Fachartikel, 15.02.2016
Perspektive Mittelstand
Klein und gesund
Gesundheitsmanagement als Attraktivitäts-Booster für KMU
Zufriedene und loyaler Mitarbeiter, ein Arbeitsklima, das zu Leistung und Ideen anspornt – betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten, auch in kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU).

Stellen Sie sich vor, es ist Montagmorgen. Ihre Mitarbeiter freuen sich schon beim Aufstehen auf die Arbeit. Nie ist jemand krank oder überarbeitet. Alle sind fit und fühlen sich wohl, körperlich und geistig. Jeder geht gerne ins Büro, weil sich die Kollegen gut verstehen. Mitarbeiter halten dem Unternehmen die Treue und sind loyal. Klingt wie der Traum eines jeden Arbeitgebers. Eine Utopie? Ja, leider ist es das noch allzu oft. Dabei gibt es Möglichkeiten, sich diesem Ideal zu nähern: Ein betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein Schritt in Richtung utopische, mindestens aber gesündere Zustände im Unternehmen. Das ist für Mittelständler nicht möglich? Weit gefehlt, denn es lässt sich deutlich einfacher bewerkstelligen, als viele Entscheider glauben.

Einige Arbeitgeber denken: Gesundheitsbewusst leben liegt in der Verantwortung des Einzelnen. Wieso soll der Chef sich da einmischen? Eine berechtigte Frage. Natürlich ist Gesundheit ein Thema, mit dem sich jeder Erwachsene selbst beschäftigen sollte. Fakt ist: Viele tun es aber nicht. Keine Zeit, keine Lust, nicht genügend Bewusstsein. Der Arbeitsplatz ist ein Ort, wo auf jeden Fall diejenigen erreicht werden, die wenig für ihre Fitness und ihr Wohlbefinden tun. Hier lässt sich wirklich etwas verändern! Aus wirtschaftlicher Sicht eine lohnende Investition: Die Gesellschaft wird immer älter und mit höherem Alter steigt die Krankheitsanfälligkeit. Um wertvolle Fachkräfte möglichst lange zu halten, liegt es also durchaus im Interesse der Führungskräfte, für mehr Gesundheit und Fitness im Unternehmen zu sorgen.  

Ausgebrannt oder Feuer und Flamme?

Seit einigen Wochen arbeitet Herr Müller (44) nur mit halb voller Batterie. Er ist erschöpft und kann die gewünschten Ergebnisse kaum optimal abliefern. Kopf- und Rückenschmerzen lenken ihn ab. Er ist unkonzentriert. Natürlich bleibt er länger im Büro, weil er die eine Analyse noch einmal überarbeiten soll. Er merkt selbst, dass er noch nicht das Gelbe vom Ei hervorgebracht hat. Morgen müssen die Unterlagen beim Chef auf dem Tisch liegen. Keine Zeit mehr nach der Arbeit zu joggen, so wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte. Heute Morgen kam er kaum aus dem Bett, so matt war er. Ans morgendliche Laufen war da nicht zu denken. Der Stresspegel steigt täglich. Statt Entlastung kommt mehr Druck. Frau Müller ist zurecht besorgt: Ihr Mann verbringt täglich zu viel Zeit im Büro. Er ist gereizt, müde, schlapp, steht kurz vor dem Burn-out. Wenn er es nicht schon getan hat, wird er bald innerlich kündigen: „Hat ja sowieso alles keinen Zweck. Ich mache nur noch Dienst nach Vorschrift.“ Statt wertgeschätzt und anerkannt fühlt er sich ausgenommen, missverstanden, unter Druck gesetzt. Dabei hat er einmal als gut ausgebildete Fachkraft begonnen und das Unternehmen profitierte immer von seinem Know-how. Klar man kann jetzt annehmen, Herr Müller ist nur eine Ausnahme. Er ist zu dünnhäutig und den Anforderungen eben nicht gewachsen. Seine Situation sollte von seinen Vorgesetzten vielmehr zum Anlass genommen werden, die Ursache zu suchen und eine gesunde Unternehmenskultur zu entwickeln.

Es muss natürlich nicht gleich so extrem wie in diesem Beispiel sein: Eine aufmerksame Führungskraft erkennt frühzeitig, ob Mitarbeiter unter starkem Stress und Druck stehen, sich ausreichend Zeit für das Mittagessen nehmen oder es nur hastig runterschlingen, sich selten bewegen. Manche Mitarbeiter und Kollegen meinen auch mit maximal vier bis fünf Stunden Schlaf auszukommen. Doch das ist falsch. Gesund sind mit wenigen Ausnahmen mindestens sieben. Eine Führungskraft muss die Probleme allerdings auch sehen wollen. Wer wegschaut oder für die eigenen Bedürfnisse blind ist, wird seine Mitarbeiter nicht gesund führen können. Auf Dauer wird ein Unternehmen, das überspitzt gesagt Führung nur als das Verteilen von Aufgaben und Zielsetzungen ansieht, Schwierigkeiten bekommen. Sowohl mit der Loyalität der Mitarbeitern als auch mit den Umsatz- und Gewinnzahlen. Zudem kann der Ruf des Unternehmens langfristig leiden.

