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Erinnerungen an die Zeit bei Ford – Vernichtet der US-Autokonzern mit Reality-Marketing den Wert der eigenen Marke?

(PM) , 22.01.2007 - Von Ansgar Lange Bonn/New York – Andere Länder, andere Sitten. Beim angeschlagenen US-Automobilkonzern Ford www.ford.com geht es jetzt schonungslos ehrlich zu. Mit „Reality-Marketing“ will sich Ford einem aktuellen Marktanspruch stellen und Vertrauen beim Kunden gewinnen. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Absatzwirtschaft www.absatzwirtschaft.de berichtet Yvette Schwerdt in ihrem „Brief aus Amerika“ über die Website www.fordboldmoves.com („Fords mutige Schritte“). Worum geht es dabei? Im Oktober 2006 drehte die Regisseurin Kathryn O’Kane einen Dokumentarfilm, der für Furore sorgte. Das Thema: Menschen, die sich einer ungewissen Zukunft gegenübersehen. Der Drehort: Das Ford-Montagewerk in Norfolk, Virginia. Die Filmemacherin fing mit der Kamera auf, wie die Mitarbeiter damit umgehen, dass ihre langjährige Arbeitsstätte 2007 für immer geschlossen wird. Hierbei handelte es sich nicht etwa um eine investigative Recherche mit dem Ziel, ein Mitglied der „Großen Drei“ unter den US-Autokonzernen an den Pranger zu stellen. Denn in Auftrag gegeben wurde das Werk von Ford selbst. Nach Drehschluss wurde der Film mit dem Titel „Vorbereitung für ein Leben nach Ford“ live ins Internet gestellt. Ford verstehe dies als mutige Promotionmaßnahme, so die Autorin: „Warum? Weil der Auftritt den angeschlagenen Konzern und seinen aktiven Turnaround authentisch kolportieren will und weil die dargebotenen Inhalte – sprich Kurzfilme, Artikel, Blogs und Diskussionsforen – wirkungsvolle Werbung mit schonungsloser Realität verbinden.“ Mit einem Blick hinter die Kulissen wolle man den Kunden einen tieferen Einblick ins Unternehmen gewähren, begründet Ford-Präsident Mark Fields die neue Marketingphilosophie. Statt Jubelarien findet sich nun auch eine Menge Kritik an „geistlosen Produkten“ und an einem „Management-Karussell“ auf der Website. Schwerdt hält die Ford-Strategie nicht für eine Eintagsfliege. So verzichte die Trendagentur Crispin Porter+Bogusky www.cpbgroup.com in der VW-Jetta-Kampagne auf klassische Fahrzeug-Werbethemen wie gestellte Crashtests und sorgenfreie Familienidylle und zeige stattdessen einen Autounfall. Unfälle geschähen nun einmal; daher interessiere sich der potenzielle Käufer dafür, ob er im Fall des Falles auch geschützt sei. Bei Ford scheint die Rechnung bisher aufgegangen zu sein. So verzeichnete www.fordboldmoves.com in vier Monaten 1,2 Millionen Klicks und 856.000 Besucher mit einer durchschnittlichen Aufenthaltszeit von acht Minuten. Lob kommt auch von Marketing-Berater Dennis Keene: „Bislang war die Ford-Werbung eintönig. Jetzt fördert sie Kundenengagement und erzählt Marken-Storys, welche die Zuseher zum Diskutieren animiert.“ Automobilexperten melden allerdings Zweifel an, ob ein solcher Marketing-Gag ein Ersatz ist für eine ausgereifte Geschäftsstrategie. Uwe Röhrig, Inhaber des Hannoveraner Beratungsunternehmens International Car Concept (ICC) www.icconcept.de und ehemaliger Vertriebschef für Mercedes-Benz Pkw und Maybach in Deutschland, ist der Meinung, Ford beschädige auf diese Weise die eigene Marke. „Wenn ein Automobilhersteller seinen Kunden schon einen tieferen Einblick hinter die Kulissen geben will, dann doch bitte unter dem Slogan ‚Fords verzweifelter letzter Schritt’ und nicht ‚Fords mutige Schritte’“, so Röhrig süffisant. „Die einzigen, die Mut brauchen, sind die Werbeagentur und die Filmemacherin, nämlich dafür, dass sie Geld für einen solchen unausgegorenen und damit markenvernichtenden Film bekommen und auch noch annehmen.