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Patienten mit seltenen Erkrankungen durch hohes Evidenzniveau benachteiligen?

(PM) , 27.07.2009 - Allein unter vielen: Das Schicksal von Menschen mit einer der rund 7.000 seltenen Erkrankungen. Rund vier Millionen Menschen sind in Deutschland betroffen, ca. 36 Millionen in der EU. Zwar sind die „Orphan Diseases" in den letzen Jahren aus dem Schatten gesundheitspolitischen Interesses getreten, und trotzdem fehlen in Deutschland Voraussetzungen für eine nachhaltige Versorgungsforschung und eine der Seltenheit Rechnung tragende Therapiezulassung. Zu diesem Thema diskutierte beim 6. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik der Initiator Prof. Dr. Matthias Augustin (Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie am UKE) mit Frau Prof. Dr. med. Leena Bruckner-Tuderman (Direktorin FRIAS, Ärztliche Direktorin der Universitäts-Hautklinik Freiburg), Dr. jur. Rainer Hess (Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschuss), Frau Dr. Anna-Maria Mattenklotz (Referentin Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung im BMG) und Dr. phil. nat. Andreas Reimann (1. Stellvertretender Vorsitzender der ACHSE e.V., Geschäftsführer der Mukoviszidose e.V.). Fazit: Ob häufige oder seltene Erkrankung: Jeder Patient hat ein Recht auf die bestmögliche Behandlung. Für seltene Erkrankungen müssen deshalb die Rahmenbedingungen modifiziert und die Kriterien für die Evidenzbewertung individuell angepasst werden.

Prof. Augustin betont, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen eine gezielte Unterstützung benötigen, weil es bei Krankheiten mit geringer Prävalenz an notwendigen Forschungsaktivitäten, fundierter Diagnostik und Therapie sowie an sachgerechten Patienteninformationen mangelt. 25% der Betroffenen erhalten eine Diagnose erst nach 5 - 30 Jahren, bei 40% wird zunächst eine falsche Diagnose gestellt. Darüber hinaus ist bei 33% die Aufklärung unzulänglich, und bei 50% findet keine genetische Beratung statt. Augustin begrüßt die Programme der Europäischen Kommission, sieht für Deutschland allerdings drei große Hürden: Die Unterfinanzierung der biomedizinischen und klinischen Forschung, das Fehlen von Versorgungsforschung und die übertriebene Forderung nach Nutzenbelegen auf höchstem Evidenzniveau.

Frau Prof. Bruckner-Tuderman - ausgezeichnet mit dem Eva Luise Köhler Forschungspreis 2009 - bestätigt die unzureichenden Voraussetzungen für die Grundlagenforschung zu seltenen Erkrankungen mit dem Ziel der Entwicklung wirksamer Therapien. Derzeit gibt es lediglich 15 Netzwerke, die nur bis 2011 über das Bundesministerium für Forschung und Bildung gefördert werden. Ohne Patientenregister und Kompetenznetzwerke ist eine klinisch-diagnostische Forschung aber nicht möglich.

Dem stimmt auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundessausschusses (G-BA) Dr. Hess zu. Für ihn gehe das allerdings nicht ohne definierte Grundlagen für seltene Erkrankungen, die der normativ entscheidende G-BA für einen Konsens im Plenum brauche. Ohne erwiesene Therapiesicherheit sei das Patientenrisiko nicht vertretbar. Für die Richtlinienentscheidungen des G-BA sind Vergleichsbetrachtungen zwischen höchstverfügbarer und höchstmöglicher Evidenz ausschlaggebend – aber Evidenz lasse sich auch mit sehr kleinen Patientenzahlen erreichen.

Frau Dr. Mattenklotz erläutert, wie der Staat durch neue gesetzliche Regelungen und die Unterstützung konkreter Projekte seiner Aufgabe, sich um die Gesundheit aller Bürger zu kümmern, auch im Bereich der seltenen Erkrankungen nachkommt. Bei vorliegender Evidenz regelt § 35b Absatz 3 SGB V den Off-Label-use von Arzneimitteln in der Regelversorgung, wenn kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht. Fehlt die Evidenz für einen Off-label-use, greift § 35c SGB V: Er regelt den Anspruch der Versicherten auf eine Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern diese eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung bei angemessenen Mehrkosten verspricht und der G-BA nicht widerspricht. Diese Form der Behandlung beinhaltet den zusätzlichen Vorteil, einen Erkenntnisgewinn für die zukünftige Versorgung der Patienten zu erbringen.

Aus Sicht des Patienten-Vertreters Dr. Reimann sind viele der gesundheitspolitischen Vorgaben und Regularien speziell für seltene Erkrankungen nicht nachvollziehbar: Der Patient solle nicht den Bedürfnissen des Gesundheitssystems, sondern das System den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Das schließe eine Behandlung bei unsicherer Evidenzlage zu Lasten der GKV ein – aber nur in Verbindung mit evidenzgenerierender Dokumentation für eine kollektive Auswertung, zeitlicher Befristung und Überprüfung des Behandlungserfolgs.
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