Pressemitteilung, 09.05.2016 - 10:33 Uhr
Perspektive Mittelstand
Virna Cerne und Ombretta Polenghi als Finalistinnen für den Europäischen Erfinderpreis 2016 nominiert
(PM) München, 09.05.2016 - Das Proteingemisch Gluten steckt in vielen Getreideprodukten aus Weizen, Roggen oder Gerste und sorgt für die lockere Konsistenz und den unverwechselbaren Geschmack von Brot und Backwaren. Für Menschen, die an Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leiden, führt das Klebereiweiß jedoch zu Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen und Müdigkeit bis hin zu Depressionen. Rund ein Prozent der Menschheit leidet an der Erkrankung – Tendenz steigend. Damit Betroffene trotz strenger Diät nicht auf Genuss verzichten müssen, entwickelten die Lebensmittelchemikerinnen Virna Cerne und Ombretta Polenghi eine Methode, Maisproteine zu extrahieren und so glutenfreies Brot, Pasta und Gebäck herzustellen. Für ihre Erfindung wurden Virna Cerne und Ombetta Polenghi als Finalistinnen des Europäischen Erfinderpreises 2016 in der Kategorie „Industrie“ nominiert. Die begehrte Auszeichnung wird am 9. Juni in Lissabon vom Europäischen Patentamt (EPA) zum elften Mal verliehen. „Der innovative Extraktionsprozess von Cerne und Polenghi hilft an Zöliakie leidenden Personen auf der ganzen Welt, mit ihrer Krankheit umzugehen“, sagte Benoît Battistelli, Präsident des Europäischen Patentamtes, bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2016. „Damit haben sie nicht nur das Leben von Millionen an Zöliakie leidender Menschen verbessert, sondern ihrem Unternehmen auch einen Spitzenplatz in der Lebensmittelindustrie für glutenfreie Produkte gesichert.“Volkskrankheit ZöliakieGlutenunverträglichkeit ist eine häufig erblich bedingte Krankheit, bei der sich die Dünndarmwand durch Gluten dauerhaft entzündet. Dadurch können weniger Nährstoffe aufgenommen und an das Blut abgegeben werden. Die Folge: Die Betroffenen leiden an Kopfschmerzen, Blähungen, Durchfall, Gewichtsverlust, chronischer Müdigkeit sowie Wachstumsstörungen. Um die Beschwerden zu verringern, müssen Erkrankte glutenhaltige Nahrungsmittel vollständig von ihrem Speiseplan streichen. Das Erfolgsrezept In der Forschungsabteilung von Dr. Schär SPA in Triest suchten Cerne und Polenghi lange nach einem adäquaten Ersatz für das Klebereiweiß. Denn Gluten erfüllt eine wichtige Rolle als Bindemittel: Teig ohne Gluten geht im Backofen nicht auf, fällt schnell in sich zusammen oder wird zu fest. Das liegt an seiner chemischen Zusammensetzung, welche dem Teig die Viskosität verleiht. Zusätzlich spielt Gluten auch eine wesentliche Rolle für den unverwechselbaren Geschmack von Getreideprodukten. Bisherige glutenfreie Alternativen aus Reis, Hirse, Quinoa, Chia oder Amaranth konnten in Bezug auf Konsistenz und Geschmack nicht überzeugen: „Auch wenn Menschen ein Leben lang auf Gluten verzichten müssen, heißt das nicht, dass sie auch auf Geschmack verzichten müssen“, sagt Virna Cerne.Cerne und Polenghi machten sich den Umstand zunutze, dass Mais das Protein Zein enthält, das der Struktur von Weizengluten sehr ähnlich ist. Die Herausforderung lag darin, dieses kostengünstig und in großen Mengen zu extrahieren. Nach unzähligen Versuchen entdeckten die beiden Lebensmittelchemikerinnen schließlich die richtige Formel: In ihrem patentierten Verfahren wird weißer Mais in einer Lösung aus Wasser und Isopropanol erhitzt. Das Zein trennt sich dabei von der Maisstärke und verbindet sich mit dem Alkohol. Anschließend wird die Flüssigkeit verkocht, bis Zein in Pulverform übrig bleibt. Die extrahierten Proteine werden dem Teig als Glutenersatz zugefügt. Dank dieses Verfahrens konnte die Qualität glutenfreier Produkte gesteigert werden, während der Preis dafür deutlich sank.Appetit auf glutenfreie Produkte ist großDr. Schär SPA mit Hauptsitz in Burgstall (Südtirol) entwickelte auf Basis der 2013 patentierten Erfindung ein breites Angebot an glutenfreien Alternativen für Brot, Pasta bis hin zur Tiefkühlpizza. Mit über 1 070 Mitarbeitern beherrscht das Unternehmen 35 bis 40 Prozent des europäischen Markts für glutenfreie Nahrungsmittel und ist auch in den USA vertreten. Patente spielen in der Nahrungsmittelindustrie eine wichtige Rolle: 2015 wurden weltweit rund 4 Milliarden Euro für glutenfreie Produkte ausgegeben und es kommen laufend neue Waren ohne Klebereiweiß auf den Markt. Schätzungen zufolge könnte die Nachfrage bis 2020 auf 7 Milliarden Euro anwachsen. Glutenfreie Ernährung gilt mittlerweile als breiter Ernährungstrend, was die Nachfrage zusätzlich befeuert. Wichtigster Absatzmarkt in Europa ist Deutschland mit einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro (2012). Dr. Schär SPA verfügt daher in Deutschland über zwei Produktionsstandorte in Hessen und Thüringen. Das Unternehmen arbeitet kontinuierlich an neuen Inhaltsstoffen und Herstellungsprozessen für glutenfreie Produkte.


ANSPRECHPARTNER/KONTAKT

Europäisches Patentamt
Herr Rainer Osterwalder
Bob-van-Benthem-Platz 1
70565 München
+49-89-23 991820
press@epo.org
www.epo.org


ÜBER DAS EUROPÄISCHE PATENTAMT

Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit rund 7 000 Mitarbeitern eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder Patentschutz in bis zu 38 EPO-Mitgliedsstaaten erlangen. Das EPA ist überdies die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.