Fachartikel, 30.06.2015
Perspektive Mittelstand
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Wie die Führungskultur die Gesundheit der Mitarbeiter beeinflusst
Gesundheitliche Für- und Vorsorge muss in Unternehmen von oben gewollt sein und von unten angenommen werden. Führungskräften kommt von daher bei der Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) in Unternehmen eine Schlüsselrolle zu.
Bei der Aareal Bank in Wiesbaden sind die Führungskräfte Motor und Vorbild für ein gesundheitsbewusstes Verhalten. Und für die rund 900 Mitarbeiter an den deutschen und ausländischen Standorten in 14 Ländern stehen vielfältige Gesundheitsangebote bereit. Die Komplexität der Prozesse und die Arbeitsverdichtung nehmen in Banken immer mehr zu. Die Arbeitnehmer gesund zu erhalten, ist daher für die Aareal Bank ein großes Anliegen. Hinzu kommt, dass sich der Finanzdienstleister als attraktiver Arbeitgeber für (potenzielle) Mitarbeiter positionieren möchte. Ein modernes Gesundheitsmanagement kann dazu beitragen.

Mit einem vom Vorstand bewilligten Budget konnte die Bank an den Start gehen: Zunächst wurde Ende 2012 ein Steuerungskreis mit Vertretern von HR, des Betriebsrats und Delegierten aus verschiedenen Fachbereichen gegründet; dieser ist heute für die Planung und die Umsetzung konkreter Maßnahmen verantwortlich. Der Betriebsrat hatte eine tragende Rolle bei der Einführung des BGM. Um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu ermitteln, wurde auf Initiative des Gremiums und in Zusammenarbeit mit der UBGM in nur zwei Monaten ein BGM-Konzept entwickelt und eine erste Online-Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Ziel war es, die individuellen physischen und psychischen Belastungen zu ermitteln. Die vom Gesetzgeber jährlich vorgeschriebene Gefährdungsanalyse war ein Ansporn genau hinzusehen, wo der Schuh bei den Mitarbeitern drückt.

Basierend auf den Ergebnissen entwickelte die Bank ihr Gesundheitsmanagement, das sich auf die  vier Säulen Bewegung, Ernährung, Prophylaxe und Entspannung mit vielfältigen Maßnahmen stützt. „Die Säulen sind die zentralen Stellschrauben, mithilfe derer der Arbeitgeber das Arbeitsumfeld ein stückweit positiv beeinflussen will“, bekräftigt Dirk Schiffauer, der als Director HR Consulting bei der Aareal Bank für Personalmarketing und das BGM verantwortlich zeichnet. Mindestens genauso wichtig sei es, die Eigenverantwortung der Beschäftigten zu stärken. Dass die Arbeitnehmer das wollen, war auch ein Ergebnis der ersten Mitarbeiterbefragung.

Vier starke Säulen


Wie lässt sich das Wohlbefinden positiv beeinflussen? Für die Beschäftigten steht eine Vielzahl an Maßnahmen bereit, aus denen sie wählen können. Zu den Bewegungsangeboten (Säule 1) zählen u. a. Lauf- und Nordic Walking-Kurse. Aus einer Eigeninitiative heraus werden in diesem Jahr darüber hinaus am Standort Wiesbaden drei Laufgruppen entstehen, die von jeweils einem Mitarbeiter aus der Zentrale geleitet werden. Wenn die Arbeitnehmer vom Lauf im Park in der Nähe der Bank zurückkommen, können sie demnächst die zu diesem Zweck eingerichteten Duschen nutzen.

Für eine gesundheitsbewusste Ernährung (Säule 2) stehen täglich vollwertige Gerichte in der Kantine auf dem Speiseplan. Vorträge zu Ernährungsfragen sowie ein professionelles Gewichtsmanagement-Programm runden diese Säule ab.

Hautscreenings sowie Augenuntersuchungen werden u.a. im Rahmen der Prophylaxe (Säule 3). angeboten.  Zur Entspannung (Säule 4) können die Mitarbeiter während der Arbeitszeit zur Massage im hauseigenen Massageraum gehen und QiGong-Kurse besuchen.

