Pressemitteilung, 09.05.2007 - 14:49 Uhr
Perspektive Mittelstand
The Long Tail: Märkte der Vielfalt und die Blindheit der Massenmedien
(PM) , 09.05.2007 - Von Gunnar Sohn Frankfurt am Main/Lindau - Das Zeitalter des „one size fits all“ geht nach Einschätzung von Chris Anderson www.thelongtail.com, Autor des Bestsellers „The Long Tail“, dem Ende zu. An seine Stelle tritt etwas Neues, ein Markt der Vielfalt. Die traditionelle Massenmedien haben das nach Auffassung des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz www.medienberatung.tu-berlin.de noch nicht verinnerlicht: „Aufgrund ihrer fehlenden Interaktivität sind sie einigermaßen blind gegenüber den Wünschen ihrer Kunden. Wenn diese Wünsche sich schnell verändern, werden die Massenmedien rasch hilflos“, so Bolz im Interview mit der FAZ. Mit Printprodukten, wie man sie heute produziere, lassen sich keine neuen Märkte erschließen. „Die Digitalisierung macht die Speicherung und den Vertrieb selbst der uninteressantesten Medieninhalte sehr billig möglich. Das ermöglicht die Durchbrechung der sogenannten Pareto-Verteilung, dass also 80 Prozent des Umsatzes mit 20 Prozent der Produkte gemacht wird oder dass 20 Prozent aller Sendungen 80 Prozent der Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Regel wird durchbrochen, weil es sich jetzt plötzlich lohnt, auch Abseitiges auf Informationsmärkten anzubieten und damit Nischen erstmals bewirtschaften zu können“, erklärt Bolz. Dieser Aspekt des langen Schwanzes der Konsumentenwünsche sei wirtschaftlich interessanter als die Welt der Stars. „Prinzipiell gilt: Alles, was digitalisierbar ist, lässt sich nach dem Prinzip des Long Tail auch erfolgreich bewirtschaften“, ist sich Bolz sicher. Das Internet habe nach Analysen des Marketingexperten Michael Sander so etwas wie eine Schweizer Basisdemokratie in den Medien geschaffen, da es eine erstmals eine Plattform biete für eine aktive Einbindung des Konsumenten. „Für die Medienlandschaft ist allerdings ein Punkt viel beachtenswerter, der fast überhaupt nicht in der Diskussion auftaucht: Die Zielgruppenkompetenz der Medientreibenden. Konnte man früher tatsächlich mit 20 Prozent des möglichen Content-Angebots 80 Prozent der Kunden erreichen und zufrieden stellen, ist dieses Paradigma im digitalen Zeitalter weitgehend außer Kraft gesetzt. Darüber zu lamentieren ist ebenfalls müßig, denn es lenkt nur von einem Mangel ab, der die Medienlandschaft in der Breite zu kennzeichnen scheint. Das ist die mangelnde Fähigkeit, differenziert über die Ansprüche von vielfältigen Zielgruppen nachzudenken und dann entsprechende Angebote zu entwickeln“, kritisiert Sander, Geschäftsführer der Lindauer Unternehmensberatung Terra Consulting Partners www.terraconsult.de. Das sei eine wesentliche Erklärung, die der Musikindustrie den Weg ins digitale Zeitalter versperrt habe. Wenn die TV-Anstalten und Verlage nicht aufpassen, werde es ihnen genauso ergehen: „Im digitalen Zeitalter wird es unerlässlich, Kompetenzen zu entwickeln, um die Zielgruppen in ihrer Vielfalt an demographischen und psychographischen Ausprägungen zu erkennen und zu erreichen. In der Nahrungsmittelindustrie hat man das schon erfolgreich erprobt. So hat Danone mittlerweile Yoghurts für jede Altersgruppe und Lebenslage entwickelt – mit guten Verkaufsergebnissen. Diesen Schritt müssen die Medienhäuser erst noch gehen. Dabei ist die Interaktivität des Mediums eher noch ein Vorteil. Danone muss mit viel Geld erst ein Produkt entwickeln, um dann über die Abverkäufe in den Handelskanälen zu erfahren, ob man richtig lag“, betont Sander. In Deutschland habe die Medienindustrie möglicherweise die Zeit zum Experimentieren mit den neuen Medien vielleicht viel zu spät genutzt und hat viel zu lange lamentiert. „Es geht auch anders. Topeka Capital-Journal www.cjonline.com in den USA ist eine Mediengruppe, die sehr früh begonnen hat, TV, Radio, Print und Online in der Content- Erstellung und Vermarktung zu verknüpfen. Diese Versuche, weit vor Web 2.0, sind mehrfach durch bekannte Branchenpreise ausgezeichnet worden und boten eine hervorragende Gelegenheit, mit und am Kunden zu lernen, wie man Content zielgruppengerecht entwickelt, verpackt und vermarktet“, so Sander.