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Kolumne
Chefsache Führung, 15.02.2011
Frauenquote
Politisches PR-Tamtam am Kernproblem vorbei
Während Arbeitsministerin Ursula von der Leyen medienwirksam für eine Frauenquote - in DAX-Unternehmen – plädiert, bleibt die Gleichberechtigung in Deutschland weiter auf der Strecke.
Familienministerin Kristina Schröder will sie, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will sie, und auch die Kanzlerin ergreift hierzu das Wort  – die Frauenquote. Eigentlich ein bedeutsames Thema, für das es sich zu kämpfen lohnt. Doch schaut man sich die Diskussion an, so wird schnell deutlich, dass hier eine Scheindiskussion geführt wird, um auf die Titelseiten von Handelsblatt, Spiegel & Co. zu kommen. Und die Strategie ging auf.

Unterdessen schaut das Gros der von Ungleichbehandlung betroffenen Frauen weiter in die Röhre. Denn: Frau von der Leyen geht es nur um eine Quote für Frauen im Vorstand oder Aufsichtsrat von börsennotierten Unternehmen (Interview im Spiegel Nr. 5/31.01.2011). Zum Verständnis: Es gibt in Deutschland ca. 140 börsennotierte Unternehmen. Geht man von einer - wie in der aktuellen Diskussion thematisierten - Frauenquote von 30 Prozent aus, beträfe dies in Deutschland gerade einmal ca. 180 Frauen, die in ein solches Gremium aufrücken sollen.

Da muss die Frage erlaubt sein: Was soll das? Wieso wird diese Scheindiskussion geführt? Haben wir in Deutschland nicht ein viel elementareres Problem? Die Herausforderung lautet: Wie schaffen wir es die vielen, gut ausgebildeten und motivierten Frauen in Führungspositionen zu bringen? Und da hilft die Frauenquote im Vorstand oder Aufsichtsrat eines börsennotierten Unternehmens herzlich wenig.

Die vielfältigen Hürden liegen ganz woanders. Zunächst einmal haben sowohl Männer als auch Frauen veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen zu zeigen: Beispielsweise haben Frauen ihre Bescheidenheit, Genügsamkeit und Zurückhaltung aufzugeben und für sich und einen adäquaten Job zu kämpfen. Sie müssen sich dazu bekennen, Einfluss und Macht ausüben zu wollen. Des Weiteren müssen Sie aktiv auf sich und ihre Qualitäten aufmerksam machen. Sie sollten sich mit den - zumeist männlichen - Mächtigen vernetzen und sich von diesen fördern lassen (Mentoring). Schließlich wird es notwendig sein, dass sie bewusst in den Wettbewerb mit Männern gehen, aber mit weiblichen Mitteln (kommunikative Fähigkeiten, Teamorientierung, Empathie usw.) und nicht als „bessere“ Männer. Und damit eine weitere Ungerechtigkeit aufhört wird es notwendig sein, dass Frauen beharrlicher und härter um ihr Gehalt verhandeln müssen.

Auch die Männer müssen sich verändern. Hierzu zählt beispielsweise endlich anzufangen, ihr Vorurteil über zickende Frauen zu beerdigen, die weibliche Andersartigkeit zu respektieren und deren Vorteile konstruktiv für die Lösung komplexer Herausforderungen zu nutzen. Und schließlich müssen Männer bereit sein, einer Frau zu folgen, ohne gleich auf deren Beine zu starren.

Ebenso sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verändern. So müssen Mütter ganztags arbeiten können, ohne als Rabenmutter stigmatisiert zu werden - und Männer Hausmann sein können, ohne als Weichei abgestempelt zu werden. Die Anzahl von Ganztagskindergärten / -schulen ist deutlich zu erhöhen, um allen Familien eine bessere Rollenaufteilung zu ermöglichen und gleichzeitig ihren Nachwuchs in guten Händen zu wissen.

Auch am Arbeitsplatz sind die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu gehört: gleiche Vergütung für gleiche Leistung, denn noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt 20% weniger als ihre männlichen Kollegen. Ausschlaggebend für die Vergütung und Förderung darf nur die Leistung sein - und nicht „der Draht nach oben“ oder das Geschlecht.

Daneben ist der Widerspruch im Grundgesetzt ist zu klären. Verkürzt lautet er: Niemand darf … diskriminiert werden vs. Artikel 3 des Grundgesetz, der seit der Verfassungsreform 1994 wie folgt lautet: „Der Staat FÖRDERTdie tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Und wenn dann Frauen über deutlich mehr Abschlüsse in karriereförderlichen Studienfächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften sowie Technik) verfügen, sollte der dringend notwendigen Steigerung der Frauenquote in Führungspositionen nichts mehr im Wege stehen. Doch solange Manager wie Josef Ackermann eine höhere Frauenquote für wünschenswert halten, weil sie Gremien farbiger und schöner machen, liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Einige dieser Voraussetzungen lassen sich leicht umsetzen. Doch wenngleich uns 40 Jahre Frauenbewegung  sowie Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte sicher weitergebracht haben: Um wirklich mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, braucht es ein revolutionäres Vorgehen. Das schon viel zu lange währende evolutionäre Dahingedümpel führt an diesem Punkt nicht weiter.

Und wer sorgt dafür? Dazu folgendes Erlebnis aus meiner jüngsten Vergangenheit: Vor einigen Wochen sprach ich mit einer Frau, deren Aufgabe es ist, Frauenförderung, Mentoring und Frauennetzwerken in einer Verbandsorganisation zu fördern mit dem Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Auf die Frage, ob sie denn schon ein Seminar à la „Wie kann ich im Wettbewerb mit Männern diesen erfolgreich in den Hintern treten und mich durchsetzen?“ anbiete, reagierte sie erschrocken. Zugegeben etwas überzeichnet, aber darum wird es im Kern gehen. Schnell wies sie diese Idee zurück, das könne man dem Präsidenten nicht verkaufen. Das sei vorauseilender Gehorsam, nicht tatkräftige Frauenförderung.

Doch das beste Beispiel liefern die genannten Ministerinnen. Statt mit einer einheitlichen Meinung Schulter an Schulter für eine Frauenquote zu kämpfen, „zicken“ sie vor laufenden Kameras gegeneinander. Solidarität und Ernsthaftigkeit sieht anders aus.
ZUM KOLUMNIST
Über Roland Jäger
Roland Jäger ist Unternehmensberater, Trainer, Coach und Buchautor. Nach Berufsjahren im Banken- und Finanzwesen arbeitete er im Management einer renommierten Privatbank und in einem bedeutenden Beratungsunternehmen. Seit 2002 ist er Inhaber der rj ... mehr
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