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Spiegel-Bericht: Erleuchtung durch die Gurke und astralische Kräfte im Rindermist - Kasseler Agrarforscher auf den Spuren von Rudolf Steiner: „Kritiklose Anbetung eines durchgedrehten Säulenheiligen"

(PM) , 20.11.2006 - Von Silke Landwehr Bonn/Hamburg, www.ne-na.de - Sie glauben an Homöopathie, Reinkarnation und kosmische Energien - an der Uni Kassel dürfen anthroposophische Landwirte ihre esoterische Sicht lehren und Mond- und Ätherkräfte beforschen. Das berichtet der Spiegel. Seit etwa einem Jahr machen der Biologe Ton Baars „und seine beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Dutzende Studenten damit vertraut, wie der Mond die Blätter der Efeuaralie aus den Sprossen treibt und wie sich wurmverseuchte Heidschnucken von ganz allein das passende Heilkräutlein suchen, statt mit Medikamenten behandelt werden zu müssen. Die anthroposophische Enklave in Witzenhausen wäre wohl nicht der Rede wert, hätte sie ihre Heimstatt nicht im Herzen einer staatlichen Hochschule - definiert als Ort der Wissenschaft. Okkultes gehörte bisher ins Private. Und es herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass Studenten lernen sollten, das eine vom anderen zu unterscheiden“, schreibt die Spiegelautorin Rafaela von Bredow. „Die Kasseler Professoren der Biologie sahen Unheil heraufziehen und wiesen die Hochschulleitung schriftlich darauf hin, dass es sich bei der anthroposophischen Landwirtschaft um ein pseudowissenschaftliches Glaubenssystem handle“, so der Spiegel www.spiegel.de und führt weiter aus, dass auch Armin Geus aus Marburg, der sich als Biologie- und Medizinhistoriker intensiv mit den Hintergründen der Biodynamik befasse, den Uni-Präsidenten habe: „Ich habe ihm mitgeteilt, dass dieses Fach dem Gesamtansehen der Universität nicht zuträglich sei", berichtet der emeritierte Forscher. „Es handelt sich dabei um eine Ausgeburt anthroposophischer Spinnerei." Hinter dem in Witzenhausen gehuldigten Begriff „Biodynamik“ steht unverblümt das esoterisch-okkulte Weltbild von Rudolf Steiner (1861–1925), dem Begründer der Anthroposophie. Als Leitbild des neuen Fachgebiets wurde ein Zitat von Steiner gewählt. Auf Grundlage seiner Lehren bemüht man sich nun, die landwirtschaftliche Praxis mit dem zu verbinden, was für unsere normalen fünf Sinne verborgen ist. „Entsprechend sind die Lehrinhalte und Forschungsprojekte ausgewählt worden. Sie widmen sich dem ‚Unsichtbaren’: Es geht um die ‚Mondrhythmen im Pflanzenwachstum’, eine Doktorandin beschäftigt sich mit der ‚Bildekräfteforschung’ (auch Lebens- oder Ätherkräfte genannt) mit übersinnlichen Methoden nach Dorian Schmidt. Über diesen anthroposophischen Methodenlehrer erfährt man in einem Essay zum Thema ‚Biogas’ in der Zeitschrift Lebendige Erde (4/2006), er habe ‚mit übersinnlichen Erkenntnismethoden’ gezeigt, ‚dass die astralischen Kräfte des Rindermistes bei der Vergärung aus dem Mist herausgetrieben werden.’ Zur ‚biologisch-dynamischen Landwirtschaft’ nach Steiner zählt auch das Vergraben von Kuhhörnern im Acker bei Vollmond“, schreibt Novo-Chefredakteur und Wissenschaftsjournalist Thomas Deichmann in der Herbstausgabe der Zeitschrift NeueNachricht. www.ne-na.de/A556D3/nena/nena_neu.nsf/0/9978287BE7F511EBC12571DD004AC71B?OpenDocument Die obskuren Wahnvorstellungen Steiners im Agrarbereich, denen man in Witzenhausen gerecht werden möchte, seien eingebettet in ein nicht minder sonderliches Weltbild. Danach vollzog sich die Menschheitsentwicklung nacheinander auf sieben „Planeten“. Laut Steiner gab es keine Evolution. Vielmehr bildeten sich irgendwann „Lemurier“ und „Atlantier“ heraus, und aus letztgenannten die „Arier“, zu denen der große Meister sich selbst und die kultivierten Westeuropäer zählte – nicht aber die verkümmerten Menschen, deren Nachkommen heute noch als so genannte wilde Völker gewisse Teile der Welt bewohnen“: „Befremdlich erscheint es, dass derart vor-aufklärerisches Treiben auf Grundlage dubioser Hirngespinste eines Gurus mittlerweile an staatlichen Hochschulen beheimatet ist und von dort umso leichter seinen Weg in die einflussreiche deutsche Ökologisten-Szene findet. Die Hartnäckigkeit mit der hierzulande von Protestorganisationen die modernen Biowissenschaften bekämpft werden, scheint sich nicht zuletzt auch von der Nähe zumindest einiger dieser Vereine zum Steinerschen Fanatismus zu nähren“, kritisiert Deichmann. Die Evaluation der deutschen Agrarforschung durch den Wissenschaftsrat sollte nach Auffassung von Deichmann zum Anlass genommen werden, die genannten Zusammenhänge transparenter zu machen und damit zu klären, an welchen Fakultäten in Deutschland seriöse Agrarforschung und wo „biologisch-dynamischer“ Schabernack betrieben wird. Experten äußern sich gegenüber dem Spiegel noch deutlicher: „Kritiklose Anbetung eines durchgedrehten Säulenheiligen" attestiert Hans-Jörg Jacobsen, Molekulargenetiker und voriger Präsident des Verbands Deutscher Biologen, den Steiner-Adepten. „Das grundsätzlich Problematische bei den Steiner-Jüngern ist, dass sie dessen Lehren immer nur verifizieren wollen", klagt Jacobsen. „Nie ziehen sie in Erwägung, dass die auch falsch sein könnten." Dass es nicht im Interesse einer Hochschule sein könne, das Steinersche Zerrbild der Welt als Wissenschaft zu verkaufen, habe mittlerweile auch die Kasseler Universitätsleitung bemerkt. Aufgeschreckt durch „Hinweise auf unwissenschaftliche Fragestellungen oder Methoden des Fachgebiets", überlegt sie nun, ob sie das Fachgebiet nicht früher als geplant evaluieren kann. „Eigentlich ist die Überprüfung erst in vier Jahren vorgesehen - kurz bevor das Land Hessen den Lehrstuhl übernehmen würde. ‚Gerade weil ökologisch ausgerichtete Agrarwissenschaften es noch schwer haben in Forschung und Lehre’, sagt Postlep, "müssen an ihre wissenschaftliche Qualität in allen Fachgebieten besondere Ansprüche gestellt werden“, schreibt der Spiegel.
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