Pressemitteilung, 16.01.2007 - 14:32 Uhr
Perspektive Mittelstand
Ein Interview mit zwei Experten - Warum Qualitätsmanagement?
(PM) , 16.01.2007 - "Wir haben schon immer solide und gute Arbeit geleistet, auch ohne Qualitätsmanagement. Warum sollten wir uns also jetzt damit beschäftigen?", so oder ähnlich argumentieren immer noch zahlreiche Unternehmen, wenn es um die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems geht. Dabei steht oft nur eines im Weg: Die Angst des Menschen vor Veränderungen. Wir kennen alle den Spruch "Das ist halt so!" oder die Feststellung "So haben wir es immer gemacht!" Aber der Markt verändert sich laufend. Natürlich kann man sich gegen solche Veränderungen wehren, am Ende wird so jedoch jedes Unternehmen (oder auch eine Einzelperson) zum unprofitablen Auslaufmodell ... Fazit: Entweder man ist zu notwendigen Veränderungen bereit, oder man zählt unweigerlich zu den Verlierern.Eines soll vorab schon hervorgehoben sein: Man redet immer von Qualitätsmanagement, als sei dies etwas Besonderes. Das ist es nicht! Management, hat man längst vergessen, ist nur das mittlerweile eingedeutschte Wort für Verwaltung. QM ist "nur" eine standardisierte und international anerkannte Methode, um Unternehmen erfolgreich zu verwalten. Insofern besteht das Besondere an zertifizierten Unternehmen "nur" darin, dass sie dies erkannt haben. Wir befragten die beiden Experten Frank Slawik sowie Mike Emenako von der mib Management Institut Bochum GmbH (www.mib-bochum.de) zum Thema:Frage:"Herr Slawik, im Rahmen des QM-Systems müssen gewisse Dinge dokumentiert werden. Kann man sagen, dass der Umfang dieser Dokumentation von der Betriebsgröße abhängt?"Frank Slawik:"Im Prinzip ja. Es gibt zwar einige Dokumentationsanforderungen, die die Norm von allen Unternehmen gleichermaßen erwartet. Darüber hinaus gilt es aber die individuellen Prozesse eines Unternehmens zu steuern und zu lenken. Die Anzahl und Komplexität dieser Prozesse ist in der Regel abhängig von der Betriebsgröße. Größere Betriebe haben mehr Mitarbeiter, es existieren mehr innerbetriebliche Schnittstellen, mehr Mitarbeiter sind an einem Prozess beteiligt; das heißt, dass mehr Informationen gelenkt bzw. festgehalten werden müssen. Die Qualität der übermittelten Informationen muss stimmen. Hier haben es kleinere Betriebe natürlich einfacher. Wir haben zum Beispiel schon einmal einen Ein-Mann-Betrieb betreut, der mit nur zwei Anweisungen für seine wertschöpfenden Prozesse auskam."Frage:"Es gibt gewisse Dinge, die neu sind, wenn man ein QM-System einführt, und nicht die normale Vorgehensweise im Unternehmen widerspiegeln. Können Sie einen dieser Punkte erläutern?"Frank Slawik:"Da ist z. B. die Festlegung und Kommunikation von Zielen. Jeder Untermnehmer hat Ziele, aber oft sind diese nicht schriftlich fixiert, geschweige denn kommuniziert. Dabei macht es sehr viel Sinn. Man gewinnt so ein einheitliches Verständnis dafür, wo die Reise hin gehen soll und wie man das Ziel erreichen will. Nur so kann gewährleistet werden, dass nicht nur alle an einem Strang ziehen, sondern auch alle in die gleiche Richtung.Mike Emenako:"Dies kann ich aus meiner Praxis nur bestätigen. Durch ein gemeinsames Verständnis der Ziele eines Unternehmens können die vorhandenen Ressourcen viel effektiver genutzt werden. Zudem erwartet die Norm nicht nur die Festlegung, sondern auch ein Controlling dieser Ziele. Irrwege oder Fehlentwicklungen können so viel früher erkannt werden. Hier lässt sich bares Geld einsparen."Frage:Wie beurteilen sie generell Kosten und Nutzen eines QM-Systems?Mike Emenako:"Man muss natürlich einen gewissen Aufwand bei der Einführung eines QM-Systems betreiben. Neben den Kosten für Beratung und Zertifizierung entstehen natürlich auch nicht zu vernachlässigende interne Kosten. Der