Fachartikel, 20.01.2009
Perspektive Mittelstand
Führungsfaktor „Authentizität“
Wahre Führungsstärke kommt von innen
Immer mehr Menschen erleben sich als Rädchen im Getriebe einer anonymen Maschinerie. Zwar hört man vielerorts den hehren Leitsatz „der Mensch steht im Mittelpunkt“, doch er wird meist nicht gelebt. Die Folgen sind eine zunehmende Sinnkrise, Mangel an Motivation und sinkende Produktivität. Um angesichts des sinkenden Vertrauens Mitarbeiter erreichen und zu Spitzenleistungen motivieren zu können, braucht es im Management von daher mehr denn je Persönlichkeiten, die durch Authentizität, Integrität und eine klare Werteorientierung Vertrauen schaffen, überzeugen und begeistern.
Finanzkrise,  Wirtschaftskrise, Immobilienkrise, Energiekrise, Umweltkrise…- an grossen Herausforderungen fehlt es den Führungskräften in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft derzeit wahrlich nicht. Es stellt sich vielmehr die brennende Frage, ob die heutigen Manager diesen Herausforderungen gewachsen sind. Bei vielen stand während der Schönwetterperiode der letzten Jahre der Shareholder Value klar im Mittelpunkt. Viele Unternehmen stellen dabei keine Wertgesellschaften mehr dar, sondern sind zur Wertpapiergesellschaft degradiert worden.

Die Folgen für die Wirtschaft respektive Unternehmen sind zum Teil gravierend: Gemäss einer aktuellen Gallup-Studie fühlen sich nur 12 Prozent der Beschäftigten ihrem Job gegenüber verpflichtet. Eine weitere Studie der Unternehmensberatung Logo Consult zeigt, dass diese Sinn- und Motivationskrise nicht nur unter Mitarbeitern, sondern auch zunehmend unter Führungskräften grassiert. Vor diesem Hintergrund müssen sich Manager fragen, wie sie Mitarbeiter und letztendlich sich selbst als Vorbilder nachhaltig motivieren und an das Unternehmen binden.

Repräsentative Studien wie der Talent Report von Towers Perrin oder die Gallup-Studie belegen: Der mit Abstand wichtigste Motivationsfaktor ist die Wertschätzung durch den Vorgesetzten. Und die stärkste Bindung wird durch Vertrauen erzielt. Doch inmitten der heutigen Turbulenzen kämpfen die „Schönwetterkapitäne“ darum, zunächst sich selbst zu retten. Wie soll es da gelingen, die Mitarbeiter aus einer tief greifenden Vertrauenskrise zu führen? Dazu bedarf es Persönlichkeiten, welche Kraft ihrer authentischen Persönlichkeit die Herzen anderer berühren. Maßnahmen, wie attraktive Bonusverträge, großzügige Nebenleistungen, Weiterbildungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, reichen bei weitem nicht mehr aus.

Glaubwürdigkeit und Integrität

In den vergangenen 50 Jahren haben unzählige Begriffe über einen optimalen Führungsstil die Runde gemacht: von kooperativ, delegativ, laisser-faire, konsultativ,  situativ bis zu den neusten Trends wie visionär, charismatisch, transformational oder lateral. Doch gleichgültig, mit welchem Etikett Führung versehen wird, es geht aus den vielen Mitarbeiterumfragen klar hervor: Mitarbeiter wünschen sich vor allem echte Chefs! Solche, die glaubwürdig, wahrhaftig, integer und ehrlich sind. Authentische Führung rückt somit als zentrale Herausforderung an die Führungsetagen klar in den Vordergrund. 

Authentische Menschen und Führungskräfte charakterisiert, dass sie andere Menschen auf besondere Art und Weise in ihren Bann ziehen. Sie stehen zur eigenen Wahrheit, auch wenn diese nicht populär ist. Sie drücken offen und eindeutig das aus, was sie für richtig halten. Und am wichtigsten: Sie wissen, wer sie sind und können das Ur-Bedürfnis nach Lob und Anerkennung überwinden, wenn die eigene Führungs(Lebens)aufgabe dies erfordert. Sie kennen und schätzen ihren eigenen Wert und sind in der Lage, den Wert der Mitmenschen in gleichem Umfang zu schätzen. Zugleich wecken sie mit Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Integrität ein Höchstmass an Vertrauen. Damit erfüllen sie die zentralen Kriterien der Mitarbeiterbindung und führen gekonnt Menschen sicher durch Krisenzeiten.

