Fachartikel, 22.03.2018
Perspektive Mittelstand
3D-Metalldruck im Maschinenbau
Additive Fertigung bietet Industrie und Handwerk viele Chancen
Verschläft der Mittelstand den Trend zur additiven Fertigung? Noch sind die meisten mittelständischen Betriebe weit davon entfernt, den industriellen 3D-Druck als Innovationstreiber zu nutzen. Dabei ist es höchste Zeit, sich mit den vielversprechenden Möglichkeiten dieser Zukunftstechnologie zu beschäftigen.
Mittelständische Zulieferbetriebe müssen sich auf massive Veränderungen in den Lieferketten einstellen. Der Grund liegt im 3D-Metalldruck. Beim 3D-Druck werden Daten, nicht Produkte um die Welt geschickt.  Es gibt es zwar bereits einzelne Pioniere im Mittelstand, die diese Technologie bereits früh einsetzten und daraus heute echte Wettbewerbsvorteile generieren. Die Masse der mittelständischen Industriebetriebe beschäftigt sich jedoch noch gar nicht damit oder wartet erst mal ab. Gleichzeitig entscheiden sich derzeit immer mehr große OEM`s dafür, diese Technologie im eigenen Hause einzusetzen, zum Teil bereits für die Serienfertigung. Das wirkt sich unmittelbar auf deren Zulieferer aus, die meist im Mittelstand angesiedelt sind: Entweder die OEM`s fordern ihre Zulieferer dazu auf, ebenfalls auf diese Technologie zu setzen oder es wird ein Wettbewerber für sie tun.

3D-Druck wird das Thema Ersatzteile erheblich beeinflussen


Der 3D-Druck gilt als bahnbrechende Technologie. Vergleichbar mit der Erfindung des Digitaldrucks in der Druckindustrie. Erhebliches Potenzial birgt dieses auch als "selektives Laser schmelzen" (SLM) bezeichnete Verfahren insbesondere für den Maschinenbau und für die Fertigungsindustrie.

Die Grundlage hierfür legte der US-amerikanische Ingenieur Charles W. Hull bereits 1983. Zwar dauerte es bis zum endgültigen Durchbruch des 3D-Druck noch einige Zeit. Dieser dürfte jedoch spätestens 2015 gekommen sein. Insbesondere seit dem auch große Unternehmen, wie die Deutsche Bahn, auf die werkzeuglose SLM-Technologie setzen. Das Logistik-Unternehmen lässt inzwischen einen Teil der benötigten Ersatzteile auf Basis dieses Verfahrens von spezialisierten Partnerunternehmen fertigen.

Prozessoptimierung durch Funktionsintegration


Die additive Fertigung birgt ohne Zweifel enormes Potenzial. Insbesondere im Maschinenbau, wo häufig komplexe Baugruppen aus vielen einzelnen Bauteilen bestehen und entsprechend zu entwickeln sind, greifen die durch den 3D-Druck gegebenen Vorteile der Geometriefreiheit. Der Grund:  Beim SLM-Verfahren entfallen nicht nur eine Reihe herkömmlicher Arbeitsschritte, wie gießen, formen, spanen oder schweißen. Es ermöglicht auch völlig neue Konstruktionsprinzipien – wie etwa die  „Funktionsintegration.

Bereits hinter diesem Ansatz der Funktionsintegration stecken erhebliche Einsparpotenziale. So müssen einzelne Bauteil-Gruppen nicht mehr konstruiert, getestet und bei verschiedenen Zulieferern geordert und dann zum fertigen Produkt montiert werden. Das eigentliche, in der additiven Fertigung produzierte, Endprodukt wird in diesem Szenario nur noch bei einem einzigen Lieferanten geordert.  Dieses Verfahren ermöglicht gleich in mehreren Bereichen Kosteneinsparungen: etwa in der Konstruktion, im Einkauf und in der Logistik, sowie bei der Montage oder der Fertigung.

Mehr Funktionswirkung – kaum Grenzen für neue Designs

Neben kürzeren Entwicklungszeiten ermöglicht die additive Fertigung auch komplett neue Designs. Ein Beispiel hierfür sind die in einem Bauteil bereits integrierten Kühlleitungen oder Leitungen für die Temperaturübertragung. Damit werden deutlich schlankere Produkt-Designs möglich, die wiederum für einen entsprechend geringeren Aufwand bei der Fertigung respektive bei der Endmontage sorgen.

Die additive Fertigung eröffnet auch völlig neue Möglichkeiten für Leichtbau-Konstruktionen. Bauteile werden deutlich leichter – was beispielsweise in der Flugzeugindustrie von unschätzbarem Vorteil ist: wo aus statischen Gründen kein Material benötigt wird, lässt man es einfach weg.

