Fachartikel, 06.11.2014
Perspektive Mittelstand
Innovations- und Wachstumspotenziale heben
Erfolgshebel Mitarbeiterbefragungen
Während Mitarbeiterbefragungen früher fast ausnahmslos auf Konzerne beschränkt waren, nutzen inzwischen vermehrt auch Mittelständler dieses Instrument, um ihre Mitarbeiter einzubinden und zu aktivieren. Denn Fakt ist: Unternehmen sind erfolgreicher, wenn sie Mitarbeiterbefragungen strategisch einsetzen.
Wie zufrieden sind unsere Mitarbeiter? Stehen sie hinter den strategischen Zielen des Unternehmens? Gibt es länderspezifische Abweichungen? Sind sie fit für Veränderungen? Wie gut sind unsere Führungskräfte wirklich? Und: Wie können wir diese Quoten noch erhöhen?

Mitarbeiterbefragungen (MAB) erfreuen sich großer Beliebtheit – vor allem bei internationalen Mittelständlern. Es gibt kaum eine Branche, in der Mitarbeiterbefragungen nicht genutzt werden. Sie liefern systematisch erhobene Daten über die Sichtweisen, Einstellungen und Erfahrungen der Mitarbeiter zu relevanten Themen wie Führungsqualität, Zusammenarbeit, Engagement oder Strategieverständnis. Sie helfen, Stärken und Schwächen zu identifizieren, ebenso wie Chancen und Risiken, für ein besseres Erreichen der Unternehmensziele. Anhand der Ergebnisse können Unternehmen dann Veränderungsnotwendigkeiten sowie Verbesserungspotenziale erkennen, und entsprechende Maßnahmen einleiten. Auch die Botschaft an die Mitarbeiter ist klar: ihre Meinung zählt; durch diese Form der Einbindung erhöhen Unternehmen ihre Arbeitgeberattraktivität.

Abweichungen in der Praxis

Soweit zumindest die Theorie. Denn häufig werden gerade wichtige MAB-Folgeprozesse wie Ergebnisinterpretation oder Planung und Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen ignoriert, nur halbherzig oder gar dilettantisch durchgeführt. Ein Grund, weshalb Mitarbeiter und Führungskräfte mit den Befragungen oft unzufrieden sind. Erfolgen keine spürbaren Veränderungen in den sichtbaren Problembereichen oder wird dies nicht ausreichend an die Mitarbeiter kommuniziert, verliert das Instrument MAB an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz – die Wirkung verpufft! Denn nur richtig eingesetzt helfen Mitarbeiterbefragungen die Fitness von Unternehmen zu verbessern.

Wie können Mitarbeiterbefragungen nun strategisch genutzt werden? Folgende Tipps und Vorgehensweisen haben sich in der Praxis bewährt:

1. Mitarbeiterbefragungen regelmäßig durchführen

Mitarbeiterbefragungen sind Momentaufnahmen – doch nur regelmäßig wiederholt entfalten sie ihre volle Wirkung. Empfehlenswert ist es, diese in festgelegten Intervallen durchzuführen, zum Beispiel alle ein bis zwei Jahre. Erst in der Zusammenschau zeitlicher Entwicklungen können Unternehmen aussagekräftige Veränderungstrends, beständige Stärken und Schwächen ausmachen. Alle Beteiligten sollten sich im Klaren sein, dass eine Mitarbeiterbefragung als Entwicklungsprozess in mehreren Schritten verstanden und auch dementsprechend angelegt werden sollte. Der Anspruch an die erste Mitarbeiterbefragung ist nicht, bereits eine perfekte Befragung durchzuführen – es gilt, sie Schritt für Schritt auszubauen und zu verfeinern.

2. Themen strategisch gezielt auswählen

Mitarbeiterbefragungen sind keine Selbstläufer. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg ist vor allem die Vorbereitung der Befragung: Welche Inhalte bzw. Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Welche Themen sind von entscheidender Bedeutung für die Unternehmensstrategie und das Erreichen der Ziele? Welche Handlungsfelder sind zu vernachlässigen? Außerdem ist es sinnvoll, vorab genau zu prüfen, welche Erwartungen durch die Befragung und deren Inhalte geweckt werden – und welche nicht. Grundsätzlich sollten die angesprochenen Themen handlungsorientiert, also im Nachgang auch gut zu beeinflussen sein. Dies können konkrete strategische Projekte sein oder Themen rund um Arbeitsbedingungen, Zusammenarbeit, Führung und Gesundheit. Aber Vorsicht: Drehen sich beispielsweise viele Fragen um das Vorgesetztenverhalten und Führung, kann leicht der Eindruck entstehen, eine umfangreiche Beurteilung der Führungskräfte ist beabsichtigt. Ebenso, dass andere Themen als unwichtig von der Geschäftsleitung eingestuft werden.

