Pressemitteilung, 18.12.2006 - 11:50 Uhr
Perspektive Mittelstand
Der erste Schritt zum virtuellen Einkauf – Beispiel Babcock: Beschaffung über Warenkörbe in Beschaffung aktuell, Ausgabe Juli 1996, Seite 22 – 24.
(PM) , 18.12.2006 - Der erste Schritt zum virtuellen EinkaufBusiness Reengineering und Total Quality Management fordern auch von denEinkaufsabteilungen, dass sie sich und ihre Leistungen mehr denn je an den Wünschen ihrer Kunden ausrichten. Das bedeutet einerseits, dass Produkte und Dienstleistungen, die in die unternehmenseigene Fertigung einfließen, kostengünstig und termingerecht beschafft werden, andererseits gilt es aber auch, die interne Kundschaft, also die Bedarfsträger von Gemeinkostenmaterialien bzw. Investitionsgütern zu deren Zufriedenheit zu bedienen. Auch hier verlangt der Kunde eine kostengünstige und prompte Beschaffung, die nicht allein durch Marktgegebenheiten, sondern auch - und zwar im Wesentlichen - durch innerbetriebliche Abwicklungsprozesse beeinflusst wird.Der Einkauf der Babcock Dienstleistungs-GmbH ist für die Beschaffung der Gemeinkostenmaterialien und Investitionsgüter (ca. 20.000 Bestellpositionen pro Jahr) der einzelnen Babcock-Gesellschaften am Stand¬ort Oberhausen zuständig. Dieser interne Bedarf rief wegen der zahlreichen Genehmigungsinstanzen und des relativ komplizierten Bestellsystems (ausgerichtet für die andersartigen Bestellungen von Produktionsmaterialien) nur die Unzufriedenheit der Bedarfsträger hervor. Einerseits war die Zeit zwischen Entstehung des Bedarfs bis zu dessen Befriedigung zu lang; andererseits wurde das optimale Preisniveau zu schlecht genutzt. Viele GenehmigungsinstanzenEine Untersuchung verdeutlichte, dass eine Bedarfsanforderung, gleichgültig, ob beispielsweise für ein Buch mit geringem Bestellwert oder für ein Investitionsgut mit einem Wert in Millionenhöhe, den gleichen Genehmigungsweg durchläuft. Wegen der Vielzahl der Genehmigungsinstanzen war es nicht verwunderlich, dass es mindestens zwei Wochen dauerte, bis die Bedarfsanforderung vom Bedarfsträger in den Einkauf gelangte bzw. 6 - 8 Wochen bis die Lieferung erfolgte.Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Bedarfsmeldungen für Investitionsgüter von den Genehmigungsinstanzen nie abgelehnt wurden, da sie im Vorfeld durch einen "Investitionsantrag" sowieso schon befürwortet wurden. Bedarfe mit relativ geringen Anschaffungswerten wurden auch nicht blockiert, da die einzelnen Genehmigungsabteilungen bei der Fülle der Meldungen nicht mehr nachvollziehen konnten, ob das genehmigte Budget einer Kostenstelle erschöpft ist oder nicht, zumal diese Kontrolle dem KostensteIlenverantwortlichen obliegt. Somit entstanden unnötige Bearbeitungszeiten mit entsprechend hohen Kosten.Nachteilhaft zeigte sich auch die Tatsache, dass das zur Erstellung von Materialanforderungen notwendige Altsystem „Basis" durch SAP abgelöst werden sollte. Für die Meldung von auftragsbezogenen Bedarfen reichte die vorhandene Anzahl der SAP-Anwendungen an den einzelnen Arbeitsplätzen aus. Wären die Bedarfsmeldungen für Gemeinkostenmaterial und Investitionsgüter auch mit SAP bearbeitet worden, so hätte eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zusätzlich mit SAP ausgerüstet werden und entsprechendes Personal systemgerecht geschult werden müssen.Eingefahrene Gleise verlassenIm Mai 1994 wurde dann nach einer kostengünstigen Lösung für die Beschaffung von Gemeinkostenmaterial und Investitionsgütern gesucht, die vor allem mit einfachen und transparenten Systemen über kurze Abwicklungsprozesse verfügt. DieAnsätze von Dr. Peter Friedrich (Geschäftsführer der Babcock Dienstleistungs-GmbH) "Prozesse vereinfachen heißt eingefahrene Gleise verlassen" und "Was nicht mit Notes geht, ist zu kompliziert" führten schnell zu der Idee "Beschaffung mittels Warenkörbe mit Notes" .Voraussetzung für die neue Konzeption war die Tatsache, dass der Babcock-Konzern mit steigender Tendenz über 4000 miteinander vernetzten PC mit Notes-Software (davon ca. 1950 allein in Oberhausen) im Einsatz hat. Somit waren genügend Bedarfsträger in der Lage. das neue Bestellsystem mit Notes bedienen zu können.In einem Pilotprojekt entwickelte die Babcock Dienstleistungs-GmbH das automatisierte Beschaffungssystem für PC-Bedarf über Notes auf Basis eines Warenkorbes. Als Partner diente auf der Lieferantenseite die Compunet GmbH in