Grundlegendes Umdenken erforderlich

Um die  Vorteile der additiven Fertigung auszuschöpfen, sind die neuen Möglichkeiten zwingend bereits bei der Konzeption und Konstruktion zu berücksichtigen.  Der Schlüssel zur effektiven Nutzung dieser neuen Technologie liegt darin, sich bereits bei der Konstruktion des Bauteils auf dessen Funktion zu konzentrieren. Dies bedeutet für die Entwicklungs-Ingenieure ein erhebliches Umdenken. Denn sie müssen die benötigten Funktionen von Beginn an mit passenden Geometrien verbinden. Und diese dann mit entsprechenden CAD-Programmen entwickeln, um diese letztlich mittels 3D-Drucker in physikalische Bauteile umzusetzen. Ein zentraler Aspekt hierbei ist, so viele angrenzende Bauteile und Funktionen wie möglich in einem einzigen Bauteil zu integrieren. Sonst besteht schlicht die Gefahr, dass die im 3D-Druck steckenden Potenziale nicht vollständig genutzt werden.

Potenziale frühzeitig erkennen und ausschöpfen

Unternehmen, die diese neue Technologie nutzen wollen, betreten überwiegend Neuland. Um Vorteile und Nutzen der additiven Fertigung richtig einzuschätzen zu können, ist viel Hintergrundwissen auf der Ebene der Unternehmensleitung erforderlich.  Zudem ist der 3D-Druck auch für die meisten Ingenieure eine vergleichsweise junge Technologie, die das Aneignen zusätzlichen Wissens erfordert.

Hinzu kommt, dass es den Beschäftigten in den Unternehmen in der Regel schwer fällt, sich von bekannten und erprobten Verfahren zu lösen und neue Wege zu gehen. Das bedeutet, das Management der Unternehmen ist gefordert, möglichst frühzeitig einen Change Management-Prozess in Gang zu setzen, um letztendlich alle Vorteile der neuen Technologie auszuschöpfen. Dieser Change-Prozess muss auch Phasen der Informationsbeschaffung einbeziehen. So bestehen häufig erhebliche Unsicherheiten – insbesondere hinsichtlich der Materialeigenschaften beim Einsatz der 3D-Druck-Technologie.

Häufig hinterfragt wird etwa die Materialfestigkeit. Oder auch die Fertigungsgenauigkeit und die maximale Bauteilgröße. Allerdings sind diese Einwände längst entkräftet. Und auch mit Fakten widerlegt. Inzwischen sind genügend zertifizierte Materialen, wie Aluminium und Edelstähle, verfügbar. Deren Eigenschaften sind mit Serienwerkstoffen vergleichbar. Auch überzeugt der 3D-Druck hinsichtlich der Fertigungsgenauigkeit, die mit herkömmlichen Fertigungsverfahren nahezu identisch ist.

Fazit

Um als mittelständischer Betrieb nicht in Zugzwang der großen OEMs zu geraten, gilt es alle technischen Vorzüge des 3D-Metalldrucks möglichst frühzeitig zu erkunden. Mit fundiertem Wissen lassen sich die gegebenen Potenziale dann zukunftsweisend nutzen.

Die Vorteile des 3D-Drucks im Überblick
  • Komplett neue Designs von Bauteilen
  • Kürzere Entwicklungszeiten, schnellere Montage
  • Weniger Fehlerquellen
  • Höhere Wirkung eingebauter Funktionen
  • Gewichtsreduktion für dynamisch beanspruchte Bauteile
  • Geringere Produktionskosten, Kosteneinsparungen in Konstruktion, Einkauf und Logistik
Tipp:  Ein Gespräch mit Betrieben im nahen Umfeld, die sich auf diese Technologie bereits spezialisierten, dürften ein guter erster Ansatzpunkt für die weitere Informationsbeschaffung sein.
ZUM AUTOR
Über Thomas Hilger
LIGHTWAY GmbH & Co. KG
Thomas Hilger ist geschäftsführender Gesellschafter der LIGHTWAY GmbH & Co. KG mit Sitz in Niederzissen. Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Entwicklung und Herstellung von 3D-Metalldruckbauteilen. Vor der Unternehmensgründung arbeitete er in führenden Positionen im Bereich Luftfahrt und der Automobilindustrie. Zum einen als leitender Qualitätsmanager und zum andern als Produktionsleiter bei einem führenden Hersteller für Leichtbaukomponenten aus CFK und Metallen. Zu Beginn seines beruflichen Werdegangs absolvierte Hilger eine Ausbildung als Maschinenbaumechaniker. Im Anschluss daran absolvierte er die Weiterbildung zum Staatlich geprüften Techniker, Fachrichtung Allgemeiner Maschinenbau.
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