VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 31.08.2009
Change Management
Wandel sinnlich erfahrbar machen
Weil Führungskräfte wie Mitarbeiter individuelle Verarbeitungsgeschwindigkeiten haben, braucht es zur Initiierung und Verarbeitung von Change-Prozessen Raum und Zeit. In diesem Kontext helfen gemeinsame Erfahrungsplattformen wie beispielsweise Change-Events, den Change-Prozess zu vitalisieren.
Häufig sind Change-Vorhaben bzw. Veränderungsprozesse für Mitarbeiter zu abstrakt, um diese greifen oder erkennen zu können. Gut gemeinte Kommunikationsversuche erzeugen Widerstände, wenn die Appellform á la „Wir müssen alle…“ oder „wir sitzen alle…“ überwiegt. Die Aufforderungen verpuffen wirkungslos, wenn dem Mitarbeiter das Wissen und das Gespür fehlt, welche Ebenen und Inhalte der Wandel berührt.  Ein Event im Sinne einer erlebnisorientierten Großgruppenveranstaltung ist eine wirkungsvolle Intervention, um sich von der „alten Welt“ zu lösen und sich zu neuen Ufern aufzumachen.

Change Events eignen sich, um als Kick-off-Veranstaltungen Change Prozesse zu initiieren und auch als Zwischenschritte, um in einem bereits andauernden Veränderungsprozess die Veränderungsbereitschaft hochzuhalten. Change Events zielen auf das Erreichen aller Mitarbeiter/-innen. Nur wenn der Change von jedem Mitarbeiter auf jeder hierarchischen Ebene konsequent und dauerhaft umgesetzt wird, ist er erfolgreich!

Events finden in der Regel außerhalb des normalen Arbeitsumfelds statt. Die Zielsetzung bestimmt die Dauer und ob die Wahl des Settings auf ein abgeschiedenes Kloster, eine Lagerhalle, ein Seminarhotel oder auf eine Akademie fällt. Alle Örtlichkeiten müssen über ausreichend Platz für Großgruppenmethoden verfügen. Es geht darum, das gesamte System, das vom Change betroffen ist, in einen Raum und in Interaktion zu bringen.

Unternehmen stellen sich immer wieder die Frage, ob solche Events ihr Geld wert sind. Denn: Events sind aufwändig – alle Teilnehmer sind für anderthalb bis zwei Tage nicht am Arbeitsplatz, die Vorbereitung ist zeitintensiv, es entstehen Kosten für Transport, Hotel, Tagungspauschalen, Material, Moderation und externe Referenten. Damit sich eine solche Investition lohnt, müssen im Vorfeld die Ziele und Effekte klar definiert sein. Eine gründliche Auftragsklärung ist das A und O für das Gelingen des Change Events. Ein Event, der ausschließlich eine Powerpoint- mit anschließender Buffetschlacht vorsieht, wird keine bleibenden Eindrücke bei den Beteiligten hinterlassen.

Orientierungsrahmen: Das Modell von John P. Kotter (1996)

Beim Design von Change Management Aktivitäten sind die 8 Stufen eines erfolgreichen Veränderungsprozesses sehr hilfreich und unterstützen die Auftragsklärung.

1. Stufe: Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen
2. Stufe: Eine Führungskoalition aufbauen
3. Stufe: Visionen und Strategien entwickeln
4. Stufe: Die Vision des Wandels kommunzieren
5. Stufe: Empowerment auf breiter Basis
6. Stufe: Kurzfristige Ziele ins Auge fassen
7. Stufe: Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten
8. Stufe: Neue Ansätze in der Kultur verankern

(Quelle: Chaos, Wandel, Führung - Leading Change. J.P. Kotter 1997)


Die Frage lautet: An welchem Punkt befindet sich der Prozess? Welche Impulse müssen gesetzt werden? Die Besonderheit besteht mittlerweile darin, dass Change-Prozesse nicht in sich abgeschlossen sind und der Change in immer neuen Wellen gestaltet werden muss. Große Bedeutung erlangt somit die Konsolidierung und Ableitung weiterer Veränderung (Schritt 7) sowie die Verankerung des Veränderungswillens in der Unternehmenskultur (Schritt 8).

Praxisbeispiel: Change Event Allianz-IT

Die Allianz-IT erlebt seit einigen Jahren tief greifende strukturelle Veränderungen. In der Umsetzung sind diese bereits weit fortgeschritten. Es gab daher wenig offene Kritik oder Fragen bei der Kommunikation des nächsten Change-Schritts, der Veränderungsprozess insgesamt war stabil. Dennoch bestand Handlungsbedarf: Die Veränderungsbereitschaft der Führungskräfte sollte weiter hoch gehalten bzw. intensiviert werden. Es bestand die Gefahr, dass der Prozess ins Stocken geraten würde.