Authentizität. Ein Mythos?

„Wer im Job authentisch ist, schadet seiner Karriere“. Menschen, die so argumentieren werden bald eines Besseren belehrt werden. Der rasante Bewusstseins- und Wertewandel angetrieben durch die Krisen unserer Zeit wird solchen den Weg für authentische Leader als herausragende Persönlichkeiten ebnen. Diese erreichen mit Kraft ihrer Authentizität Sinn- und nicht egozentrische Selbstverwirklichung. Sie können zur eigenen Meinung stehen ohne die Angst, am eigenen Ast zu sägen. Situationsangebrachtes Verhalten ist notwendig, hat aber nichts mit Rollenspiel sondern dem Inbegriff sozialer Kompetenz zu tun. Rollenspiele eignen sich für Schönwetterkapitäne und kompensieren den Mangel an authentischem Selbstwert. „Authentische“ Persönlichkeiten schaffen Vertrauen und Glaubwürdigkeit als Eckpfeiler wahrer Führungskompetenz und halten das Schiff auch in stürmischen Gewässern auf Kurs.

Authentizität also ein Mythos? Wohl kaum. Die Geschichte lehrt uns anderes. Großartige (Führungs)Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi haben mit Verzicht auf gesellschaftlichen Status aber dem „Blick nach Innen“ und durch die Anerkennung der eigenen Individualität und Echtheit die Herzen von Millionen bewegt.

Ein individuelles Höchstmaß an dieser „Selbstheit“ zu leben und in den Führungsalltag einzubringen, fällt vielen schwer. Das Erlangen von Macht und Status um jeden Preis sind oft Verhaltensweisen, um den Mangel an authentischem Selbstwert zu kompensieren. Wertschätzung für andere ist aber unmöglich, wenn man den eigenen Wert nicht kennt. Der Weg zur authentischen (Lebens-)Führung fängt deshalb damit an, zu erkennen, wer man wirklich ist. Wer sich als authentische Führungskraft und Mensch qualifizieren will, muss in seine eigene Persönlichkeitsentdeckung investieren: Man muss lernen, die eigenen Werte auszuloten, seine Stärken und Talente zu erkennen und gezielt zu kultivieren. Der Prozess hin zu einer authentischen Führungspersönlichkeit ist immer auch ein Weg der Selbsterkenntnis.

Lebenseinstellung statt Karriereziel

Selbsterkenntnis ist aber kein Management-Tool, das sich in 2-tägigen Workshops trainieren lässt. Wer ernsthaft über die eigenen Werte nachdenken will, muss sich – zumindest zeitweise – aus dem Zweck- und Nutzendenken herausziehen. Der Rückzug in die Stille ist eine Möglichkeit, um die Werte zu entdecken, die aus einem selbst entspringen und nicht durch Dritte, Medien oder so genannte Idole vorgegeben werden.

Keine Potentialanalyse, sondern die Selbsterkenntnis führt dazu, zu sich zu stehen. Wer sich selbst respektiert und seine eigene Mitte kennt, bringt auch seinem Gegenüber – Mitarbeitern wie Kollegen - echte Wertschätzung entgegen. Wer dann im Alltag und Beruf das eigene Selbst so gut wie möglich lebt, die eigene Integrität fördert und lernt, Erfolge zu feiern und sich aus Misserfolgen weiterzuentwickeln, wird ein stabiles Selbstbewusstsein aufbauen. Das Vertrauen auf die eigene Intuition wird zum wesentlichen Begleiter einer authentischen Führungspersönlichkeit

Authentizität in diesem Sinne kann nicht als Führungsmethode bezeichnet werden. Sie ist vielmehr eine Lebenseinstellung, eine Lebensphilosophie, welche sich letztendlich jedoch ganz wesentlich auf einen erfolgreichen Führungsstil – geprägt durch die Wertschätzung für die Andersartigkeit der Mitmenschen und den Gewinn an Vertrauen – auswirkt. Wer Authentizität in seinem Unternehmen fördert, investiert letztlich in die Persönlichkeitsentwicklung und hat im „Kampf um motivierte Mitarbeiter“ und somit ein Höchstmass an Innovation. Kreativität und Produktivität die Nase vorn. Das Management muss bereit sein, sich ständig zu hinterfragen und die Entscheidungen ihrer authentischen Führungscrew zu akzeptieren. Selbst dann, wenn diese wegen ihrer Unabhängigkeit den Normrahmen oft sprengen.