In der Regel ist je nach Größe des Unternehmens mit einer Vorlaufzeit von ca. einem halben Jahr zu rechnen; die eigentliche Befragung kann innerhalb von zwei bis vier Wochen durchgeführt werden. Ebenfalls nach zwei bis vier Wochen liegen die Ergebnisse vor, je nachdem, ob die Befragung online oder per Papier durchgeführt wurde.

3. Im Vorfeld und im Nachgang richtig kommunizieren

Wie in vielen anderen Bereichen auch ist Kommunikation das A und O. Das heißt, bereits im Vorfeld der Befragung alle Mitarbeiter und Führungskräfte über das Projekt zu informieren – am besten über multiple Kanäle, etwa im Rahmen von größeren Versammlungen, via Intranet, in kleineren Workshops, durch Hausmitteilungen der Geschäftsleitung und entlang der Führungskaskade. So wird der Befragung die nötige Bedeutung verliehen, die Akzeptanz und die richtige Einstellung in der Belegschaft gesteigert und alle können sich intensiv über den Zweck, Ziele und Ablauf austauschen; nebenbei erhält die Geschäftsleitung auch wertvollen Input zu passenden Themen und Inhalten.

Während der Durchführung der Mitarbeiterbefragung gilt es, die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten, über den Status Quo zu berichten und, je nach Rücklaufquote, zur Teilnahme zu motivieren. Wichtig: ankündigen, bis wann mit den Ergebnissen der Befragung zu rechnen ist, wie es nach der Befragung weitergeht, welche Spielregeln dabei gelten und was von Führungskräften und Mitarbeitern erwartet wird. Denn nicht nur die Ergebnisse werden gemeinhin mit Spannung erwartet, auch die Folgeprozesse, die geplant sind. Im Nachgang zur Befragung ist es wichtig, der Kommunikation ebenso viel Aufmerksamkeit zu widmen wie vor der Mitarbeiterbefragung. Vielfach wissen die Mitarbeiter nicht, welche Aktivitäten und Veränderungen ihre Antworten ausgelöst haben und welche Folgen daraus resultieren. Dies zu kommunizieren ist der Schlüssel zum Erfolg – auch für zukünftige Mitarbeiterbefragungen.

4. Ergebnisse zeitnah rückspiegeln und interpretieren


Ist die Befragung abgeschlossen, sollten nicht mehr als vier Wochen vergehen, bis die Ergebnisse vorgestellt werden. Danach können erste Schritte in Richtung Interpretation, Maßnahmenfindung und praktische Umsetzung eingeleitet werden. Wie die Ergebnisse bearbeitet werden, ist eine individuelle Entscheidung des Unternehmens. Grundsätzlich hat sich der Top-Down-Ansatz bewährt. Hier werden die Ergebnisse zunächst dem Topmanagement vorgestellt und anschließend kaskadisch an die Mitarbeiter weitergegeben. Dabei kommt es darauf an, die richtigen Maßnahmen abzuleiten und konsequent umzusetzen. Grundsätzlich empfehlenswert: die Gesamtergebnisse allen im Unternehmen, auch Vorstand und Betriebsrat, zugänglich zu machen. Ergebnisse einzelner Teams sollten nur den entsprechenden Führungskräften und ihren Mitarbeitern übermittelt werden. Fallen die Ergebnisse allerdings sehr schlecht aus, ist es sinnvoll, die Personalabteilung und den übergeordneten Vorgesetzten zu informieren, um die Betroffenen bei der Aufarbeitung und Umsetzung der Ergebnisse zu unterstützen.

5. Die richtigen Schlussfolgerungen ziehen


Im Anschluss an eine Mitarbeiterbefragung wollen Mitarbeiter wie Führungskräfte wissen, welche Veränderungen nun wie angegangen werden bzw. welche nicht und weshalb. Das will gut vorbereitet sein. Um ihnen eine Einordnung der Befragungsergebnisse zu geben, ist es sinnvoll, die Ergebnisse in Relation zu Benchmarks und wissenschaftlichen Daten zu setzen. So können Unternehmen herausfinden, ob und in welchen Themenbereichen sie gut oder schlecht sind, welche Stärken zu verbessern sind und wo Luft nach oben ist.

Zu unterscheiden sind externe und interne Benchmarks: Externe, um einschätzen zu können, wie die Firma im Vergleich zum Wettbewerb steht, interne, um etwa eine Entwicklung über die Jahre hinweg zu erkennen: Hat sich das Commitment zur Strategie und / oder das Vertrauen in den Vorstand beim Topmanagement verändert? Wie groß ist die Streuung zwischen den Organisationseinheiten oder zwischen Ländervertretungen? Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Dazu können ebenfalls Daten aus der wissenschaftlichen Forschung herangezogen werden wie Studien, Reviews oder Metaanalysen.

