Pressemitteilung, 21.09.2006 - 10:01 Uhr
Perspektive Mittelstand
Gute Verkäufer sind glückliche Verlierer - Erleben Vertriebler ständige Zurückweisung wirklich als Ansporn?
(PM) , 21.09.2006 - Bonn/Hamburg – In der Literatur kommt der Verkäufer nicht gut weg. Arthur Millers bekanntes Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ zeichnet ein trauriges Bild des erfolglosen Verkäufers Willy Loman, der in einer Scheinwelt lebt und am Ende Selbstmord begeht. Dabei müssen Verkäufer „glückliche Verlierer“ sein, so die These des Psychologen und Anthropologen Gilbert Clotaire Rapaille im Gespräch mit dem Harvard Business Manager www.harvardbusinessmanager.de. Rapaille hat mehrere Bücher über die kulturelle Bedeutung von Produkten des täglichen Gebrauchs geschrieben und zählt Firmen wie die Citibank, DuPont, Exxon Mobil, General Electric, IBM, Procter & Gamble und Unilever zu seinen Kunden. Die Grundthese des unorthodoxen Denkers: Gute Verkäufer erleben ständige Zurückweisung nicht als Niederlage oder Schock fürs eigene Ego, sondern als Ansporn. Wenn Manager dies berücksichtigen, können sie ihre Vertriebsmitarbeiter besser motivieren und führen. Wie kommt Rapaille zu dieser auf den ersten Blick gewagten Erkenntnis? Der promovierte medizinische Anthropologe studiert Archetypen, also Urbilder, die es ermöglichen, die menschliche Natur zu entschlüsseln. Der erste, der sie untersucht habe, sei der Schweizer Psychiater und Psychologe Carl Gustav Jung. Etwas zu verkaufen sei in jedem Land eine Kunst, so der Interviewte. Letztlich werde diese Kunst von der kollektiven Erfahrung eines Volkes geprägt. Und obwohl sich der Archetyp des Verkäufers von Kultur zu Kultur unterschiedlich manifestiere, gebe es auch hier einen „Ur-Archetyp“: „Verkäufer sind ‚glückliche Verlierer’“. Sie glichen Spielsüchtigen, die auf den Nervenkitzel aus sind. Verkäufer seien „Profis im Verlieren“. „Sie erhalten meiner Schätzung nach in mindestens 90 Prozent der Fälle eine Abfuhr. Warum sollte jemand diese Arbeit freiwillig machen wollen? Aus Freude an der Jagd“, so Rapaille. Daher sei er auch sicher, dass der Beruf des Verkäufers niemals vom Aussterben bedroht sein werde. Rapaille folgert, dass diejenigen die erfolgreichsten Verkäufer sein müssen, die glücklich sind, wenn sie verlieren: „Dadurch leidet weder ihr Selbstwertgefühl, noch schwindet ihre Hoffnung, noch sind sie deswegen auf ewig am Boden zerstört. Denken Sie an Donald Trump. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zierte sein Bild die Titelseiten Dutzender Zeitschriften. Dann stürzte er ab. Aber er rappelte sich wieder auf und kam zurück. Er ist ein Paradebeispiel für einen guten Verkäufer, auch wenn er in diesem Fall sein eigenes Produkt darstellt. Trump ist ein glücklicher Verlierer.“ Manager können daraus lernen: „Alles hängt mit der Freude am häufigen Verlieren zusammen. Manager sollten ihren Vertriebsleuten nicht das Gefühl vermitteln, sie könnten immer gewinnen.