“ Keiner der Verantwortlichen frage sich anscheinend, was die Ford-Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, einen solchen Film aufnähmen. Durch Reality-Marketing würden diese Leute noch einmal sehr unsanft daran erinnert, dass sie durch eine verfehlte Fahrzeug-Entwicklung und das Verschlafen von technologischen Trends um ihren Job gebracht worden seien. „Um es mal in einem drastischen Bild deutlich zu machen. Auf mich wirkt das Ganze, als würde der Ford-Präsident Mark Fields auf einer Bühne stehen, sich ein paar Gallonen Kraftstoff über den Kopf gießen und dann – während er die Dokumentation sieht und kommentiert – in einem Abstand von wenigen Zentimetern ein brennendes Feuerzeug in die Hand nehmen. Zu einem solchen Fantasie-Szenario passt dann der Titel ‚Vorbereitung für ein Leben nach Ford’“, so Röhrig. Doch beim Ford-Management sei man ja zuversichtlich und hoffe auf den rettenden Feuerwehreinsatz von Toyota. Der Film sei ein Zeichen von Verzweiflung, so Röhrig, Eine Marke sei ein Wertzeichen, dass man nicht mutwillig zerstören solle: „Der Markenwert drückt sich auch in der Tradition aus. Wenn Ford sinnvolles Reality-Marketing betreiben will, dann sollte der Film auch von dem jahrzehntelangen Erfolg des Unternehmen erzählen, dem Wachstum mit neuen Werken, der qualitativen und quantitativen Steigerung an Mitarbeitern. Und dann sollte auch in aller Offenheit und Ehrlichkeit gesagt werden, dass man den technologischen Fortschritt speziell in den USA verschlafen hat.“ Auf diese Misere habe das Management bei US-Traditionsunternehmen bisher nur mit Werkschließungen und der massenhaften Entlassung von Mitarbeitern reagiert: „Dies ist ja oft das einzige, was einigen großen Unternehmensberatungen einfällt, wenn ein Unternehmen saniert werden soll.“ Ford müsse sich bemühen, das Vertrauen der amerikanischen Kundschaft zurückzugewinnen, so der ICC-Chef. Eine solche Ansprache könnte dann in Kombination mit Kundenbindungs-Maßnahmen versehen eine ganz andere, verbindlichere und loyalere Akzeptanz bei den potentiellen Käufern erwirken. Dies sei dann eine Beispiel gebende Wertschätzung für die eigene Marke, die positive Auswirkungen bei Kunden wie Mitarbeitern habe. Etwas milder über das Reality-Marketing von Ford äußert sich der Marketing-Experte Günter Greff www.greff.de: „Ich glaube schon, dass diese spezielle Form von Marketing erfolgreich ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es ehrlich gemeint und vor allem ehrlich dokumentiert ist. Sonst wird es zum Rohrkrepierer.“ Doch so wie die Schwalbe noch keinen Sommer macht, wird ein Film allein die Probleme von Ford in den Vereinigten Staaten weder auf einmal beheben noch dramatisch verschlechtern. Das A&O sind innovative Produkte und vor allem professionelle Verkäufer, die das Fahrzeug an die Frau oder den Mann bringen müssen. In einem Film und auf einer Website können die frustrierten Mitarbeiter vielleicht erst mal Dampf ablassen. „Doch Selbstbeobachtung und der Blick in den Rückspiegel allein bringen Ford nicht wieder auf die Erfolgsspur“, meint Röhrig.
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