Ein Praxisbeispiel

In einem mittelständischen Unternehmen gab rund die Hälfte der Verwaltungs- Mitarbeiter in Deutschland an, von ihrem Vorgesetzten regelmäßig nützliche und motivierende Leistungsrückmeldungen zu erhalten. Der Verwaltungsleiter war damit zufrieden, denn verglichen mit anderen Unternehmenseinheiten (interne Benchmarks) lagen seine Ergebnisse über dem Durchschnitt des Gesamtunternehmens. Der Vergleich mit anderen Unternehmen (nationale externe Benchmarks) verdeutlichte hingegen: Das gesamte Unternehmen inklusive der Verwaltung hatte offensichtlich eine sehr schlechte Feedbackkultur. Darüber hinaus offenbarten internationale Benchmarks, dass sich die besonders schlechten Ergebnisse in Frankreich nicht durch die „Landeskultur“ erklären ließen, wie es der Country Manager dort zunächst glauben machen wollte. Vielmehr lagen auch die Frankreich-Werte deutlich unter dem landesüblichen Durchschnitt. Als Geschäftsleitung und Führungskräfte aufgrund wissenschaftlicher Benchmarks und Zusammenhangsanalysen zusätzlich erkannten, wie wichtig eine gute Feedbackkultur für Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter ist, war schnell klar: die Verbesserung der Feedbackkultur im ganzen Unternehmen musste zum zentralen Handlungsfeld gemacht werden. Zwei Jahre später hatte sich diese bereits deutlich verbessert.

6. Die passenden Veränderungsmaßnahmen festlegen und umsetzen

Steht fest, woran das Unternehmen arbeiten möchte und warum, müssen nun die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Erfahrungsgemäß ist der Geschäftsführung und den Führungskräften in der Regel schnell klar, was bei einem bestimmten Handlungsfeld zu tun ist. Wichtig ist, mit einem geeigneten Monitoring und Controlling sicherzustellen, dass die Maßnahmen auch konsequent umgesetzt werden. Hierfür gibt es spezielle IT-Tools und Reporting-Instrumente.
Gestaltet sich hingegen die Maßnahmenfindung schwieriger, ist von Schnellschüssen abzuraten. In diesen Fällen gilt es, die Ursachen genau zu erforschen. Hier bieten sich spezielle Fokusgruppen oder Projektteams an, die unter Federführung eines Mitglieds der Geschäftsleitung dem Thema auf den Grund gehen und ein zielführendes Maßnahmenprogramm erarbeiten. Unter Umständen sind auch themenzentrierte Ergänzungsbefragungen bei spezifischen Mitarbeitergruppen sinnvoll.

Grundsätzlich sollte sich der Umgang mit Ergebnissen aus Mitarbeiterbefragungen nicht unterscheiden von dem mit anderen unternehmensrelevanten Daten – seien es Finanzkennzahlen, Marktforschungsdaten, Produktionskennzahlen oder HR-Kennzahlen wie Fehlzeiten, Fluktuation oder Bewerberzahlen. Ein professioneller Umgang mit kritischen Ergebnissen folgt immer dem gleichen Schema: den Ursachen auf den Grund gehen, wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen, diese konsequent umsetzen, deren Erfolg überprüfen und ggf. nachsteuern. So auf- und umgesetzt entwickelt sich die Mitarbeiterbefragung zu einem machtvollen Instrument strategischer Organisationsentwicklung und nachhaltiger Unternehmensführung.
ZUM AUTOR
Über Dr. Matthias Zimmermann
LOGIT Management Consulting GmbH
Dr. Matthias Zimmermann ist Experte für strategische Mitarbeiterbefragungen (MAB) und datengestützte Organisationsentwicklung sowie geschäftsführender Gesellschafter der LOGIT Management Consulting GmbH. Die Managementberatung LOGIT führt internationale Mitarbeiterbefragungen durch und leitet daraus Empfehlungen für das Top-Management ab. Zu ihren Kunden zählen internationale Groß- und mittelständische Unternehmen (z.B. BOSCH, Allianz, Heraeus, Freudenberg, Dürr, Eagle Burgmann, Richard Wolf).
LOGIT Management Consulting GmbH
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80336 München

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Über Prof. Brodbeck Felix
LOGIT Management Consulting GmbH
Prof. Felix Brodbeck ist Mitinhaber der LOGIT Management Consulting GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der LMU München. Die Managementberatung LOGIT führt internationale Mitarbeiterbefragungen durch und leitet daraus Empfehlungen für das Top-Management ab. Zu ihren Kunden zählen internationale Groß- und mittelständische Unternehmen (z.B. BOSCH, Allianz, Heraeus, Freudenberg, Dürr, Eagle Burgmann, Richard Wolf).
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