Pressemitteilung, 28.08.2015 - 21:16 Uhr
Perspektive Mittelstand
Zwischenhändler als Steuerschuldner der Tabaksteuer - BFH, Urteil vom 11.11.2014 – VII R 44/11
(PM) Berlin, 28.08.2015 - Der BFH hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11), nach Anrufung des EuGH, entschieden, dass Empfänger nach Deutschland geschmuggelter Zigaretten und damit Steuerschuldner nach § 19 Satz 2 TabStG a.F. (§ 23 Abs. 1 S. 2 TabStG n.F.) auch derjenige sein kann, der die Zigaretten erst nach der Beendigung des Verbringens von einer daran beteiligten Person bezogen und in Besitz genommen hat. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger hatte unverzollte und unversteuerte Zigaretten, die ohne deutsche Steuerzeichen außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken aus einem anderen Mitgliedstaat in das deutsche Steuergebiet verbracht wurden, abgenommen, um diese weiterzuverkaufen. Diesbezüglich war das Finanzgericht der Auffassung, der Kläger sei als Empfänger i.S.d. § 19 Satz 2 TabStG a.F., der die Waren in Besitz genommen hat, und folglich als Steuerschuldner anzusehen. Diese Auffassung wurde durch das Urteil des BFH bestätigt. Zunächst hatte der BFH den EuGH jedoch befragt, ob Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG unbeschadet seines systematischen Zusammenhangs mit Art. 7 Abs. 3 RL 92/12/EWG einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführte verbrauchsteuerpflichtige Waren zu gewerblichen Zwecken in Besitz hält, nicht Steuerschuldner wird, wenn sie die Waren erst nach Beendigung des Vorgangs des Verbringens von einer andern Person erworben hat. Daraufhin antwortete der EuGH mit Urteil vom 03.07.2014 (C-165/13): „Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG […] in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 92/12 ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift es einem Mitgliedstaat erlaubt, eine Person, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens im Steuergebiet dieses Staates zu gewerblichen Zwecken verbrauchsteuerpflichtige Waren in Besitz hält, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, als Schuldner der Verbrauchsteuer zu bestimmen, selbst wenn diese Person nicht die erste Besitzerin der Waren im Bestimmungsland gewesen ist.“ Daraufhin befand der BFH, dass das FG zu Recht entschieden habe, dass der Kläger Steuerschuldner nach § 19 Satz 2 TabStG a.F. sei. Dies begründet der BFH wie folgt: Eine Definition, wer als Empfänger der Ware anzusehen sei, ergibt sich aus dem Tabaksteuergesetz nicht. Der BGH (Urt. v. 02.02.2010 – 1 StR 635/09) habe einmal entschieden, dass der Begriff des Empfängers dahingehend auszulegen sei, dass eine Person dann nicht Empfänger i.S.d. § 19 Satz 2 TabStG a.F. sein könne, die den Besitz an den Tabakwaren erst nach Beendigung des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs erlangt. Diese Auffassung sieht der BFH in seinem Urteil als zu eng an und weist darauf hin, dass der Begriff des Empfängers noch einer weiteren Auslegungsmöglichkeit unterliege. Nach Ansicht des BFH kann Empfänger i.S.d. § 19 Satz 2 TabStG a.F. auch derjenige sein, der in das Steuergebiet geschmuggelte Tabakwaren, die nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens bzw. Versendens nach Deutschland in hierfür bestimmten Verstecken gelagert worden sind, vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt, d.h. von diesem in Empfang nimmt, um sie im Steuergebiet an andere Personen zu veräußern. Denn als Empfänger könne nach Ansicht des BFH nach allgemeinem Sprachgebrauch jede Person verstanden werden, an die etwas Bestimmtes (Warensendung, Nachrichten, Signale etc.) gerichtet ist bzw. der etwas Bestimmtes übermittelt wird. Bei dieser Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG a.F. sei zudem zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit den in § 19 Satz 2 TabStG a.F. getroffenen Regelungen die Umsetzung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen – insbesondere der Art 7 und Art. 9 Abs. 1 RL 92/12/EWG – beabsichtige, so dass eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift geboten sei. Demnach kann der Meinung, dass der vermeintlich eindeutige Wortlaut des § 19 Satz 2 TabStG a.F. einer solchen Auslegung nicht zugänglich sei, nicht gefolgt werden. Der BFH begründet dies damit, dass der Gesetzestext mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulasse und sofern – wie vorliegend – nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar ist, diejenige Auslegung heranzuziehen sei, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen sei. Dies ist auch zu Lasten des Steuerpflichtigen zulässig. Der EuGH habe weiterhin entschieden, dass für den Fall, dass unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung vorgefunden werden, der Besitz der betreffenden Ware eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr i.S.d. Art. 6 Abs. 1 RL 92/12/EWG darstelle (EuGH, Urt. v. 05.04.2001, C-325/99). Mehr zum Thema finden Interessierte unter www.steuerstrafrecht-rechtsanwalt.de


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ÜBER RECHTSANWALT HILDEBRANDT

Die Rechtsanwaltskanzlei Hildebrandt liegt mitten im Herzen des Berliner Westens, in der Nähe des Kurfürstendamms. Sie befasst sich im Speziellen mit Verfahren im Steuerstrafrecht, darüber hinaus aber auch mit dem Kernstrafrecht.


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