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„Die göttliche Einheit von Leben, Frauen und Trinken“ – Melancholiker, kauft dieses Buch!

(PM) , 29.05.2007 - Von Ansgar Lange Bonn/Frankfurt am Main - Biertrinker und Melancholiker sollten unbedingt zu diesem Buch greifen. Sie werden begeistert sein. Geben wir es zu: Der Blick des Rezensenten fiel zunächst auf das Cover. Dort findet sich eine Dame mit Handschuhen, die fast bis zum Ellbogen reichen. Trotz der „Park Avenue“-Fotos der CSU-Rebellin Pauli wissen wir, dass dies durchaus erotisch und lasziv wirken kann. Der Name des Autors Patrick Hamilton und der Titel „Hangover Square“ sagten dem Rezensenten zunächst nichts. Doch der Klappentext verrät, dass Hamilton der Verfasser der Theaterstücke „Gaslicht“ (verfilmt mit den Darstellern Charles Boyer, Ingrid Bergman und Joseph Cotten) und „Cocktail für eine Leiche“ (Regie Alfred Hitchcock) ist. Wer war Patrick Hamilton? Stöbert man ein wenig im Netz herum, so erfährt man, dass er am 17. März 1904 geboren wurde und am 23. September 1962 verstarb. Schon sein Vater war dem Alkohol zugetan. Patrick sollte in die gleiche Kerbe schlagen und starb an Leberzirrhose und Nierenversagen. Einer der talentiertesten Schriftsteller Großbritanniens hatte sich von früh an zu Tode gesoffen. In „Hangover Square“ wird ebenfalls eine Menge getrunken. Der traurige Protagonist George Harvey Bone kippt vorzugsweise Bier in sich hinein – von morgens bis abends. Eigentlich ist er ein Ritter von der sehr traurigen Gestalt. Er ist in die Möchtegern-Schauspielerin Netta Longdon vernarrt, die zwar unübersehbar attraktiv, aber auch böse ist. Außer ihrem guten Aussehen hat sie nichts, was einen Mann reizen könnte. Sie hat kein Talent, sie ist nicht loyal, sie geht mit Männern nur aus Berechnung ins Bett. Bone hingegen kuschelt lediglich mit einer Hotelkatze. Die Liebe ist rational nicht zu ergründen. Und das ist auch gut so. Wie gesagt, derjenige, der kein Gespür für Trübsinn, ein gelegentliches Gläschen und die Abgründe der menschlichen Seele hat, sollte besser die Finger von diesem Buch lassen. Der Roman spielt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs im London des Jahres 1939. Immer mehr wird die berufliche erfolglose Netta zur Obsession des „Helden“, der sich von ihr nach Strich und Faden ausnehmen lässt, die ihn betrügt und dazu treibt, zu trinken, weil er liebt. Zwischendurch macht es in seinem Kopf „Klick“, dann ist Bone weggetreten und wird vollends zum tumben Tor. Mordphantasien gewinnen zusehends die Oberhand, und es ist klar, dass diese Geschichte für Netta und ihren Verehrer nicht gut ausgehen wird. Wie übrigens die politische Geschichte im Hintergrund auch nicht. Bone ist der einzige, der nicht für Hitler und die Nazis schwärmt, während das Urteilsvermögen der schönen Schauspielerin und ihrer Kumpane deutlich eingeschränkter ist. Die finden die Faschisten schick. Nettas Faszination für die Faschos ist sexuell getönt: „Insgeheim mochte sie die Bilder von marschierenden Männern in Reih und Glied, insgeheim fühlte sie sich von Hitler körperlich angezogen; sie fand auch nicht wirklich, dass Mussolini wie ein putziger Einbrecher aussah. Sie mochte die Uniformen, die Waffen, die Kniebundhosen, die Stiefel, die Hakenkreuze, die Hemden. Alle diese Dinge erregten sie sexuell, wahrscheinlich so, wie ein Stierkampf sie hätte erregen können.“ Doch die Politik spielt hier nur eine (nicht unwichtige) Nebenrolle. Wir verfolgen gebannt den Weg ins Verderben, den Bone beschreitet. Leser, die vor allem auf Handlung erpicht sind, werden enttäuscht werden. Denn so viel passiert nach außen hin nicht. Der Hauptakteur lässt sich scheinbar ziellos treiben. Außer Trinken, Zeitung lesen, Spazieren gehen und Trübsal blasen macht er eigentlich nichts. Außer lieben und schmachten. Er hat keinen Ehrgeiz und will nichts erreichen im Leben. Er vertrödelt seine Zeit, denn er „wollte nichts, außer Netta“. Nur Pussy, eine Katze, liebt ihn und schenkt ihm Wärme, wenn sie sich unter der Bettdecke an ihn kuschelt. Und auch wir lieben ihn, weil er so herzerreißend traurig ist, weil man ihm Netta, die Schlampe, ausreden will. Aber man weiß auch: Es ist zwecklos. Diese Verbohrtheit und Vernarrtheit lässt sich nicht kurieren. George Harvey Bone ist unheilbar liebeskrank. Und wir, die Leser, sind dankbar, dass wir an seinem Schicksal teilhaben dürfen. Patrick Hamilton: Hangover Square. Suhrkamp Taschenbuch Verlag; Frankfurt am Main 2007, 381 Seiten, 12 Euro. ISBN 978-3-518-45862-4.
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