Nutzen wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen, denn mit der erfolgreichen Zertifizierung ist das Projekt "QM" nicht abgeschlossen, es fängt erst an. Letztendlich wird jedes Unternehmen von einer gut strukturierten Ablauf- und Aufbauorganisation durch die Verringerung von Fehl- und Blindleistungen profitieren."Frage:Wie wird die Einführung eines QM-Systems denn generell von Unternehmen beurteilt?Frank Slawik:"Von Unternehmen wird die Einführung eines QM-Systems insgesamt meist als positiv beurteilt. Trotz kurzfristig erhöhtem Dokumentationsaufwand können insgesamt interne Abläufe rationalisiert werden. Mitarbeiter merken meist sehr schnell: Verbesserte Abläufe bringen auch ein Mehr an Arbeitsqualität!"Frage:Gibt es weitere Vorteile, die in Unternehmen als positiv empfunden werden?Mike Emenako:"Natürlich. Weitere unmittelbar nachvollziehbare Vorteile werden in den Standardisierungen der Prozesse erkannt. Das Prozessergebnis ist nicht mehr davon abhängig, ob Mitarbeiter A und B mit der Bearbeitung des Vorgangs betraut ist. Der Kunde, und das ist von höchster Bedeutung, erhält eine gleich bleibend gute Qualität. Zudem geraten Prozesse nicht mehr ins Stocken, wenn z.B. ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfällt. Der Kollege arbeitet nach den gleichen Vorgaben und kann problemlos den Vorgang weiterführen."Frage:Entspricht die ISO-Norm für Qualitätsmanagement der Betriebsrealität?Frank Slawik:"Nun, dies ist eine Frage, die jedes Unternehmen für sich beantworten muss. Ebenso sieht dann auch das Managementsystem aus - jedes ist so individuell wie das Unternehmen. Und das bietet die Norm, denn hinter den einzelnen Normforderungen steckt eigentlich gar nichts Besonderes. Wer die Norm einmal entschlüsselt hat, weiß dies. Und da liegt das eigentliche Problem: die Entschlüsselung der Norm. Wer kann im Alltag schon etwas mit solchen Sätzen anfangen: Die oberste Leitung muss das QM-System der Organisation in festgelegten Abständen bewerten, um dessen fortdauernde Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit sicherzustellen. Diese Bewertung muss die Bewertung von Möglichkeiten für Verbesserungen des und den Änderungsbedarf für das Qualitätsmanagementsystem einschließlich der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele enthalten."Frage:Und was steckt in Wirklichkeit dahinter?Frank Slawik:"Nichts anderes, als dass die Geschäftsführung sich Gedanken machen muss, wie sich der Betrieb darstellen will und was der Betrieb erreichen soll. Regelmäßig, so die Norm, soll der Betrieb prüfen, ob die Ziele erreicht wurden und wo Verbesserungen möglich sind."Frage:ISO und TQM-Gegner stellen ja oft eine Frage: "Wie kann mein Unternehmen flexibel sein, wenn alles nach schriftlich festgelegten Vorgaben gemacht werden soll?"Mike Emenako:Die Antwort ist eigentlich eine Gegenfrage: "Wie oft ärgert man sich, gerade in stressigen Situationen, immer wieder über die gleichen Dinge?" Macht es da nicht Sinn, einen einheitlichen Standard für die Dinge festzulegen, die sich ständig wiederholen? Standards, wo Standards angebracht sind, schaffen Freiräume, und Freiräume schaffen Flexibilität.Wer bei der Führung und Verwaltung des Unternehmens die ISO Norm einbezieht, wird auf Dauer erfolgreich sein. Es gibt jedoch eine ganz wichtige Voraussetzung hierfür. Tatsache ist: kein Unternehmen ist wie das andere. Was für Unternehmen A gut ist, muss nicht unbedingt auch für Betrieb B gut sein. Wenn die ISO Norm also ein Grundstein für den Unternehmenserfolg sein soll, muss jede Forderung wie ein Groschen dreimal umgedreht werden, um zu prüfen, was sinnvoll ist und Nutzen bringt und was nicht. Dann kann sich ein Unternehmen die notwendige Flexibilität schaffen und erhalten, um in einem turbulenten Markt das Oberwasser zu behalten.