei ist eine Sozietät, die sich auf das IT-und Vergaberecht spezialisiert hat, um ihren Mandanten eine professionelle und umfassende juristische Beratung in diesem Bereich sicherstellen zu können.
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