Pressemitteilung, 19.01.2007 - 15:40 Uhr
Perspektive Mittelstand
Allem Anfang wohnt ein Zauber inne – Doch Perfektionswahn führt zur Ladehemmung
(PM) , 19.01.2007 - Von Ansgar Lange Bonn/Köln – Stephan Grünewald hat Deutschland bereits auf die Couch gelegt. Er ist Diplom-Psychologe und Mitgründer des Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen www.rheingold.de, das anders als die Konkurrenz nicht auf standardisierte Fragebögen und Straßenumfragen, sondern auf tiefenpsychologische Interviews setzt. Sein Buch „Deutschland auf der Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft“ erschien 2006 und appellierte an die Leute, ihre übertriebenen Anforderungen an das Leben herunterzuschrauben. In einem Gespräch mit dem Magazin Stadtansichten www.autostadt.de greift Grünewald seine Hauptthesen noch einmal auf. Deutschland befindet sich in einer Dauerkrise. Dies hört man allerorten. Warum gelingt es den Menschen nicht, aus diesem Kreislauf auszubrechen? „Weil es uns nicht gelingt, ein begeisterndes Zukunftsbild zu entwickeln, für das sich das Wagnis lohnt.“ Bei der Fußball-WM und beim Papst-Besuch habe man gesehen, dass die „Trias aus Vision, Gemeinschaft und Mitwirkung“ einen Anfang auslösen könne. Zwar seien viele mit der derzeitigen Situation unzufrieden, doch es bewege sich trotzdem nicht viel: „Wir neigen leider dazu, auch schlechte Gewohnheiten zu wiederholen, denn die Hölle, die wir kennen, ist erträglicher als die ungewisse Zukunft.“ In Deutschland seien nur Negativ-Utopien erlaubt. Als Beispiele nennt er das Waldsterben, Wettrüsten oder den Sozialismus als Feindbild. Die jüngere Generation wolle nicht wie ihre Vorgänger-Generationen schlechte Erfahrungen machen. Daher wolle sie vor allem „cool“ sein und auf Distanz bleiben. Doch wer ständig in der Beobachterposition verharrt und sich nicht auf das Leben einlässt, vertagt es nur. Wenn sich Unzufriedenheit breit mache, gebe es nur einen Weg: „Die Welt verändert sich ja nicht nur durch große Taten, sondern auch durch viele kleine Schritte.“ Grünewalds Argumentation läuft schließlich auf eine Absage an eine übertriebene Glücks- und Perfektionskultur hinaus. „Wir brauchen auch mehr Mut in der Wirtschaft“, fordert Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) www.bvmwonline.de. „Auch in der Wirtschaft gibt es eine Verhaltensstarre, für die wir einen hohen Preis zahlen werden. Einst war es gerade diese Aufbruchmentalität, die Deutschland als Wirtschaftsmacht etabliert hat. Deshalb predige ich immer, nicht die Furcht vor, sondern die Freude auf Herausforderung sollte unsere Einstellung prägen.“ Grundsätzlich sei die Qualität der deutschen Führungskräfte gut. Allerdings käme dieses Bild in der Öffentlichkeit nicht an. „Es gelingt vielen nicht, ihre exzellenten Leistungen sichtbar zu machen. Die Medien richten die Scheinwerfer oft nur auf die schwarzen Schafe. Das ist auch Ausdruck des kritisierten Perfektionswahns. Die Welt ist nicht perfekt; aber es lohnt sich, sie ein Stückchen besser zu machen. Dazu ist man aber nur in der Lage, wenn man positiv denkt und sich nicht auf das Negative fixiert.“ Der deutsche Mittelstand lege täglich Zeugnis ab für positives Denken. Er schaffe Ausbildungsplätze und Jobs und lasse sich auch nicht entmutigen, wenn die politischen Rahmenbedingungen alles andere als optimal seien.