Fachartikel, 14.02.2018
Perspektive Mittelstand
Herausforderung E-Commerce
Einzelhandel muss sich der Digitalisierung stellen
Auch wenn die Digitalisierung den Einzelhandel vor zahlreiche Herausforderungen stellt – auch für stationäre Einzelhändler führt an ihr kein Weg vorbei. Der Siegeszug des E-Commerce und digitalen Handels bietet dem stationären Einzelhandel allerdings auch viele Chancen.
Das Ausmaß der Veränderungen durch die digitale Entwicklung und das enorme Tempo, mit dem diese voranschreitet, stellt den stationären Einzelhandel vor zahlreiche Herausforderungen. Seine Bereitschaft für eine Öffnung gegenüber der Digitalisierung ist aber nicht überall gegeben. Viele Betriebe stehen neuen Prozessen, veränderten Geschäftsmodellen und einer digitalen Vernetzung skeptisch, wegen der technologischen Anforderungen manchmal auch hilflos gegenüber. Dennoch führt kein Weg daran vorbei – die richtige Vorbereitung auf die Anforderungen der digitalen Transformation ist für Unternehmen und deren wirtschaftliche Zukunft essentiell. Gleichzeitig muss der stationäre Einzelhandel sein Alleinstellungsmerkmal ausspielen und sich mit seinen spezifischen Vorteilen präsentieren, die nicht digital ersetzt werden können. Individualität, Atmosphäre, Produkte zum Anfassen und vor allem der direkte und persönliche Bezug zum Menschen werden so zum USP.

Faktor Vernetzung statt Standort

Während der Standort und das Sortiment des Händlers einst als wichtigste Kriterien über wirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg entschieden haben, haben diese heute nicht mehr annähernd das Gewicht von einst. Der Rückgang der Besucherfrequenz in den Innenstädten – in besten Lagen und vor allem in Einkaufszentren – spricht hier eine deutliche Sprache. Stattdessen wird es für den stationären Handel zwingend nötig, als Unternehmen im Internet sichtbar zu sein und dem Kunden durch digitale Schaufenster oder über Social-Media-Kanäle das individuelle Produktportfolio zu präsentieren. Die digitale Darstellung von Angebot und Warenbeständen – „Realtime Verfügbarkeit“ – ist unabdingbar: online zeigen, was es auch offline zu kaufen gibt. Denn in Zeiten der großen Onlineplattformen nimmt der Kunde den Weg zum Händler nur in Kauf, wenn er weiß, dass – und vor allem wo – er alles finden kann. Im Idealfall kann der Kunde die ausgewählten Produkte direkt zur Abholung reservieren. Produkte zum Anfassen und die individuelle Beratung sind klare Vorteile des Handels. Aber auch die Vernetzung der stationären Händler untereinander, die „digitale Regalverlängerung“, ist ein Faktor, durch den die Unternehmen ihre Warenbestände mit denen anderer Kollegen verknüpfen und dadurch die Verfügbarkeit deutlich erhöhen Die Nähe zum Kunden bleibt bestehen.

Kundenbindung – ohne Daten kein Handel

Ein weiterer Faktor, der im Zuge von Digitalisierung und mobilem Internet an Relevanz gewonnen hat, ist die gezielte, maßgeschneiderte Ansprache des Kunden auf Basis seines digitalen Profils. Nur wer Informationen über die Kaufvorlieben und das Nutzungsverhalten seiner Kunden hat, kann diese individuell ansprechen, passgenau beraten, Empfehlungen geben und somit mit dem E-Commerce mithalten. Wer seine Kunden und deren „Customer Journey“ nicht kennt, wird als Unternehmen langfristig nicht überleben. Nur wer als erster das Richtige anbietet macht das Geschäft. Der Kunde muss daher vor dem Geschäft – zu Hause oder unterwegs via E-Mail, Social Media oder WhatsApp – erreicht werden. Kleine Unternehmen können hierfür ganz einfach auf Anbieter von Digitalmarketing zurückgreifen, um den technischen, thematischen und auch den datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Digitale Innovationen bieten neue Chancen

Nur wer neue, attraktive Technologien und innovative Prozesse einführt, kann langfristig mit der Onlinekonkurrenz mithalten. Moderne Trackingsysteme können beispielsweise helfen, die Frequenz und die Präferenzen des Kunden vor Ort zu erkennen. Neue Scantechnologien im Laden werden es ermöglichen, das optimal passende Kleidungsstück in kürzester Zeit zu finden. Vor einem virtuellen Spiegel können Kunden Kleidung anprobieren, ohne sich dafür umziehen zu müssen, und bekommen noch ergänzende Produktempfehlungen. Hier kann der stationäre Handel die visuellen Hilfestellungen und Vorteile der digitalen Entwicklung mit seinen Alleinstellungsmerkmalen kombinieren. Digitale Transformation und Beratung des Kunden schließen sich nicht aus.

Symbiose mit Start-ups

Interessante Beispiele dafür, wie sich die Vorteile der Digitalisierung mit der Kompetenz (und der direkten Produktverfügbarkeit) von regionalen Händlern kombinieren lassen, bieten Start-ups wie beispielsweise Atalanda. Die regionalen Online-Marktplätze kann der Fachhandel als digitales Schaufenster nutzen und den Kunden die Möglichkeit bieten, sich über das jeweilige Sortiment und die Warenverfügbarkeit am Standort zu informieren. Atalanda bietet unter dem Motto „click & collect“ die Bestellung im Internet und die Abholung im Laden an und baut gleichzeitig die Zusammenarbeit mit regionalen Kurierdiensten aus. Die Lieferung nach Hause wird noch am selben Tag für einen geringen Betrag möglich. Die ANWR GROUP, eine der größten europäischen Handelsverbundgruppen, hat sich an diesem Start-up beteiligt, um die Symbiose aus digitalen Optionen und Regionalität zu fördern und die Chancen zu unterstreichen, die die Digitalisierung bietet.

Neues Wissen und neues Denken


Der Prozess der Digitalisierung lässt sich jedoch nicht ohne kompetente Mitarbeiter und Nachwuchskräfte gestalten. Entsprechend müssen Qualifikationskonzepte angepasst und eigene Ausbildungen angeboten werden. Der neue Ausbildungsberuf für Kaufleute im E-Commerce ab August 2018 weist hier in die richtige Richtung. Der Handel benötigt für die grundlegende Veränderung der Geschäftsmodelle zudem den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Doch auch mit perfekten Bedingungen kann die Digitalisierung des stationären Handels nur gelingen, wenn Unternehmer und Mitarbeiter darin eine Chance sehen und die Umsetzung wollen. Dieser „mind-change“ könnte für den Mittelstand zur größten Herausforderung werden.

Bild: Dennis Skley; "Das digitale Zeitalter 222/365"; Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0 / flickr 
ZUM AUTOR
Über Günter Althaus
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Günter Althaus ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der ANWR GROUP eG. Mit mehr als 6.000 Unternehmen der Schuh-‐, Sport-, und Lederwarenbranche ist der Genossenschaftliche Unternehmensverband eine der führenden europäischen Handelskooperationen. Seit Mai 2016 ist Günter Althaus Präsident von Der Mittelstandsverbund – ZGV e.V.. Für Mittelstand und Handel engagiert er sich im Präsidium des HDE, außerdem ist er Präsident des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes DGRV.
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