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Pressemitteilung

Strafverfahren – ein Berufsrisiko für technische Führungskräfte

(PM) , 09.04.2008 - Oder: Die Tücken der Führungs-Verantwortung

Bei der Säuberung eines Glasdaches der Lufthansa-Werft in Hamburg war der 38jährige Gebäudereiniger Sven durch eine Glasscheibe gestürzt und 17 Meter tief in einen Container gefallen. Sein Sicherheitsseil war an den scharfen Glaskanten zerrissen. Er starb an inneren Verletzungen. Nach einem Verfahren über zwei Instanzen verurteilte kürzlich das Landgericht Hamburg den Chef der Gebäudereinigungs-Firma und dessen Vorarbeiter zu empfindlichen zweistelligen Geldstrafen.

Bei der Auftragsvergabe war der Reinigungs-Unternehmer von den Mitarbeitern der Lufthansa ausführlich über die Gefahren auf dem Glasdach aufgeklärt worden: Es gab Bretter, die als Laufstege über das Dach hätten gelegt werden müssen. Der Chef hatte dies als schriftliche Anweisung an seinen Vorarbeiter Hans-Jochen weitergeben sollen. Und der Vorarbeiter, der die Einweisung des Verunglückten übernommen hatte, hätte dafür sorgen müssen, dass die Anweisung befolgt wurde.

Nach Auffassung des Gerichts stand fest, dass der Fensterputzer nicht ausreichend unterwiesen wurde. Es sei eine Grundpflicht des Arbeitgebers, darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter nicht tödlichen Gefahren ausgesetzt werden. „Ein Leben lässt sich nicht in Geld aufwiegen“, sagte der Richter, „aber die Strafen sind ein Symbol für die Verantwortlichkeit!“

In einem anderen Fall hat das Amtsgericht Tettnang kürzlich einen Strafbefehl gegen einen technischen Geschäftsführer und seinen Gehilfen erlassen, weil sie sich der Beihilfe zur Körperverletzung eines ihrer Arbeiter schuldig gemacht hatten. Dieser hatte vorschriftswidrig mit einem elektrischen Hochdruckreiniger und einer defekten Kabeltrommel hantiert. Ihn traf ein Stromschlag er wurde sofort in die Unfallstation der Universitäts-Klinik Tübingen eingewiesen und war dann monatelang krank.

Der Unfall war unvermeidbar, weil beide Vorgesetzten es unterlassen hatten, ihren Hausmeister auf das gefahrlose Arbeiten mit einem Hochdruck-reiniger hinzuweisen, ihn mit einer im Freien zugelassenen Kabeltrommel auszurüsten, dafür zu sorgen, dass der Anschluss nur an einer mit FI-Schalter gesicherten Steckdose erfolgen durfte und einen Defekt an der Isolierung der Trommel vorher fachmännisch hätten beseitigen lassen müssen. Zur Abschreckung in ähnlichen Fällen und wegen des besonderen öffentlichen Inte-resses hielt die Staatsanwaltschaft es für geboten, von Amts wegen einzuschreiten. Auch hier verhängte das Gericht hohe Geldstrafen.

Ähnlich spektakuläre Straf- und Schadensersatz-Verfahren gegen Vorgesetzte aller Ebenen sind längst keine Seltenheit mehr. Es geht um unerlaubtes Betreiben von Maschinen, Luftverschmutzung, das Einleiten giftiger Chemikalien ins Grundwasser, um unterlassene Hilfeleistung bei Betriebsunfällen oder um verspätete Rückrufaktionen beim serienmäßigen Einbau unfallträchtiger Autoteile. Jedes Mal muss die Schuldfrage geklärt werden: Wer war verantwortlich, wer haftet, wer ist mit Strafe bedroht oder muss Schadensersatz leisten?

Die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern der jeweils über- oder untergeordneten Ebene sind durch eine Verantwortungs-Teilung gekennzeichnet. Der Mitarbeiter, an den Kompetenzen delegiert sind, trägt in seinem Fachbereich die Handlungs-Verantwortung. Sein Vorgesetzter jedoch ist damit die Verantwortung nicht los – er behält die Führungs-Verantwortung. Ihm obliegen Auswahl und Einsatz der richtigen Mitarbeiter und Arbeitsmittel. Ihm fällt die Informationspflicht zu. Er setzt Ziele und erteilt Richtlinien und Anweisungen. Und er überwacht und kontrolliert deren fachgerechte und rechtskonforme Ausführung.

Jeder Vorgesetzte ist nur dann vor den rechtlichen Folgen des gemeinsamen Handelns geschützt, wenn er seine Führungsaufgaben gewissenhaft erfüllt. Wegen so genannten „Organisations-Verschuldens“ – also des Verschuldens der Organisation, die er rechtlich vertritt – ist er strafrechtlich mit Freiheits- oder Geldstrafen bedroht, zivilrechtlich zu Wiedergutmachung gezwungen, muss ordnungsrechtlich Geldbußen fürchten – oder gar arbeitsrechtliche Konsequenzen, im Extremfall seine eigene Entlassung.

Nicht immer kann die Führungskraft (allein) verantwortlich gemacht werden. Zum Beispiel ein interdisziplinär zusammengesetztes Team unter Glei-chen trägt die Gesamt-Verantwortung, das heißt, jeder seinen Teil. Oder bei der gesetzlich geregelten Delegation von Verantwortung an selbstständige Betriebsbeauftragte – Immissionsschutz-, Gewässerschutz-, Abfall-, Brand-schutz-, Sicherheitsschutz- oder Umweltschutz-Beauftragte – geht auch die Hauptlast des Haftungsrisikos auf sie über.

Moderne Staatsanwälte pflegen die Verantwortung trickreich durch eine typische Ermittlungsfrage herauszufinden: „Das haben Sie doch wohl nicht ohne Rückendeckung durch ihren Chef machen können?“ Ist die Antwort „Nein“, wird der Vorgesetzte zum Mittäter. Ist die Antwort „Ja, doch“, so ist die Führungskraft offensichtlich ihrer Pflicht zur sorgfältigen Überwachung nicht nachgekommen und wiederum verantwortlich. So birgt Führungsverantwortung stets das Risiko, mit gefangen und mit gehangen zu werden.

[Infos unter: www.forum-verlag.com/haftungsminimierung ]
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