Fachartikel, 11.09.2007
Perspektive Mittelstand
Management
Change Management durch partizipative Unternehmenskommunikation nach innen
Unternehmen, die nicht dem Leitmotiv der kontinuierlichen Verbesserung folgen und sich dahingehend nicht verändern, fallen schnell im Wettbewerb zurück. Veränderungen, die jedoch nur vom Management gestaltet und verordnet werden, können in der Regel nicht gelingen. Aus diesem Grunde ist es unabdingbar, die eigenen Mitarbeiter in die Planung der Veränderungsprozesse einzubinden und zu motivieren, diese voller Überzeugung mitzutragen. Verschiedene Modelle partizipativer Unternehmenskommunikation können dabei helfen.
Wie können wir die Mitarbeiter über unsere Vorhaben informieren und sie dazu bewegen, diese mitzutragen? Und: Wie können wir sie in unsere Planungen einbeziehen? Vor solchen Fragen stehen Unternehmen oft, wenn größere Veränderungen anstehen. Dann gilt es einen Weg zu finden, um mit den Mitarbeitern in einen Dialog zu treten.

Die Losung muss von daher lauten: Informieren, motivieren, aktivieren! Denn je eigenverantwortlicher die Mitarbeiter arbeiten, umso wichtiger ist ein gemeinsamer Wertekanon, an dem alle ihr Handeln orientieren. Und je schneller sich das Unternehmensumfeld wandelt, umso häufiger müssen die Mitarbeiter auf neue Strategien eingestimmt werden. Deshalb wurden in den zurückliegenden Jahren mehrere neue Konzepte der Großgruppen-Moderation entwickelt. Sie zielen alle darauf ab,

  • die Mitarbeiter in den Prozess zu integrieren,
  • sie zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren und
  • ihr Wissen und ihre Erfahrung für den Erfolg zu nutzen.

Deshalb haben die hier vorgestellten Methoden eine gemeinsame Grundstruktur. In der Regel werden zunächst Gedanken und Ideen gesammelt sowie Themen definiert. Anschließend werden ausgewählte Themen bearbeitet. Aus den Ergebnissen werden dann Maßnahmen abgeleitet und geplant, bevor die Teilnehmer auseinander gehen.

Open Space Technology

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Konzept
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Bei Open Space-Veranstaltungen geben die Organisatoren nur ein allgemeines Thema vor – zum Beispiel „Neue Märkte“ oder „Unser Unternehmen in 10 Jahren“. Die Teilnahme ist freiwillig. Jeder Mitarbeiter entscheidet selbst, ob und wie lange er teilnimmt.

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Verlauf
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Bei einer Open Space-Veranstaltung kann nach der Eröffnung jeder Teilnehmer ein Workshopthema vorschlagen. Danach tragen sich die Anwesenden für die verschiedenen Workshops ein. Anschließend finden zumeist zwei oder drei ein- bis zweistündige Workshop-Runden statt. Die Workshop-Ergebnisse werden protokolliert. Die Protokolle werden vervielfältigt und in einem Reader gebündelt. Er wird den Teilnehmern ausgehändigt. Aus dem Reader filtern die Teilnehmer die für sie wichtigsten Ergebnisse heraus. Diese werden priorisiert, so dass zum Beispiel eine Liste der fünf wichtigsten Themen ent-steht. Hierzu werden Arbeitsgruppen gebildet, die nach der Veranstaltung weiter arbeiten. Die Teilnahme an ihnen ist ebenfalls freiwillig.

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Einsatzmöglichkeiten
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Open Space-Veranstaltungen haben eine sehr offene Struktur. Entsprechend sind die Ergebnisse, zumal in der Regel keine konkreten Absprachen getroffen werden, was mit ihnen geschieht. Open Space-Veranstaltungen eignen sich vor allem als Kick-off für Veränderungsprozesse und zum Sammeln von Ideen.

Zukunftskonferenzen

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Konzept
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Die Grundmaxime von Zukunftskonferenzen lautet: Das gesamte System soll (über Vertreter) im Raum vertreten sein. Entsprechend umfangreich sind die Vorarbeiten – unter anderem um zu ermitteln, wer vom angestrebten Wandel betroffen ist und zur Konferenz eingeladen werden sollte.

