In Wahrheit hatten die am Börsengang von Facebook beteiligten Banken mehrfach mit eigenen Käufen den Kurs stützen müssen, dann ließen sie los und die Aktie stürzte recht schnell ab. Frank Schmiechen kommentierte Zuckerbergs Erfolg in der WELT vom 19. Mai 2012: Ein junger Mann habe gnadenlos vorgeführt, was Deutschland so mangele. Er habe groß gedacht und ein Stück Zukunft erfunden. Während wir noch an Glühbirnen herumschraubten, habe er althergebrachte Regeln in Frage gestellt und eine große Vision verwirklicht, was bei uns immer noch als ärztlich behandlungsbedürftig gelte. Da ein wahnsinniger Welterfolg und die Schlacht um die Zukunft im Internet - dort kleingeistiges Festhalten an Datenschutz und Privatsphäre.
Sorry, dem Unsinn kann ich mich ganz und gar nicht anschließen. Hier hatte niemand vor 8 Jahre eine große unternehmerische Vision! Die Wahrheit ist, dass in Harvard eine offizielle Online-Umsetzung der gedruckten Studenten-Jahrgangsverzeichnisse auf datenschutzrechtliche Bedenken stieß und sich verzögerte. Zuckerberg nutzte das aus und gestaltete mehr aus voyeuristischem Spieltrieb heraus ein simples Programm mit dem er vor allem Fotos verschiedener Studentinnen ohne deren Erlaubnis ins Netz stellte und die Besucher der Seite aufforderte, ihre Weiblichkeiten anhand der Fotos nach "hot or not hot" zu bewerten. Nach massiven Protesten über dieses vor allem wegen massiven Datenschutzverstoßes rechtlich höchst bedenkliche, unausgereifte und spätpubertäre Vorgehen, musste Zuckerberg die Seite wenige Tage später abschalten. Dennoch: Nach einer Reihe von Umgestaltungen der Seite wurde sie für Harvard und später für die USA freigegeben. Die Community dieses Online "Poesiealbums" entwickelte ihre eigene ungeplante Dynamik, die sogar Zuckerberg mehr als überraschte. Nicht Zuckerberg - die Fans von Facebook waren die Welle, die das Netzwerk zu immer neuen Nutzungsanwendungen trieb. Zuckerberg hat sie genutzt. Nicht mehr und nicht weniger...
Was wir heute bei mehr als 800 Mio. Nutzern erleben, ist nicht das Ergebnis großen unternehmerischen und strategischen Kalküls, sondern des eigendynamischen Verhaltens einer breiten Masse von Menschen, die Ihre Zeit damit verschwenden, sich einer anonymen Community öffentlich bis zur Lächerlichkeit preiszugeben und dabei offensichtlich tatsächlich glauben, dass andere (Freunde?) daran ernsthaft interessiert sind zu erfahren, wann sie wo einen "Pups" lassen. Das Facebook-Syndrom ist eine Form von Gruppen- oder Schwarmintelligenz i.S. eines emergenten Phänomens, das komplexe soziale Verhaltensweisen steuert.
So betrachtet, ist Facebook nichts anderes als ein Tamagotchi 2.0, geboren aus der Einsamkeit und Anonymität von Menschen in einer global-oberflächlichen Hyperwelt einerseits und der Gier nach Aufmerksamkeit, Bedeutung und Kontakt andererseits, getrieben und gesteuert von Menschen und Investoren, die damit das große Geld witterten. In und mit Facebook wird nichts erschaffen und außer vielfach zusammenhangslosen Informationen kein fortschrittliches Wissen kreiert. Schlimm, wenn uns dann - wiederum als angebliche Vision - weisgemacht wird, man brauche bald nichts anderes mehr als nur noch Facebook als One-Stop-Shop zur Welt.
Der Swatch-Gründer Nikolaus Hayek sagte einmal so schön: "Wenn wir nichts mehr mit unseren Händen von Wert erschaffen, sondern nur noch Buchgeld an der Börse verdienen, werden wir eine arme Gesellschaft. Dann gnade uns Gott". Ich kann mich dem nur anschließen und offensichtlich haben auch andere Zweifel, ob der Milliarden Deal nachhaltig ist. Wenn General Motors als einer der weltgrößten Werbetreibenden seine Anzeigenschaltungen auf Facebook aussetzt, weil man erkannt hat, dass man Menschen damit nicht wirklich erreiche, sollte einem das zu Denken geben. Schließlich finanziert sich Facebook vorwiegend über Werbeeinnahmen...
Die Herstellung nachhaltiger, innovativer Produkte, die unser Leben effizienter und effektiver machen, ist der zentrale Treiber für Wertschöpfung und Beschäftigung in der Zukunft. Daran wird auch Facebook nichts ändern, auch wenn es solange leben wird, bis jemand ein Tamagotchi 3.0 erfinden. Und das brauchen wir, nicht weil es Fortschritt bringt, sondern weil es uns das ewige Kernproblem unserer vereinsamten anonymen Gesellschaft und deren Sehnsüchte widerspiegelt.