Vor diesem Hintergrund formulierte die Projektgruppe folgende Ziele für das 2-tägige Event mit 150 Führungskräften aus vier Hierarchieebenen:

  • Change-Dringlichkeit (Sense of Urgency) bei den Führungskräften verstärken
  • Konkrete Veränderungserwartung kommunizieren
  • Markt-, Kunden- und Konkurrenzperspektive konsequent einnehmen können
  • Vorbilder für Change intern und extern präsentieren
  • Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls innerhalb der Konzern-IT

Der Charakter der Auftaktveranstaltung war durch den IT-Community Gedanken als Gesamtrahmen geprägt. Der Schwerpunkt lag stärker auf Einstellungsänderung und persönlicher Veränderungsbereitschaft als auf konkreter Umsetzungsplanung. Diese sollte in späteren Abteilungsveranstaltungen stattfinden. Weitere Charakteristika der Veranstaltung war der Mix aus Infotainment einerseits und Reflexions- und Verarbeitungsraum in der Gruppe andererseits.

Vorabbefragung zur Einstimmung

Eine Online-Befragung stellte ein nützliches Frontloading für die Veranstaltung dar, da die individuelle Auseinandersetzung mit Change und „Sense of Urgency“ schon im Vorfeld startete. Der IT-Vorstand konnte sich in seiner Rede auf konkrete Ergebnisse beziehen. Neben Vermutungen und Einzelbeobachtungen, wie die Führungskräfte den Change wahrnahmen und was die Gründe für die individuelle Veränderungsbereitschaft waren, wurde ein Gesamtbild aller Führungskräfte deutlich. Beispiele für Fragen:

  • Wie veränderungsbereit schätzen sich die Führungskräfte selbst ein?
  • Was sind Gründe für Beharren/Nichtverändern?
  • Wie stark spüren die Führungskräfte die Dringlichkeit des Changes? Insbesondere unter Berücksichtigung der Markt-, Konkurrenz und Kundenperspektive?


Die Befragungsergebnisse lieferten interessante Erkenntnisse über Selbst- und Fremdbild in Change-Zeiten: So nahmen die Führungskräfte sich selbst veränderungsbereiter wahr als ihre Kollegen. Sie vermuteten, dass ihre Kollegen sie selbst auch nicht als besonders veränderungsbereit wahrnähmen. Hier wurde allen deutlich, dass Veränderungsbereitschaft auch nach außen getragen werden muss, damit ein dynamischer Prozess entstehen kann.

Wandel mit allen Sinnen erleben: Multimediales Einstiegsszenario

Im konkreten Veranstaltungsablauf galt es zunächst, bei den Teilnehmern eine Grundakzeptanz zu erzeugen, dass Veränderungen allgegenwärtig sind und die heutige Situation das (Zwischen-) Ergebnis einer konstant andauernden Veränderung ist. Als sich mit Beginn der Veranstaltung die Türen des Saals für die Teilnehmer öffneten, traten sie in einen abgedunkelten Raum ein, in dem 15 Stationen mit verschiedenen Themen angeordnet waren. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, an Vortragselementen teilzunehmen, mit Videokonsolen zu spielen, zwischen denen 30 Jahre Entwicklungsarbeit lagen, Videosequenzen über die der Erdentwicklung anzusehen, Veränderungsmetaphern zu studieren oder eigene Gedanken zum Veränderungsprozess zu formulieren und schriftlich festzuhalten. Themenbereiche waren Wirtschaft, Biologie, Technik, Philosophie, Allianz im Wandel der Zeit. Die Aussagen lauteten: Wandel ist allgegenwärtig, Wandel ist normal. Die Teilnehmer sollten emotional berührt und aufgerüttelt werden im Sinne der multisensorischen Kommunikation.

Sense of Urgency kommunizieren


Stellt man sich einen Veränderungsprozess wie einen Trichter vor, so steht an der oberen, breitesten Stelle die allgemeine Akzeptanz stetiger Veränderung. Folgt man dem Trichter zu seiner engsten Stelle, muss nun der konkrete Veränderungsdruck kommuniziert werden, um eine Veränderungsbereitschaft herzustellen. Der Vorstand der Allianz Deutschland AG IT bezog eindeutig Position: „Der Wandel ist in vollem Gange, wir haben schon einiges erreicht, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.“

Nach der Würdigung des Ist-Zustandes formulierte er eindeutig seine Erwartungshaltung an die Führungskräfte angesichts der anstehenden Herausforderungen. Er benannte die Bedeutung der Veränderung für jeden einzelnen, was sie seiner Meinung nach bräuchten, um weiterhin gut durch den Change zu kommen und sich wechselnden, nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen anzupassen.

Bei der Vorstandrede kam ein TED-System zum Einsatz, um schnell Stimmungen einzufangen und die Teilnehmer an Befragungen zu beteiligen. Die Stimmungs- und Meinungsbilder konnten schnell gezeichnet und die Ergebnisse unmittelbar darauf in Workshops und Kleingruppendiskussionen weiterverarbeitet werden.