Praxistipp: Es empfehlen sich Gesundheitsangebote, die schnell wirken und die von den Beschäftigten einfach angenommen werden können. Dazu zählen auch Vorträge zu gesundheitsrelevanten Themen und die Einrichtung eines Gesundheitsportals. Auf dem Portal der Bank findet mitunter ein reger Austausch zwischen den Arbeitnehmern zu verschiedenen Fragen rund um das BGM statt.

Vor dem Hintergrund, dass die Arbeitsverdichtung und -komplexität zunimmt, ist es wichtig, die Resilienz – also die seelische Widerstandsfähigkeit – zu fördern. In diesem Jahr wird die Bank eine sog. Stress-Prophylaxe anbieten. Wie führe ich achtsam, wie motiviere ich meine Mitarbeiter dazu, Regenerationsphasen zu nutzen bzw. wie kann ich in Stresssituationen die eigene innere Balance bewahren – das sind Themen der Workshops und des in diesem Jahr erneut geplanten Gesundheitstages.

EAP-Beratung für schnelle Hilfe


Das Employee Assistance Program (EAP) ist ein weiterer BGM-Baustein, der in Zusammenarbeit mit einem externen Anbieter durchgeführt wird. Die Dienstleistung lässt sich mit einer internen Sozialberatung größerer Unternehmen vergleichen. Die Beschäftigten können sich in krisenhaften Situationen – z. B. bei sozialen und psychologischen Fragen – telefonisch oder auch bei einem Berater in ihrer Nähe Hilfe holen. Die Beratung ist kostenlos und es bleibt anonym, wer diesen Service nutzt. Aktuell liegt die bundesweite Nutzungsrate bei 5 %.

Praxistipp: Gerade für mittelständische Arbeitgeber kann EAP sinnvoll sein: Die jeweiligen Beratungsleistungen können auf die speziellen Anforderungen des Unternehmens abgestimmt werden. EAP-Berater, die im engen Kontakt mit niedergelassenen Psychotherapeuten stehen, können an diese Mitarbeiter im Falle einer psychischen Erkrankung kurzfristig vermitteln.

Seminar: Gesund Führen

Vor allem von der Führungsqualität hängt es ab, ob die Beschäftigten nachhaltig gesund bleiben. Wenn Vorgesetzte einen kooperativen Führungsstil pflegen, sind die Mitarbeiter oftmals eher bereit, sich auch mit Sorgen und Problemen an sie zu wenden. Die Bank hat die UBGM beauftragt, das zweitägige Seminar „Gesund führen“ zu konzipieren und verbindlich für alle insgesamt rund 120 Führungskräfte durchzuführen. Auch Mitarbeiter ausländischer Standorte nehmen an dem Seminar teil, das je nach Bedarf in deutscher und englischer Sprache stattfindet. Am ersten Seminartag steht die Gesundheit der Führungskräfte im Mittelpunkt. Nach einem Lauftraining können die Teilnehmer durch eine sportmedizinische Diagnostik mit einer Pulsuhr ihre Muskulatur-, Körperfett- und Laktatwerte messen. Nicht nur die Werte sind für sie aufschlussreich, sondern sie bekommen auch ein individuelles Feedback dazu, welche Muskeln sie wie trainieren und dabei Fett verbrennen können. Das erhöht die Motivation, künftig mehr für ihre Gesundheit zu tun.

Stehen am ersten Seminartag Bewegungs- und Ernährungsthemen im Vordergrund, widmet sich der zweite Tag der gesunden Mitarbeiterführung. Vor allem geht es darum, die eigene Führungsrolle zu reflektieren und zu lernen, Fehlbelastungssignale bei den Beschäftigten zu erkennen. Das Feedback der Führungskräfte zum Seminar ist durchgehend positiv: Sie erleben es als wertschätzend und hilfreich für ihre Rolle als Führungskraft.