Der Weg zur Authentizität

Der Prozess hin zu einer authentischen Führungspersönlichkeit ist ein Weg der Selbsterkenntnis und bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes. Dabei sind die verschiedenen Ebenen der Intelligenz angesprochen, insbesondere die emotionale, soziale wie auch die spirtuelle Intelligenz. Letztere soll keine irreführende Assoziationen wecken, sondern ist als das Urvertrauen in die universalen bzw. kosmischen Gesetze zu verstehen. So können Fragen wie etwa „was gibt dem Herzschlag den Impuls“ oder „warum dreht sich unsere Erde“ als spirtuelle Kraft verstanden werden. Die spirituelle Kraft hat in diesem Sinne viel mit Intuition und Urvertrauen zu tun. Eigenschaften, die von Führungskräften insbesondere in turbulenten und hektischen Zeiten immer mehr gefordert werden.

In groben Zügen kann Authentizität in folgenden Schritten entwickelt werden:

  • Erforschen des eigenen Potenzials und der Identität durch Ausloten der Talente und Stärken
  • Identifizieren und leben eigener Wertvorstellungen
  • Definiton einer Lebensaufgabe (sogenannte life Mission)
  • Festlegen der Richtung, welche man gehen will (Vision)
  • Durchführen einer Gap-Analyse: man weiss, wer man ist (Identität, Potenzial und Mission) und wohin man will (Vision) und vergleicht dies mit der Situation, in welcher man steht (wo bin ich?)
  • Definition von klaren Zielen und überprüfen der eigenen Glaubenssätze, die einem von der Zielerreichung abhalten können (Klarheit und Fokus)
  • Auseinandersetzung mit Blockaden (wie etwa mit Ängsten, Depression oder Kontrolle als dominierende Subpersönlichkeiten) durch einen inneren Dialog
  • Dadurch erlangt man eine Festigung emotionaler Stärke (Widerstandsfähigkeit)
  • Letztendlich ist die gezielte Schulung der Intuition und das daraus resultierende Urvertrauen möglich (man befindet sich im Fluss des Lebens)

Diese Schritte klären insbesondere die fundamentalen Fragen unseres Lebens wie

  • Wer bin ich (Potenzial, Identität)?
  • Wohin soll ich (Mission, Vision)?
  • Wo stehe ich momentan (Standortbestimmung: Glaubenssätze und Blockaden)?
  • Wie gelange ich zu meinem Ziel (Klarheit, emotionale Stabilität und Fluss)?

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Buchtipp der Redaktion
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ZUM AUTOR
Über Andreas Dudas
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Andreas Dudàs ist Managementtrainer, CEO, Mediator, Krisenmanager und Autor des Buches „Be Shiro“. Nach einem Studium des Bauingenieurwesen folgten weitere Studienabschlüsse an Universitäten in Großbritannien und Norwegen auf den Gebieten International Management, Leadership und Cross-Functional Teambuilding sowie eine Zusatzausbildung zum Mental-Coach. Als erfolgreiche Führungskraft war der Autor in über 20 Ländern in verschiedenen Branchen und großen Projekten unter anderem in Lateinamerika, den USA und Südostasien als Unternehmensberater, Logistiker, Energiespezialist sowie Trainer für Führungskräfte tätig. Zum Schreiben kam er durch seine vielfältigen beruflichen Erfahrungen, die er einer breiten Öffentlichkeit nutzbringend zur Verfügung stellen möchte. Die Themen seines Werks kreisen um authentische Führung, Selbstmanagement und Spiritualität in der Wirtschaft und sollen Menschen zur persönlichen und beruflichen Selbstverwirklichung ermutigen. Zurzeit leitet Andreas Dudas die Division einer weltweit führenden Energieberatungsunternehmung.
Über Perspektive Mittelstand

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