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Wenn Politiker eigentlich unpolitisch sind – und Journalisten unjournalistisch

(PM) , 28.09.2007 - Gedanken zur „Redenschreiber-Affäre“ zwischen Düsseldorf und Stuttgart

Ein Kommentar des TV-Journalisten Jürgen Braun

Deutsche Spitzenpolitiker rollen gerne ungläubig mit den Augen, wenn sie von ihren Wählern „draußen im Lande“ gefragt werden, was sie denn noch von „den anderen“ unterscheide, warum man ausgerechnet ihre Partei wählen solle. Das sei doch keine Frage, tönt es aufgesetzt selbstbewußt zurück. Und dann folgt meist eine Litanei mit zwanzig rätselhaften Krümeln aus der Gesundheits-, Steuer- oder Verkehrspolitik, die der Wähler nicht versteht – aber der Politiker selbst wohl auch nicht. CDU-Politiker bieten derzeit gerne noch eine weitere inhaltsschwere Antwort: „Das ist doch schon gut, daß der Schröder nicht mehr Kanzler ist.“ Genau! Wichtig ist eigentlich nur, daß man irgendwie regiert.
Eigene Überzeugungen gelten als altmodisch, über die der aalglatte Politprofi von heute locker hinweggeht. Jedermann nach dem Munde reden, oder besser: das, was vermeintlich angesagt ist, einfach nachplappern. Man will ja schließlich an den Fleischtöpfen der Macht nicht nur sehnsuchtsvoll riechen, sondern auch von ihnen gesättigt werden.

Wer wundert sich da noch über den Fall eines Redenschreibers bei NRW-Ministerpräsident Rüttgers, der unter falschem Namen verbale Attacken gegen Rüttgers´ Parteifreund in Stuttgart, Ministerpräsident Oettinger, reitet? Die Vita des Redenschreibers Claudius Rosenthal alias Köster alias Kneitling paßt so richtig zum Niedergang der politischen Kultur in Deutschland.
Da fällt es nicht weiter auf, wenn ein Karrierist ziemlich plump seine Parteizugehörigkeit wechselt. Als jener Herr noch Köster heißt, geht es ganz schnell von den Grünen zur CDU, weil ihn die Öko-Partei nicht für den NRW-Landtag aufgestellt hat. Unter dem neuen Namen Claudius Rosenthal findet sich eine Anstellung bei der CDU-nahen Adenauer-Stiftung. Aber Rosenthal hat nicht nur als besonders glaubwürdig überzeugter Grün-Christdemokrat eine klare Linie, ähnlich klar ist auch seine journalistische Qualifikation: So wundern sich nur wenige, wie ein durch journalistische Erfahrung nicht besonders hervorgetretener Mitarbeiter einer parteinahen Stiftung die redaktionelle Leitung einer landeseigenen Wochenzeitung übernehmen kann, noch dazu im ihm bisher unbekannten Baden-Württemberg. Aber solcherart geschmeidige Personen ohne störende tiefere Überzeugungen taugen zu vielerlei Menschlichem, allzu Menschlichem. Stuttgarter Insider berichten von rüden Führungsmethoden einer wenig journalistisch geprägten Redaktionsleitung. Es folgt die Anstellung als Redenschreiber in der Düsseldorfer Staatskanzlei mit erlaubter Nebentätigkeit. Für die mit dem Pseudonym Kneitling getarnten Angriffe Richtung Süden nutzt er das ehemals von ihm geleitete staatseigene Blatt. Der NRW-Landesregierung ist das alles peinlich, wirkt es doch so, als werde der CDU-Richtungsstreit zwischen Rüttgers und Oettinger nun mit schlecht eingefädelter Tarnung betrieben. Der Regierungssprecher sagt das Ende der Nebentätigkeit zu. Am Donnerstag fordert die Südwest-CDU personelle Konsequenzen in Sachen Rosenthal alias Kneitling.

Symptom für die Blutleere der deutschen Politik

Natürlich hat es ähnlich skurrile Fälle auch früher gegeben, als die großen deutschen Parteien noch über große Themen gestritten haben. Aber dennoch ist die Redenschreiber-Affäre samt der Vita des Herrn ein Symptom für die gefährliche Blutleere der deutschen Politik. Die besten Wahlergebnisse hatten schon früher nicht die geräuschlosen Verwalter der Macht, sondern die Männer, die auch und ständig bereit waren, sich unbeliebt zu machen.
Die Politikverdrossenheit erreicht in den letzten Jahren Rekordwerte, während gleichzeitig die Polit-Strategen raten, die Mehrheit wolle keinen Streit und dürfe nicht aufgeschreckt werden. Das gelte gerade für bürgerliche Wähler, wer auch immer das sein mag.
Während Stoiber und Merkel derart perfekt beraten im Schlafwagen hauchdünn an der Macht vorbeirutschen oder einen Riesenvorsprung vergeigen, um noch knapp ins Kanzleramt zu schlittern, macht ein Franzose namens Sarkozy aus deutscher Politstrategensicht alles falsch und gewinnt mehrfach eine satte Mehrheit.
Deutsche Politiker umgeben sich aber lieber mit bequemen Beratern von der Seriosität eines Claudius Rosenthal-Kneitling-Köster, die geschmeidig vielen Herren dienen können. Und so freuen sich die Scharlatane von ganz Links und ganz Rechts auf ein mit politisch korrektem Blabla eingelulltes Wahlvolk, wo eines Tages jeder klar ausgesprochene provozierende Satz – und sei er noch so dumm – Begeisterungsstürme auslöst. Die Extremisten unterscheiden sich nämlich von „den anderen“.
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