„Sich seiner Vergangenheit bewusst zu sein, heißt Zukunft haben“, sagte bereits der österreichische Schriftsteller Hans Lohberger. Dass dieses Bonmot auch auf Unternehmen zutrifft, scheint der Trend des History Marketings zu beweisen, das in den Marketingabteilungen US-amerikanischer und britischer Unternehmen bereits in den 1970er Jahren Einzug gehalten hat. In Deutschland fasste es etwa 20 Jahre später Fuß – und dies meist nur in Konzernen und großen Unternehmen.
Dabei liegen die Vorteile eines konsequenten Geschichtsmarketings auf der Hand: Unternehmen, welche ihre Tradition und Erfahrung kommunizieren, werden als kompetent und verantwortungsbewusst wahrgenommen. Zudem kann die eigene Vergangenheit in Form der Unternehmensgeschichte gewinnbringend als Unterscheidungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern eingesetzt werden. History Marketing erweist sich auch als wichtiger Bestandteil der Unternehmenskommunikation, denn wer seine eigene Geschichte nicht schreibt, überlässt dies anderen.
History Marketing dient der Vertiefung der Unternehmenskultur nach innen und der Stärkung des Markenbildes nach außen. Während Produkte und Dienstleistungen sich immer mehr annähern und immer austauschbarer werden, transportiert Geschichtsmarketing die einzigartige Identität eines Unternehmens. Wer seine Produkte oder Dienstleistungen im Kontext der langjährigen Firmengeschichte darstellt, setzt bei seinen Zielgruppen ein positives Emotionspotenzial frei. Dies praktizieren in vorbildlicher Weise vor allem die großen deutschen Automobilhersteller. Mit dem Mercedes-Benz Museum in Stuttgart-Untertürkheim, dem BMW Museum in München und dem Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen haben sich die Ikonen der hiesigen Automobilindustrie wahre Tempel des History Marketings geschaffen. So unterschiedlich die Art und Weise der Präsentation der drei Markengiganten auch sein mag, sie eint aber doch eines: die Marke ist alles – historisches Fundament, gegenwärtiger Fokuspunkt und zukünftige Perspektive. Für das Unternehmen, seine Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter.
Nun kann nicht jedes Unternehmen ein ganzes Museum bauen, um seine Markentradition zu bewahren. Aber einzelne Aspekte des History Marketings lassen sich auch in Unternehmen umsetzen, deren Produkte nicht annähernd die emotionale Faszination eines Automobils ausstrahlen oder deren Angebot sich gar nicht an Konsumenten sondern an andere Unternehmen richtet. History Marketing ist nicht nur für große Markenartikler und Konsumentenmarken interessant. Jeder kann es betreiben – vom ortsansässigen Metzger über den Stahlgroßhändler bis hin zur Unternehmensberatung. Nur muss jeder die für ihn passenden Instrumente wählen.
Fast alle produzierenden Betriebe haben die Möglichkeit, alte Produkte als Exponate in der Verwaltung zu präsentieren oder Bilder von Mitarbeitern an Maschinen zu zeigen, die heute archaisch anmuten. Familienbetriebe – gerade solche, die schon mehrere Generationen alt sind – sollten an exponierter Stelle im Unternehmen eine Genealogie der geschäftsführenden Familienmitglieder und ihrer Leistungen zeigen. Selbst die Dokumentation vom Bau des Stammsitzes oder neuer Niederlassungen signalisiert dem Betrachter „Hier wirtschaften geschichts- und traditionsbewusste Menschen, die sich ihrer Verantwortung für die Mitarbeiter und den Standort bewusst sind.“ Die Schnelllebigkeit unserer globalisierten Welt wertet History Marketing auf. Die Unternehmensgeschichte bietet eine Konstante in dieser sich rasant wandelnden Wirtschaftswelt. Sie gibt Kunden und Mitarbeitern ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit.
Natürlich ist es für lang gewachsene Unternehmen einfacher, gezieltes History Marketing zu betreiben. Aber das schiere Alter ist nicht die alleinige Legitimation für Geschichtsmarketing. Auch relativ junge Unternehmen, die beispielsweise zu den Pionieren in ihren Branchen zählen, können es erfolgreich betreiben. Wenn ein Unternehmen etwa zu den Vorreitern in der digitalen Bildbearbeitung gehörte, mag es noch recht jung sein, aber es hat bereits eine interessante Unternehmensgeschichte vorzuweisen.
Als erster Schritt für ein aktives History Marketing gilt der Aufbau eines Firmenarchivs, in dem alles, was irgendwann von Interesse sein könnte, aufbewahrt wird. Dazu gehören Verträge, Fotos, Karten und Pläne genauso wie technische Zeichnungen und Patente; Protokolle von Geschäftsführungssitzungen ebenso wie Geschäftsberichte, Broschüren und Kundenzeitschriften. Aber auch Werbetafeln und Anzeigen von heute können schon in fünf Jahren historischen Wert haben. Wer ein solches Archiv führt, hat für die einzelnen Anlässe des History Marketings schnell Inhalte oder Exponate bereit – für die „Historie“-Rubrik auf der Website oder gar den firmeneigenen Blog ebenso wie für Jubiläen, Standorteröffnungen, Produkteinführungen oder Tage der offenen Tür.