Kolumne
Hamsterrad, 10.05.2010
Perspektive Mittelstand
Coaching
Talente, künftige Top-Manager und ihre Tutoren
Schwerpunkte trainieren, Selbstbewusstsein lernen, Vielfältigkeit zulassen - alles nach einem perfekten, individuell abgestimmten Plan. Privatschulen boomen in Deutschland. Und sie stellen nicht nur Lehrer, sondern auch Coachs ein, die sich um das Wohl der Talente kümmern, den High Potentials, Managern von Morgen...
Die Schulpsychologin bespricht mit den Eltern weitere Schwerpunkte für die individuelle Entwicklung ihres Kindes. "Das Selbstwertgefühl aufzubauen ist das Wichtigste für die Kinder", sagt sie. Klaus Werle, Autor des Buches "Die Perfektionierer" (Campus, 2010) kritisiert diese Coachings: "Scheitern ist nicht mehr erlaubt. Wer permanent seine Schwächen ausbügelt, kann irgendwann seine Stärken nicht mehr ausspielen". Werles Fazit: "Eine wuchernde Lebenshilfe-Industrie für den Wunsch, ein ganz besonders wertvoller, unersetzlicher und leistungsfähiger Mensch zu sein". Wegen dem Effizienzdruck bereits im Kindergarten. Nach einer Umfrage von TNS Forschung Ende 2009 wollen bereits 43 Prozent der Eltern ihre Kinder lieber auf Privatschulen schicken, soweit das finanziell möglich ist. Sie erhoffen sich eine intensivere Betreuung, internationale Ausrichtung - bessere Karriere-Chancen: "In jedem Menschen steckt mehr, wenn er nur will", sagt sie.

Lange braune Haare, pinkes Polo-Shirt, eine Milchzahn-Lücke. Den Hockey-Schläger hat sie fest im Griff, das Tor des Gegners fokussiert. Erst kürzlich hat die 10jährige die Grundschule verlassen. Bald ist sie ein Middle-Year-Student an der Privatschule am Hannoveraner Maschsee. Sie mag die Schule. Der einzige Haken sei, dass man da so viel arbeiten müsse. "Im Kindergarten konnten wir immer spielen", sagt sie. Der Hort steht ebenso auf dem Campus. Ihr Vater ist Manager und hat daher weniger Zeit für seine Tochter als andere Elternteile. Er arbeitete bereits für die Deutsche Bank im Controlling. Die Ausbildung seines Kindes kostet bis zu 25 Prozent des Nettoeinkommens. Die Frau verdient als Juristin freiberuflich hinzu. Für die Eltern hat sich dieses Investment schon jetzt gelohnt. Ihre Tochter breche in Tränen aus, wenn sie krank zu Hause bleiben muss, nicht zur Schule gehen kann. Für den Vater zeigt dies, dass die hochmotivierte, junge Frau später genau so gerne zur Arbeit gehen wird: "Der Erfolg später im Job ist dann doch so gut wie gesichert", sagt er.

Hobbys stehen in der Prioritätenliste der Schulleitung zwar nicht ganz oben, werden aber als Berufswunsch entsprechend gewürdigt: "Also ich mag sehr gerne Schauspielerin sein, aber wenn dann nur so als Nebenberuf", sagt sie. Ein echter Beruf komme für sie in der Tourismusbranche in Frage, um genügend Geld zu verdienen. Eltern ihrer Freunde sind auch Manager, zum Beispiel beim Reiseveranstalter Tui. Zusammen mit anderen in Hannover ansässigen Konzernen sponsert dieser die Schule. Erst vor 15 Jahren wurde diese gegründet. Manche gehören zum Jet-Set der globalisierten Arbeitswelt. "Da jedes Kind ein Produkt seiner Gene und Umwelt ist, gibt es auch keinen Grund, ihm den bestmöglichen Start ins Leben zu verweigern", sagt Elite-Forscher Detlef Gürtler. Für ihn sind Privatschulen in punkto Ausstattung und Betreuung ein Vorbild für die öffentlichen Schulen. Gürtler fügt ein Aber hinzu: Die individuelle Förderung eines Schülers sollte nicht vom Kontostand der Eltern abhängen. Sondern sich vielmehr an den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Kindes orientieren.
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Über Jan Thomas Otte
Ob die einfache Putzfrau mit drei bis vier Nebenjobs, der Kleinunternehmer im Großstadt-Dschungel oder Banker an der Wall Street. Jan Thomas Otte begleitet Menschen in der Wirtschaft. Und das auf vielen Ebenen. Mit Reportagen vor Ort gelingt dem Journalisten ...
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