(PM) , 21.05.2007 - Von Silke Landwehr
Berlin – Als „ordnungspolitisch ungeeignet und innovationsfeindlich“ kritisierte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), den vom Bundesumweltministerium (BMU) vorgelegten Entwurf zur Novelle der Verpackungsverordnung. Das BMU plane für die Entsorgung von Verkaufsverpackungen an private Endverbraucher eine Zwangsbeteiligung der verpflichteten Wirtschaftsunternehmen an dualen Systemen. „Die Möglichkeit, die Pflichten effizienter und kostengünstiger als Selbstentsorger zu erfüllen, wird in diesem Bereich ausgeschlossen. Ein solcher Anschlusszwang an duale Systeme bei gleichzeitigem Ausschluss der Selbstentsorgung führt zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbslage. Zudem löst das Trennungsmodell nicht das Trittbrettfahrerproblem“, so Straubhaar, der in Berlin ein Gutachten des HWWI
www.hwwi.de zur Verpackungsentsorgung vorstellte.
Als kurzfristige Handlungsempfehlung spricht sich Straubhaar für eine Öffnungsklausel aus. Kernpunkt hierbei sei, dass ein Anbieter die haushaltsnahe Erfassung in einem Entsorgungsgebiet ausschließlich übernehmen darf. So könnten in diesem Entsorgungsgebiet innovativen Produkten und Lösungen zum Marktdurchbruch verholfen werden, der aus dem Stand bundesweit nicht möglich wäre. „Erst so bekommen auch kleine und mittelständische Unternehmen die Chance, bestehende Innovationen zu vermarkten und neue hervorzubringen “, sagte Straubhaar. Das wiederum komme dem Wettbewerb zu Gute. Durch eine Öffnungsklausel könnten Innovationen vor allem in zwei Bereichen gefördert werden: erstens bei ressourcenschonenden Materialien und zweitens. auf den verschiedenen Stufen der Entsorgungslogistik. Bei Verpackungsmaterialien mit verbesserten Recyclingeigenschaften beispielsweise könnten klare Anreize geschaffen werden, wenn deren Rückführung vereinfacht werde. Dazu müssten Packmittelhersteller mit innovativen Materialien die Möglichkeit erhalten, in einem Entsorgungsgebiet den geschlossenen Materialkreislauf einzuführen und zu etablieren.
Die bestehende Wettbewerbssituation im Entsorgungsmarkt wird in dem HWWI-Gutachten als „quasi-monopolistische Marktstruktur“ beschrieben. Die DSD GmbH nehme nach wie vor eine marktbeherrschende Stellung ein. Der Marktanteil weiterer dualer Systeme (über 10 Prozent) und Selbstentsorger (5-6 Prozent) hingegen sei vergleichsmäßig gering. Eine Verabschiedung der Verpackungsverordnung in der vorliegenden Form würde die marktbeherrschende Position des Grüne Punkt-Müllkonzerns DSD zementieren. Die wettbewerbspolitisch bedenkliche Kartellisierung hält nach Kenntnis der HWWI-Autoren an. Als Problemzone gelte vor allen Dingen der Zeichennutzungsvertrag für den Grünen Punkt.
„Die EU-Kommission hatte bereits 2001 im Missbrauchsverfahren nach Artikel 82 EGV festgestellt, dass die DSD GmbH (damals AG) seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, indem es Entgeltforderungen für die Nutzung des Grünen Punktes unabhängig von Entsorgungsleistungen durchsetzte. Entgegen der lange und wohl auch immer noch vertretenen Auffassung der DSD GmbH, dass es sich beim Grünen Punkt um ein Markenzeichen handelt, ist dieser vielmehr als Emblem zu deuten, das die Teilnahme (eines Herstellers oder Vertreibers) an einem dualen Entsorgungssystem bzw. an einem Selbstentsorgungssystem anzeigt. Trotzdem ist in diesem Zusammenhang aufgrund der weiterhin marktbeherrschenden Position der DSD GmbH davon auszugehen, dass zumindest die Lizenzgebühren, die mit dem Zeichennutzungsvertrag einhergehen, überhöht sind“, führt das HWWI aus. Auch das Bundeskartellamt habe vor vier Jahren seine lange tolerierende Haltung gegenüber der DSD GmbH aufgegeben und ein Kartellverfahren sowie ein Verfahren wegen des Boykottverdachts (Behinderung eines Wettbewerbers) angestrengt. Die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht dauere an. Immer noch verteidige DSD weiterhin durch öffentliche Einflussnahme ihre Position. „Zudem haben Rückvergütungssysteme und zum Teil bedenkliche Lizenzierungs- und Rabattpraktiken kundenbindende Wirkung und beschränken derzeit noch den Wettbewerb“, bemängelt das HWWI.