Ein Blick auf die Zahlen verrät, wie wichtig ein betriebliches Gesundheitsmanagement als wirtschaftlicher Faktor ist: Die deutsche Volkswirtschaft verliert jährlich 225 Milliarden Euro durch kranke Arbeitnehmer (Quelle: Booz & Company). Hier ließe sich mit einem vernünftigen BGM einiges sparen: Der ROI liegt bei ca. 3 bis 16 zu einem eingesetzten Euro. Eines der gravierendsten Probleme, das für die hohe Verlustsumme verantwortlich ist: der Präsentismus – die Mitarbeiter kommen zur Arbeit, obwohl sie gar nicht in der Lage sind, volle Leistung zu erbringen. „Der Chef, Herr Maiwaldt, kommt schließlich auch immer, obwohl er im Bett liegen und sich auskurieren müsste.“ Die Mitarbeiter folgen diesem Vorbild, das zur stillen Agenda wird. Krankheiten werden verschleppt und die vorher gesunden Kollegen werden angesteckt. Oder die Mitarbeiter sind buchstäblich nur noch anwesend, weil sie schnell mit den Aufgaben fertig sind, ihnen die Herausforderung fehlt und sie sich dann langweilen, was im Bore-out endet.

BGM – Teil der Unternehmenskultur

Klar, einige Firmen haben Gesundheitsförderung schon als Weg erkannt, um Geld zu sparen, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und die Mitarbeiter zu motivieren. Kleine und mittelständische Unternehmen sind jedoch noch sehr zurückhaltend bei der Umsetzung eines strategischen BGM. Kein Wunder, wenn das jahrelang in der Firmenstrategie nicht vorgesehen war. Und natürlich hat ein kleines Unternehmen oftmals gar nicht die räumlichen oder finanziellen Ressourcen für ein BGM mit großen und umfassenden gesundheitsfördernden Maßnahmen wie beispielsweise eine Kantine, wo gesundes Essen angeboten werden kann. Das ist allerdings auch gar nicht so wichtig. In KMUs lässt sich trotzdem eine gesunde Esskultur einführen: Feste Pausen und gemeinsames Essen helfen bereits, das Mittagessen und den Arbeitstag zu entschleunigen. Außerdem lernen sich Mitarbeiter, Kollegen und Chefs besser kennen. Hier bietet sich die Chance eine vertrauensvolle Bindung zwischen den Akteuren aufzubauen. Gesundheitsfördernde Maßnahmen nützen aber nichts, wenn das Thema nicht auch als Führungs- und Managementthema erkannt und angenommen wird. Verankern Sie Mitarbeitergesundheit daher fest in der Firmenstrategie.

Ist das der Fall, lässt sich über weitere praktische gesundheitsfördernde Maßnahmen nachdenken. Bewegung ist genauso wie Ernährung ein Teil davon. Sie ist oftmals ganz einfach in den Alltag zu integrieren. Ein Firmenlauftreff ist zwar schön und sinnvoll – für alle die gerne laufen. Doch noch entscheidender für ein gesundes und langes Leben ist nicht das regelmäßige abendliche oder morgendliche Joggen, sondern regelmäßige alltägliche Bewegung. Wer bereits 2 bis 3 Stunden am Stück sitzt, erhöht sein Risiko an Diabetes mellitus zu erkranken um ein Vielfaches. Es ist vollkommen ausreichend, aus gesundheitlicher Sicht sogar zwingend notwendig, zwischendurch häufiger aufzustehen, die Treppe statt den Aufzug zu nehmen und kleine Besprechungen im Stehen oder Gehen durchzuführen. Hier könnte jedes Unternehmen ohne große Investitionen etwa ein Stehpult zum Telefonieren einrichten. Zumal solche Maßnahmen oft von Krankenkassen gefördert und vom Staat steuerlich begünstigt werden.

Alles steht und fällt mit der Unternehmenskultur

Führungskräfte sollten ihr Unternehmen analysieren: Wie viel Fluktuation gibt es? Ist das gewünscht? Wo könnten Mitarbeiter überlastet sein? Was ist die Ursache? Kann eine Person allein dieses Arbeitspensum bewältigen? Gibt es Mitarbeiter, die sich womöglich langweilen und unterfordert sind? All das gehört zum BGM. Damit es nicht in wahllosen gesundheitsfördernden Maßnahmen endet, erklären Sie es zur Management-Aufgabe. Lassen Sie sich und Ihre Führungskräfte in gesundem Führen ausbilden. Passen Sie Ihre Unternehmenswerte an. Ein Unternehmen, das auf gesunde und zufriedene Mitarbeiter ausgerichtet ist, kann nicht nur gute Mitarbeiter halten, sondern wirkt auch auf Bewerber attraktiv.

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ZUM AUTOR
Über Peter Regli
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Peter Regli und Sport sind eine Einheit. Der ehemalige Leichtathlet und Trainer im Spitzensport ist heute Dozent, Referent, Projektleiter BGM und Autor zu den Themen Leistung, Energie und Gesundheitsmanagement. Peter Regli weiß: „Gesunde Mitarbeiter machen starke Unternehmen.“ Seine Erkenntnisse bauen auf Praxis, Erfahrung und einer wissenschaftlichen Basis auf und machen ihn zum Gesundheitsmanager per definitionem.
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