Essen, die Babcock schon jahrelang mit PC-Geräten und -Artikeln beliefert. Einkauf und Lieferant verhandeln und vereinbaren:1. Rahmenvertrag (eventuell Konzernrahmenvertrag), der die kaufmännischen und rechtlichen Angelegenheiten wie PreissteIlung, Zahlungsbedingungen, Rabatte, Gewährleistung u. ä. regelt 2. Vereinbarung über die automatisierte Bestellabwicklung über Notes als Anhang zum Rahmenvertrag3. Inhalt des Warenkorbes:a) Gemeinsam mit Compunet GmbH listete der Einkauf die PC-Geräte bzw. Artikel (ca. 80) auf, die in der Vergangenheit wiederholt beschafft werden mussten, und sorgte für eine eindeutige Produktbeschreibung. Der „Arbeitskreis PC-Standards" bei Babcock überprüfte diese Aufstellung, so dass nur solche Geräte und Artikel erfasst sind, die in die "PC-Landschaft" von Babcock vom Standard und von der Technik her passenb) Die vom Einkauf bereits vorher durchgeführte Marktuntersuchung für PC-Bedarf wurde dahingehend genutzt, jedem Artikel der Produktzusammenstellung den Nettopreis und die Lieferzeit in Kalendertagen zuzuordnen. Der somit entstandene Warenkorb wurde in einer Datenbank in Notes hinterlegt und an Compunet GmbH in Essen, die ebenfalls über Notes verfügt, repliziert.4. Genaue Festlegung bezüglich der Pflege des Warenkorbes (Fristen für Änderungen, befugte Mitarbeiter, formeller Ablauf der Änderungen)Parallel zur Festlegung des Warenkorbes wurde in Notes ein Bestellsystem programmiert, das über den Einkauf hinaus die Bereiche "Rechnungsprüfung" und "Buchhaltung" erfasst.Prozesse vereinfachenDer einfache neue Abwicklungsprozess bewirkte, dass die Lieferzeit (gerechnet vom Entstehen des Bedarfs bis zur Auslieferung) von 6 - 8 Wochen auf 8 - 10 Tage reduziert werden konnte.Das Pilotprojekt wurde innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen, wobei erwähnenswert scheint, dass erst mit Beginn des Projektes diesbezüglich Notes-Erfahrungen gesammelt wurden. In der Zwischenzeit wurden weitere Warenkörbe für Büroartikel, Büromöbel sowie ein „Allgemeiner Warenkorb" (für allgemeine Bestellungen, zu denen kein konkreter, spezifischer Warenkorb existiert) entwickelt und zum Einsatz gebracht. Kurz vor der Fertigstellung ist der Warenkorb "Mietkopierer" und "Arbeitsschutzartikel". Weitere Warenkörbe sind angedacht.Die Vorteile des neuen Beschaffungssystems sind vielfältiger Art. Besonders erwähnenswert ist wohl die Tatsache, dass das entwickelte papierlose Verfahren auch die Zustimmung des Wirtschaftsprüfers fand, der dieses Bestellsystem zertifiziert hat.Den Vorteil des "Beschaffungssystems über Warenkörbe mit Notes" in Form von Kosteneinsparungen zu quantifizieren, ist zurzeit nur bedingt möglich. Entscheidend ist, dass relativ viele Organisationseinheiten (Einkauf, Wareneingang, Rechnungsprüfung und einige mehr) zeitmäßig entlastet werden. Allein der Ansatz, dass für ca. 20.000 Bestellpositionen pro Jahr (das bedeutet ca. 13.500 Bestellungen) der Ausdruck, die Verteilung und Archivierung in mindestens drei Organisationseinheiten (Einkauf, Rechnungsprüfung, Bedarfsträger) entfallen, lässt ahnen, dass erhebliche Kosten im Unternehmen eingespart werden können. Insgesamt lassen sich die Kosten in der Verwaltung bei Babcock um zwei Millionen DM reduzieren.Das Problem, dass das Beschaffungssystem nur dann funktionieren kann, wenn der Lieferant über Notes verfügt, stellte sich in der Praxis nicht. Die Grundvoraussetzungen, dass der entsprechende Geschäftspartner über mindestens einen PC (486) und eine Notes-Lizenz verfügt sowie über Netz bzw. Modem mit Babcock kommunizieren kann, ließen sich mit geringen Mitteln (ca. 1000 DM für Software und Modem) realisieren. DasLieferantenpersonal konnte wegen der einfachen Handhabung des Systems schnell (ca. 2 Stun¬den) geschult werden.Das neue Bestellsystem soll aus heutiger Sicht im Babcock-Kon¬zern der erste Schritt hin zum „virtuellen Einkauf“ bedeuten. Was spricht dagegen, dass die ca. 50 regional in Deutschland verbreiteten Einkaufsabteilungen der einzelnen Konzerngesellschaften je nach Qualifikation ihre Warenkörbe in das Notes-Netz von Babcock einbringen, die jeder einzelne Bedarfsträger im Konzern nach seinen Bedürfnissen nutzen kann? Der hieraus resultierende Nutzen wegen des Synergieeffektes und wegen weiterer Kosteneinsparungen würde ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Beschaffungswesens bedeuten.gez. Ulrich Kratz