Was sich ändert und was wir ändern müssen

Immer wieder bekamen die Mitarbeiter Zeit und Raum zur Resonanz auf das Gehörte. Indem sie ihre Bedenken und Zustimmungen formulierten und darüber diskutierten, waren die Mitarbeiter bereits aktiv in der Verarbeitungsphase. Im konkreten Fallbeispiel geschah dies durch Aufteilung der Gruppe in mehrere Kleingruppen. Die Fragestellung, die diskutiert wurde, lautete: Wo stimmen wir zu, was sehen wir anders? Die Ergebnisse wurden festgehalten und für die spätere Stellungnahme der obersten Führungsriege aufbereitet.

Talkrunden: Modelle für Veränderungsbereitschaft


Die Führungsrunde nahm unter Moderation von Loquenz-Geschäftsführer Stephan Teuber Stellung zu den Ergebnissen aus den Diskussionsrunden. Zwischenfragen waren erlaubt, und die Teilnehmer machten regen Gebrauch davon. Neben der Würdigung der Mitarbeit dient dies gleichzeitig zur Demonstration von Geschlossenheit seitens der Führungskräfte und richtet alle Beteiligten auf die Veränderung aus. Für die Zuhörer war es zudem hoch interessant, in den sehr authentischen Statements einen Einblick in das Mind Set ihrer Führungsmannschaft zu bekommen. Diese Modelle für einen produktiven Umgang mit Veränderungen waren hilfreich für die Veränderungsbereitschaft jeder einzelnen Führungskraft.

Change am eigenen Leib

Zur Verstärkung der persönlichen Veränderungsbereitschaft erhielten die Führungskräfte zu Beginn des zweiten Tages die Gelegenheit zu einem persönlichen Experiment. Es galt für jeden Einzelnen etwas Neues und Ungewohntes zu testen sowie die IT Community in einer anderen Form zu erleben. Ausprobiert wurde in verschiedenen Workshops Yoga, Theaterspielen, Malen wie Bob Ross, Poker, Karaoke, Spielen mit der Wii-Konsole und vieles mehr. Viele nahmen die positive Erfahrung mit, dass „etwas Neues tun“ bereichert und sowohl die geistige Flexibilität als auch die körperliche Robustheit erhöht.

Fitness der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor Nummer 1


Abschließend identifizierte die Allianz-IT die zentralen Change-Erfolgsfaktoren. Konkrete Fragestellungen für die Kleingruppen waren:

  • Was sind meine ganz persönlichen Erfolgsfaktoren für den Change?
  • Was werden bei der Allianz-IT wichtige Erfolgsfaktoren sein?


Fitness, Kompetenz und Vernetzung waren die drei am häufigsten genannten Faktoren. Weitere Faktoren betrafen u. a. die Faktoren Veränderungsbereitschaft, Change Kommunikation und Mover & Improver Eigenschaften.

Das Ergebnis zeigt, dass eine mitarbeiterorientierte Kultur sowie das Entwickeln einer Wir-Mentalität zentrale Kriterien sind, um die zukünftigen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. So spiegelten sich die anvisierten Ziele der Veranstaltung, das Stärken des Community-Gedankens und der Veränderungsbereitschaft, in den erarbeiteten Erfolgsfaktoren wieder. Die Führungskräfte konnten sich mit dem Ergebnis, das per TED-Abstimmung live bewertet wurde, identifizieren. Die Ergebnisse wurden im Anschluss der Veranstaltung in die bereichspezifischen Runden hineingetragen und auf der Mitarbeiterebene weiter bearbeitet.

QUERVERWEIS
Buchtipp
Praxishandbuch Change Management: Einsatzfelder, Grenzen und Chancen
Als Vorsitzende der Fachverbände Changemanagement bzw. Personalmanagement im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. bündeln die Herausgeber die langjährige Praxiserfahrung renommierter Unternehmensberater im Bereich Change Management.
Weitere Informationen
ZUM AUTOR
Über Stephan Teuber
Loquenz Unternehmensberatung GmbH
Stephan Teuber ist geschäftsführender Gesellschafter der Loquenz Unternehmensberatung GmbH, Unternehmensberater (CMC/BDU), Vizepräsident im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V., Systemischer Supervisor (SG), ...
Loquenz Unternehmensberatung GmbH
Max-Eyth-Straße 13
70771 Leinfelden-Echterdingen

+49-711-758577870
ZUM AUTOR
Über Artur Schmidt
Loquenz Unternehmensberatung GmbH
Artur Schmidt ist Master of Science International Business (University of Stirling, Schottland) und als Business-Coach, Consultant und Projektleiter tätig. Seine Kompetenzschwerpunkte liegen in den Bereichen Change Management, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Lean Management im Büro.
Loquenz Unternehmensberatung GmbH
Max-Eyth-Straße 13
70771 Leinfelden-Echterdingen

+49-711-758577870
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG