Pressemitteilung, 08.10.2007 - 13:12 Uhr
Perspektive Mittelstand
Das neue Vergaberecht
(PM) , 08.10.2007 - Revision der Rechtsmittelrichtlinien steht inhaltlich fest Verabschiedung voraussichtlich im November 2007 -von Anna-Henriette Herrmann Das Europäische Parlament, der Ministerrat und die Europäische Kommission hatten sich im Rahmen des „Trilogs“ vom 23.05.2007 auf einen Text der zukünftigen Änderungs-Rechtsmittelrichtlinie geeinigt. Das Parlament hatte sich zuvor zwar einer Reihe von Forderungen des Rates zur Abschwächung wesentlicher Rechtsschutzgarantien widersetzt. Es wurden aber wichtige Kompromisse erreicht, so dass das Parlament der Verabschiedung schließlich zugestimmt hatte. Als neue Inhalte sind der rechtsverbindliche Austausch elektronischer Dokumente (e-Mail, Fax) im Nachprüfungsverfahren mit kürzeren Fristen und die Abschaffung des bislang im Sektorenbereich geltenden Bescheinigungsverfahrens sowie des Schlichtungsverfahrens zu nennen. Diese Neuerungen waren von vornherein unproblematisch. Die demgegenüber bis zuletzt kontrovers diskutierten sechs Problempunkte wurden wie folgt gelöst:a)Die Stillhaltefrist nach Absendung der Information an die Bieter über den Namen des zum Zuge gekommenen Bieters, binnen deren ein Vertrag nicht geschlossen werden darf, beträgt 15 Kalendertage (in Deutschland zur Zeit noch 14 Tage) bei herkömmlicher Kommunikation und 10 Tage bei elektronischer Kommunikation (Art. 2 a Abs. 2).b)Als Ausnahmen von der Stillhaltefrist erhalten die Mitgliedstaaten bei dynamischen Beschaffungsverfahren und Rahmenvereinbarungen zwar optional die Möglichkeit, auf die Stillhaltefrist zu verzichten. Sofern aber von dieser Option Gebrauch gemacht wird und der Auftragswert des einzelnen Auftrags die Schwellenwerte erreicht, führt eine Verletzung der Vorschriften über Rahmenvereinbarungen mit erneutem Teilnahmewettbewerb bzw. des dynamischen Beschaffungsverfahrens zur Nichtigkeit der Vergabe (Art. 2 b).c)Nicht so weitgehend wie im derzeitigen deutschen Vergaberecht geregelt, wonach die Verletzung der Stillhaltefrist stets zur Nichtigkeit des Vergabevertrages führt, geht das Kompromiss-Paket bei den Folgen der Verletzung der Stillhaltefrist. Die Mitgliedstaaten können hier an Stelle der Nichtigkeitsfolge „alternative Sanktionen“ wie Geldbußen gegenüber dem Auftraggeber oder Kürzung der Vertragslaufzeit aus zwingenden Gründen eines nicht wirtschaftlichen Allgemeininteresses zulassen (Beispiel: Der Bau eines dringend erforderlichen Krankenhauses oder die Müllentsorgung ist sonst nicht gewährleistet). Dabei können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Entscheidung, ob alternative Sanktionen verhängt werden, der Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen unterliegt (Art. 2 f Abs. 1 i. V. m. Art. 2 a Abs. 2).d)Grundsätzlich gilt die Regelung, dass bei zulässigen Direktvergaben keine Vorabinformation erforderlich ist – das hatte die deutsche Seite klargestellt - , dafür jedoch Rechtsfehler der Direktvergabe prinzipiell zur Nichtigkeit führen. Bei Vorliegen besonderer Gründe kann jedoch die Direktvergabe trotz rechtswidrigen Zustandekommens gültig bleiben. Wirtschaftliche Interessen können aber nur in eng begrenztem Umfang zur Begründung einer solchen Ausnahme herangezogen werden. Als Alternative zu der eben geschilderten Regelung bleibt die ursprüngliche Konzeption bestehen, dass vor einer beabsichtigten Direktvergabe stets eine Bekanntmachung mit kurzer Stillhaltefrist erforderlich ist und mangels Beschwerden die Vergabe bestandskräftig wird (vgl. Art. 2 e).e)Versuche, auf eine Beschränkung der Nachprüfungskompetenz der Europäischen Kommission bei Vergabeverstößen im Verhältnis zum nationalen Vergaberechtsschutz hinzuwirken, hatten lediglich eine Bekräftigung der Bedeutung des nationalen Vergaberechtsschutzes zur Folge. Außerdem gibt es einen Appell, den sogen. Korrektur-mechanismus bei streitigen Vergabeverfahren auf schwerwiegende Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht zu begrenzen. Die Gründe sind einmal, dass Prüfkompetenzen der Kommission, die sich aus höherrangigem Recht des EG-Vertrages (s. Art. 226, 228 EG) ergeben, nicht im Wege einer EG-Richtlinie begrenzt werden können. Zum anderen wäre es auch binnenmarktpolitisch problematisch, die Prüfkompetenz der Kommission übermäßig zu begrenzen, weil damit nationale Umsetzungsdefizite der Rechtsmittelrichtlinie nicht wirksam bekämpft werden könnten.f) Die Revision der Rechtsmittelrichtlinien soll evaluiert werden (Art. 4a). Die Kommission hat spätestens drei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist die nationalen Umsetzungen der Richtlinie zu überprüfen und darüber einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat zu erstatten. Dabei sind insbesondere die Effektivität der Sanktionen und die Fristen zu überprüfen.Mit der Revision der Rechtsmittelrichtlinien werden zwei Ziele verfolgt: Die Einhaltung der neuen Koordinierungsrichtlinien soll dadurch gesichert werden, dass der so genannte übereilte Vertragsschluss – in Deutschland bereits durch § 13 VgV vorbildlich gelöst – sowie illegale Direktvergaben vermieden werden. Außerdem sollen die Nachprüfungsverfahren beschleunigt werden. Dies versucht man durch den rechtsverbindlichen Austausch elektronischer Dokumente zu erreichen. Man sieht es den Regelungen mit ihren vielen Ausnahmen an, dass es sich um Kompromisse handelt. Dem Bestreben des Rates während der Verhandlungen, für den öffentlichen Auftraggeber günstige Lösungen gegenüber dem Entwurf der europäischen Kommission zu erreichen, hatte sich wie erwähnt das Europäische Parlament oftmals widersetzt, das am Erhalt eines höheren Rechtsschutz-Niveaus interessiert war. Da der Text der Rechtsmittelrichtlinie nunmehr beschlossen ist, wird er in alle 27 Amtssprachen der Gemeinschaft übersetzt. Anschliessend folgt die Verabschiedung – ohne Beratung - durch den Ministerrat. Die gesamte Prozedur wird also noch bis voraussichtlich November 2007 dauern. Nach Veröffentlichung der Änderungsrichtlinie im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften muss diese von den Mitgliedstaaten innerhalb von längstens 24 Monaten in in nationales Recht umgesetzt werden. Bis zur Umsetzung gelten die bisherigen nationalen Bestimmungen weiter. [Informationen zum Thema: www.forum-verlag.com/vergaberecht ]