Praxistipp: Es kann sinnvoll sein, leitende Mitarbeiter aus dem Bereich BGM und/oder der Personalentwicklung als Co-Trainer einzusetzen. Dieses Konzept hat sich auch bei der Aareal Bank bewährt. Wenn Themen und Fallbeispiele auf konkrete Unternehmenssituationen bezogen werden können, erleichtert das den Transfer deutlich. Bspw. War ein Thema, wie die Regeneration der Beschäftigten dadurch gefördert werden kann, dass sie nicht permanent erreichbar sein müssen. Daraus lassen sich verbindliche Kommunikationsregeln ableiten. Co-Trainer aus dem Personalbereich können zudem professionelle Beobachter und gute Feedback-Geber bei Simulationsgesprächen sein.

Maßnahmen mit Mehrwert

Nach der ersten Mitarbeiterbefragung Ende 2012 wurde nun bereits die dritte Befragung in Angriff genommen mit dem Ziel, die Wirkung der BGM-Maßnahmen zu evaluieren und herauszufinden, wo es Ergänzungs- und Verbesserungsbedarf gibt. Ein besonderer Schwerpunkt soll in 2015 auf die Regenerationsfähigkeit gelegt werden. Geplant ist, u. a. einen Ruheraum einzurichten.

Abzuschalten und eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu finden, fällt leistungsorientierten Beschäftigen häufig schwer. Wollen sie langfristig leistungsfähig bleiben, ist eine gute Balance notwendig. Viele Mitarbeiter der Bank sehen, welchen Mehrwert ihnen die angebotenen Maßnahmen bringen. Aareal will kein Unternehmen sein, das nur Gehälter und Boni zahlt. Nachhaltig in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren, hat weiterhin eine hohe Priorität.

Checkliste: So erkennen Führungskräfte Gesundheitsgefahren bei ihren Mitarbeitern

Führungskräfte brauchen keine Therapeuten oder Ärzte zu sein, um krankheitsbedingte Auffälligkeiten wahrzunehmen. Wer seine Sinne, speziell Augen und Ohren, schärft, kann erste Warnsignale für psychische Überlastungsgefahren bei seinem Mitarbeiter erkennen. Das sind zum Beispiel folgende:
  • auffällige Verhaltensänderungen zum bisherigen Verhalten,
  • reduziertes Interesse und nachlassendes Engagement,
  • Desorganisation, zunehmende Unsicherheit (fällt zum Beispiel durch ungewöhnliches Stottern auf), Verflachung bis hin zum Äußern von Verzweiflung können Signale für eine aktuelle Überforderung im Berufsumfeld aber auch im Privatleben sein.  
  • allgemeiner Leistungsabfall oder ein erhöhter zeitlicher Aufwand für gewohnte Aufgaben
  • sinkende Arbeitseffektivität, die sich zum Beispiel in überflüssigen Überstunden zeigt, können auf eine psychische Belastung schließen lassen,
  • auffällige Kontrolle der eigenen Arbeit,
  • hohe Fehlerquote
  • Aufgaben werden nicht zu vereinbarten Terminen fertig gestellt,
  • vermehrte Unpünktlichkeit; reagiert die Führungskraft hierauf nicht, können die psychischen Belastungen in vielen Fällen auch erhöhte Fehlzeiten nach sich ziehen.
Offensichtlicher Leidensdruck:
  • bedrückte Stimmung über längere Zeit,
  • ständiges Klagen über körperliche Beschwerden,
  • Angstgefühle und Äußerungen des Lebensüberdrusses,
Verändertes Sozialverhalten:
  • sozialer Rückzug,
  • übermäßige Gereiztheit
  • Aggressivität
QUERVERWEIS
Service-Tipp
Online-Praxisleitfaden für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
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zum BGM-Online-Forum http://www.gesundheitsmanagement24.de/praxisleitfaeden-checklisten/praxisleitfaden-betriebliches-gesundheitsmanagement/
ZUM AUTOR
Über Stefan Buchner
UBGM - Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement
Stefan Buchner ist Geschäftsführer der UBGM- Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement in Berlin.
UBGM - Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement
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