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Verlauf
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Eine Zukunftskonferenz gliedert sich in fünf Phasen. Zunächst überlegen die Teilnehmer, mit welchen wichtigen Ereignissen sie oder ihre Organisation in den letzten fünf Jahren konfrontiert waren. In Phase 2 fixieren die Teilnehmer, welche Entwicklungen von außen auf das System einwirken und bewerten sie. Danach erarbeiten sie Möglichkeiten, um hierauf zu reagieren. In der Phase 3 entwerfen die Teilnehmer in Kleingruppen „Idealszenarios“ für die Zukunft. In Phase 4 wird im Plenum ermittelt:

  • Was kam in allen Präsentationen vor? Was wollen folglich alle erreichen? Und:
  • Wie könnten diese Ziele erreicht werden? Was sind mögliche Projekte?

In Phase 5 wird (in Kleingruppen) überlegt: Was wollen wir umsetzen und welche Unterstützung brauchen wir hierfür?

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Einsatzmöglichkeiten
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An Zukunftskonferenzen nehmen meist nur Vertreter der Betroffenen teil. Deshalb bleibt unsicher, ob das gesamte System die beschlossenen Maßnahmen trägt. Außerdem beziehen sich die Beschlüsse oft nur auf die Elemente, bei denen ein Konsens besteht. Die Punkte, bei denen ein Dissens besteht, werden zwar konstatiert, aber nicht bearbeitet. Zukunftskonferenzen eignen sind nicht für Situationen, bei denen auch für die Betroffenen harte Entscheidungen getroffen werden müssen.

RTSC (Real Time Strategic Change)-Konferenz

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Konzept
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Bei Real Time Strategic Change-Konferenzen, kurz RTSC-Konferenz genannt, sind die relevanten Grundsatzentscheidungen (wie „Wir schließen 10 Prozent unserer Filialen“) bereits getroffen. Durch Information und Partizipation sollen die Mitarbeiter als Mitstreiter beim Umsetzen gewonnen werden.

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Verlauf
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Zu Beginn einer RTSC-Konferenz wird den Teilnehmern deren Verlauf und Ziel erläutert. Dann formulieren sie in Kleingruppen ihre Erwartungen an die Veranstaltung. Anschließend schildern im Plenum zum Beispiel mehrere Externe – zum Beispiel Kunden – die Stärken und Schwächen der Organisation. Nach diesem Input überlegen die Gruppen, welcher Handlungsbedarf besteht. Dann schildert die Unternehmensleitung ihre Sicht der Dinge und zu welchen Entscheidungen sie kam. Anschließend formulieren die Gruppen Anregungen und Änderungswünsche. Die Unternehmensleitung wertet diese aus, gibt den Mitarbeitern ein Feedback und modifiziert ihre Entscheidungen sofern sinnvoll. Danach sammeln die Teilnehmer in Kleingruppen Ideen für mögliche Aktivitäten, um die Ziele zu erreichen. Die wichtigsten Ideen präsentieren sie im Plenum. Die Unternehmensspitze bewertet die Vorschläge und beschließt, welche realisiert werden. Danach beginnt erneut in Kleingruppen das Planen der Umsetzung.

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Einsatzmöglichkeiten
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Ein Dilemma von RTSC-Konferenzen ist: Einerseits soll das von der Unternehmensleitung vorgegebene Ziel erreicht werden, andererseits der Prozess offen gestaltet werden. Zudem kommt (bei vielen Teilnehmern) der Einzelne im Plenum oft nur indirekt über den Vertreter seiner Gruppe zu Wort. Deshalb besteht die Gefahr, dass Einzelne ihre Meinung nicht ausreichend gewürdigt sehen und ihre Widerstände verstärkt werden. Entsprechend professionell muss die Planung und Moderation sein.

Appreciative Inquiry („Wertschätzende Anerkennung“)

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Konzept
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Der Grundgedanke des Appreciative Inquiry-Ansatz (AI) ist: In jeder Organisation schlummern positive Geschichten, die als Metaphern für Veränderungsprozesse genutzt werden können. Diese gilt es zu identifizieren.

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Verlauf
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Bei einem AI-Prozesses definiert zunächst eine Planungsgruppe das Kernthema – zum Beispiel Innovation. Danach erstellt sie einen Leitfaden für die Interviews, mit denen die positiven Geschichten ermittelt werden sollen. In den Folgewochen führen die Mitglieder der Planungsgruppe entsprechende Interviews mit Kollegen, aber auch Kunden und Lieferanten. Aus den Interviews werden die „besten“ Aussagen und Geschichten herausgefiltert. Sie werden in einem Reader gebündelt.