“ Das Letzte, was sie gebrauchen könnten, wären „unglückliche Verlierer“. Rapaille gegenüber dem Harvard Business Manager: „Um Ihre Vertriebsleute zu motivieren, müssen Sie Ihnen mehr aufregende Möglichkeiten bieten, sich zu messen. Übertragen Sie ihnen noch größere Projekte, bei denen sie noch größere Niederlagen erleben können. Veranstalten Sie riesige Unternehmenstreffen, und verleihen Sie dort einem Verkäufer die Goldmedaille für die meisten Ablehnungen: Jonathan hat letzten Monat 500.000 Computer verkauft, aber er wurde insgesamt fünf Millionen Mal zurückgewiesen. Das mag grotesk klingen, aber genauso machen Sie Ihrem Vertrieb Dampf.“ Allerdings gelten Verkäufer nicht in jedem Land gleich viel. In Amerika gelte das Verkaufen als Spiel und als Vergnügen. Es werde respektiert. In Frankreich hingegen hätten Verkäufer einen niedrigen sozialen Status. Widerspruch kommt aus der Praxis. So hält Jürgen Riese, Geschäftsführer von exemptec www.exemptec.de, die Thesen von Rapaille für sehr übertrieben: „Ich bin keineswegs der Meinung, dass Profis in mindestens 90 Prozent der Fälle eine Abfuhr bekommen, sondern ich vertrete die Meinung, dass 50 Prozent ‚Trefferquote’ beziehungsweise Vertragsabschluss einem Profi gelingen sollte. Es widerspricht der menschlichen Natur, wenn jemand Freude am Verlieren entwickelt. Verkäufer müssen nach einer ‚Niederlage’ oder ‚Abfuhr’ sehr schnell in der Lage sein, sich wieder selbst zu motivieren. Wie sie dies macht, ist letztlich gleichgültig. Ein Spaziergang bei frischer Luft, ein schönes Essen oder ein Termin bei einem ‚Lieblingskunden’ bewirkt manchmal Wunder.“ „Bei der Aussage des Herrn Rapaille muss unterschieden werden, was verkauft wird“, sagt Dirck Hanßen, Leiter des Vertriebs bei der auf IT-Dienstleistungen spezialisierten a & o-Gruppe www.ao-services.de mit Firmensitzen in Neuss und Potsdam. „Bei Massenprodukten sieht es anders aus, als bei erklärungsbedürftigen Dienstleistungsprojekten. Wenn Sie ein Rechenzentrum betreiben wollen, können Sie es sich gar nicht leisten, in 90 Prozent der Fälle eine Absage zu erhalten. Der Typ Verkäufer variiert entsprechend. Im höherwertigen Segment ist der Verkäufer eher Berater, Anwalt und Coach, in anderen Segmenten ist der Verkäufer vielleicht gerade noch Freund, aber nach dem Geschäft ist er verschwunden!“ In Amerika werde der Beruf des Verkäufers ganz sicher auch durch die vielen Werbesendungen verfälscht, die in 20 Minuten den Vorteil eines Zweikopf-Akkuschraubers erläutern, während Tausende von zufriedenen Kunden auftreten. Noch sind wir nicht auf dem Niveau angekommen, ganz sicher auch, weil erst vor kurzem vergleichende Werbung überhaupt möglich ist. Innerhalb von Europa gibt es aber auch noch gewaltige Unterschiede: Wenn Sie in Frankreich durch hochwertige gemeinsame Essentermine zum Auftrag kommen können, müssen Sie in Finnland schon mal in die gleiche Sauna gegangen sein. Während Sie in England eine innovative Idee gut und transparent darstellen können, müssen Sie in Deutschland eine Fülle von Referenzen aufweisen, um einen Auftrag erhalten zu können. Der Typus Verkäufer ist dementsprechend auch unterschiedlich“, betont Hanßen. Eins ist aber Fakt: Wenn ein Verkäufer, ganz gleich wo er herkommt und was er verkauft mit verlorenen Aufträgen nicht umgehen kann, sollte er es lassen. Ein Siegeswille muss vorhanden sein, aber wenn der „krankhaft“ wird, wird sich der Verkäufer irgendwann selbst verzehren. Und damit definitiv unglücklich.