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Die Stunde der Sprachpanscher – Politiker und Manager sind beim „Großen Bruder“ in die Schule gegangen

(PM) , 11.09.2006 - von Ansgar Lange Bonn/Düsseldorf – Die nicht gerade unbescheidenen Baden-Württemberger werben mit dem Spruch: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Dann haben sie ja den richtigen Ministerpräsidenten, so kann man schlussfolgern. Denn Günther Oettinger (CDU) erhielt Ende August 2006 den Preis für den „Sprachpanscher des Jahres“, verliehen vom Verein Deutscher Sprache (VDS) www.vds.de. Aus der Stuttgarter Villa Reitzenstein kam kein Echo, doch es besteht kein Zweifel daran, dass der VDS einen würdigen Preisträger gefunden hatte. „Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familien und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest“, so ließ der Herr mit dem Haifischgrinsen unter anderem verkünden. Politiker reden unverständliches Kauderwelsch, weil sie gar nicht verstanden werden wollen. Abgeschaut haben sie sich das bei vielen Managern, lautet die These des Handelsblatt-Redakteurs www.handelsblatt.de Rüdiger Scheidges. In Deutschland regiere die LOI – die Lingua Oeconomici Imperii. Als Meister ihres Faches beziehungsweise geniale Sprach-Apparatschiks enttarnt der Autor Kanzlerin Angela Merkel und Arbeitsminister Franz Müntefering, die bekanntlich ja auch gut miteinander können. Beide fühlen sich in den Nebelschwaden des Polit-Sprechers anscheinend ausgesprochen wohl. Doch besonders versiert sind die Haushalts- und Finanzexperten der Koalition. Gerne sprechen sie von „Downsizing“ und „Case-Management“, euphemistisch ist von „Outsourcing“ die Rede, wenn eigentlich der Abbau von Arbeitsplätzen gemeint ist. Auch der Begriff „Lean Production“ dürfe nicht fehlen, so Scheidges, der weitere „Schmankerln“ bringt: „’stabilitätsgerechte Lohnabschlüsse’ bedeuten Lohndrückerei, ‚zeitgemäße Aufsichtsratsvergütung’ meint Gehaltseskalation für Führungskräfte, ‚freisetzen’ heißt entlassen. Begriffe, die für das Gegenteil dessen stehen, das sie eigentlich benennen – die aber netter klingen.“ Können die Staats- und Wirtschaftslenker nicht anders? Oder haben sie zu viel in George Orwells Roman „1984“ geschmökert und Gefallen an „newspeak“ gewonnen? Diese Damen und Herren vergewaltigen vielleicht die deutsche Sprache, doch sie tun es bewusst, nicht etwa aus dem Affekt heraus. „Worte sind wertegeladene Träger von Realitäten, die sie dadurch verändern. Sie erschaffen neue Wirklichkeiten – Worte sind Politik“, so der Handelsblatt-Autor. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit benennt Helmut Sürtenich, Vorstandsvorsitzender des Düsseldorfer Wettanbieters Stratega-Ost www.stratega-ost.de: „Wenn die Kanzlerin uns ermahnt, wir dürften unsere Zukunft nicht verbrauchen oder Rainer Brüderle von der FDP ihr mäßig witzig vorwirft, sie regiere nach dem Pipi-Langstrumpf-Prinzip, dann halte ich das nicht für so bedenklich. Alle wissen, dass nicht Goethe und Schiller im Deutschen Bundestag sitzen. Gefährlich wird es, wenn Politiker mit Worten die Wirklichkeit verdrehen.“ Sürtenich verweist darauf, dass die Besitzstandwahrer des Staatsmonopols für Sportwetten in den Bundesländern nicht Tacheles reden: „Sie sagen nicht, dass sie ein Staatsmonopol für richtig halten, weil sie auf die hohen Einnahmen für den Staatshaushalt nicht verzichten wollen. Sie erwecken hingegen den Eindruck, als ginge es ihnen um Suchtbekämpfung. Ohne Skrupel wird private Konkurrenz dann auch gern mal kriminalisiert und auf eine Stufe mit Drogenhändlern gestellt. Hier wird das Wort zur Waffe in der politischen Auseinandersetzung.“ Mit „schön-schrecklichen Euphemismen“ sollen „die brutalen Seiten des Konkurrenzkampfes“ verschleiert werden, meint auch Scheidges. Politische und wirtschaftliche Entwicklungen werden über Begriffe in Gang gesetzt. Die Politik ist ein gelehriger Schüler der Wirtschaft. Weil sie sich nicht festlegen will, scheut sie klare Begriffe. Und weil sie die eigene Gier nach finanziellen Einnahmen kaschieren will, überhöht sie die eigenen Ansprüche moralisch und spricht dem privaten Wettbewerber Moral und Anstand ab.
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