Dann folgt der so genannte AI-Summit oder -Gipfel. Dort schildert die Unternehmensleitung der Belegschaft mittels einer Geschichte die Gegenwart und Zukunft des Unternehmens. Anschließend werden die in Interviews ermittelten besten Geschichten in einer kreativen Verpackung präsentiert – zum Beispiel Film/Theaterstück. Danach entwerfen die Teilnehmer in Arbeitsgruppen eigene Zukunftsbilder. Die Ergebnisse werden in einer Art Galerie präsentiert. Hieraus filtern die Teilnehmer die zentralen Themen heraus und formulieren Zukunftsaussagen. Diese werden erneut präsentiert. Anschließend überlegt jeder Mitarbeiter, für welches Ziel er sich engagieren möchte. Dann beginnt die Maßnahmenplanung in Kleingruppen.

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Einsatzmöglichkeiten
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Ein AI-Summit lebt von der Kraft der Geschichten und Zukunftsbilder. Wie stark eine Geschichte wirkt, hängt auch von der Art des Vortrags und der Beziehung zwischen Erzähler und Zuhörern ab. Die meisten Unternehmensführer sind keine Top-Erzähler. In großen Organisationen haben sie zudem zu den meisten Mitarbeitern keine persönliche Beziehung. Deshalb besteht die Gefahr, dass ihre Geschichten auf viele Zuhörer banal oder gar lächerlich wirken.

World-Café

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Konzept
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Ein World-Cáfe soll Personen, die sich selten sehen, miteinander ins Gespräch bringen und dazu veranlassen, sich über ein Thema austauschen.

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Verlauf
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Bei der Veranstaltung erläutert ein Moderator zunächst den Ablauf. Dann bittet er die Teilnehmer, sich an die im Raum aufgestellten kleinen Tische zu begeben, die wie Caféhaus-Tische eingedeckt sind. Dort sollen sie Kleingruppen von vier bis sechs Personen bilden und sich über ein vorgegebenes Thema unterhalten. Ihre Kerngedanken sollen die Gruppen auf den Papiertischdecken oder auf Moderationskarten festhalten. Nach circa 20 Minuten ist die erste Gesprächsrunde beendet. Nun wechseln die Teilnehmer die Tische und bilden neue Gruppen. Zurück bleibt jeweils nur ein so genannter Gastgeber. Er schildert der neuen Gruppe an seinem Tisch den Gesprächsverlauf in der vorherigen Runde und nennt die wichtigsten Ergebnisse. Dann diskutiert die neue Gruppe ebenfalls circa 20 Minuten über dasselbe Thema. Danach werden für die nächste und zumeist letzte Gesprächsrunde neue Gruppen gebildet. Nun wird häufig zudem eine weiterführende Frage erörtert. Nach der letzten Gesprächsrunde tragen die Teilnehmer die Ergebnisse im Plenum zusammen. Danach ist das World-Café beendet.

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Einsatzmöglichkeiten
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World-Cafés bringen größere Gruppen von Personen miteinander ins Gespräch und lassen zwischen ihnen ein Gefühl der Gemeinschaft entstehen. World-Cafés werden primär als Einstiegselemente im Rahmen umfassender Veranstaltungsdramaturgien genutzt.

Alle beschriebenen Konzepte der Großgruppen-Moderation sind Modelle, wie Kommunikationsprozesse gestaltet werden können. Sie werden in der Praxis abhängig von der Gruppengröße, der Ausgangssituation und dem angestrebten Ziel modifiziert. Deshalb kommen im betrieblichen Alltag meist Mischformen zum Einsatz.

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Buchtipp
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ZUM AUTOR
Über Stefan Bald
Dr. Kraus & Partner
Stefan Bald ist Geschäftsführer bei Dr. Kraus & Partner und seit 1995 als Personalentwickler, Organisationsberater, Coach sowie als Lehrbeauftragter an der pädagogischen Hochschule Freiburg und Dozent an der St. Gallener Business School tätig. Stefan Bald startete seine berufliche Karriere nach einer kaufmännischen Ausbildung in der Automobilindustrie und dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik, Psychologie und Soziologie als Organisationsentwickler bei SOS Kinderdorf International, bevor er sechs Jahre die Vertriebsorganisationen von international tätigen Unternehmen verantwortlich führte. Seit 2002 unterstützt er Unternehmen und Vertriebsführungskräfte bei der aktiven Gestaltung ihrer Vertriebspotenziale - häufig in Vertriebsprojekten , bei denen es auch (!) darauf ankommt, die Mitarbeiter für neue Ziele und Wege zu gewinnen. Die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, unterstützt Unternehmen beim Planen, Durchführen, Steuern und Evaluieren von strukturellen sowie kulturellen Veränderungsprozessen. Außerdem vermittelt sie deren Mitarbeitern die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, um ihre Arbeit mit Erfolg zu meistern. Für die Unternehmensberatung arbeiten 50 Trainer, Berater und Projektmanager.
Dr. Kraus & Partner
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