Sparkurs in Europa
Euro-Krisenländer brauchen Zeit
Eine solch prekäre Lage lockt keinen Investor ins Land. Daher heißt es in unerwartet harten wirtschaftlichen Zeiten auch einmal, Sparpläne zeitlich
etwas zu strecken. Zumal manche Pläne geschmiedet wurden, als es der Wirtschaft noch besserging:
- Spanien soll sein öffentliches Budgetdefizit bis zum Jahr 2013 unter die 3-Prozent-Marke des Maastricht-Vertrags drücken. So schreibt es jedenfalls das spanische Stabilitätsprogramm vor, das im Frühjahr 2011 von der EU-Kommission geprüft und genehmigt wurde.
- Italien hat bis 2013 sogar einen ausgeglichenen Staatshaushalt angepeilt – ebenfalls auf Basis eines länger zurückliegenden Beschlusses.
2011 prognostizierte die EU-Kommission den Spaniern für 2012 noch 1,5 Prozent Wachstum, inzwischen droht jedoch ein Wirtschaftseinbruch um minus 1,8 Prozent. Auch in Italien drehte die Prognose von schwarzen auf rote Zahlen.
Nun stehen beide Länder – und auch die EU-Kommission – vor einem Dilemma: Ohne zu sparen, geht es nicht, doch könnte das die Rezession weiter verschärfen und besagten Teufelskreis in Gang setzen. Denn auch der jüngste Fiscal Monitor des Internationalen Währungsfonds vom April 2012 zeigt, dass sich Konsolidierungen besonders in Rezessionen negativ auf die Wirtschaftsleistung eines Landes auswirken; in ökonomisch guten Zeiten dagegen kann staatliches Sparen sogar den Aufschwung stärken.
Sparen Madrid und Rom jedoch nicht, setzen sie womöglich jenes Quäntchen Glaubwürdigkeit aufs Spiel, das sie gerade wieder zurückgewonnen haben. Doch so weit muss es gar nicht erst kommen – den Finanzmarktakteuren ist das Risiko eines zu strikten Sparkurses bewusst.
Daher sollte die EU-Kommission bei den Sparprogrammen etwas mehr Flexibilität und Zeit einräumen – ohne den mittelfristigen Konsolidierungskurs infrage zu stellen. Dies wäre sogar durch den neuen Fiskalpakt und den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt gedeckt. Beide enthalten das Konzept des strukturellen – also um Konjunktureffekte bereinigten – Defizits: Demnach darf der Defizitspielraum in einer Rezession größer werden – und in Boomphasen kleiner. Das Problem: Die Bereinigung um Konjunktureffekte ist recht schwierig, gewisse Unschärfen bleiben.
Nichtsdestotrotz lohnt es sich, die strukturellen Defizite separat zu betrachten, denn letztlich zeigen sie, ob ein Staat langfristig schwächelt oder gut haushaltet, egal, ob die Wirtschaft brummt oder nicht:
Das strukturelle Budgetdefizit Spaniens und Italiens ist jeweils um rund 1,5 bis 2 Prozentpunkte niedriger als das tatsächliche Defizit.
Bei Griechenland und Portugal, die besonders tiefe Rezessionen zu meistern haben, sind die Unterschiede noch größer. Und man sieht, dass selbst die Hellenen bereits konsolidiert haben. So ist ihr strukturelles Defizit von 15 Prozent des BIP 2009 auf 5,4 Prozent im vergangenen Jahr gesunken, dieses Jahr dürfte es sogar unter 3 Prozent liegen. Entlassungen im öffentlichen Dienst, die Grundstückssteuer sowie Erhöhungen bei der Mehrwert-, Benzin-, Heizöl- und Alkoholsteuer haben Wirkung gezeigt.
Es ist deshalb grundsätzlich angemessen, die Konsolidierungsziele für Spanien und Italien auf 2014 zu verschieben und Portugal und Griechenland etwas Zeit zum Luftholen zu geben. Inwieweit Zugeständnisse überhaupt möglich sind, hängt von der Reaktion der Finanzmärkte ab, die sich kaum prognostizieren lässt. Es kommt folglich sehr darauf an, dass die Politik diese Zugeständnisse klug kommuniziert. Und zudem darf es den Aufschub nicht ohne Gegenleistung geben: Die EU-Kommission sollte den Ländern genaue Vorgaben zu den verbleibenden strukturellen Sparmaßnahmen machen.
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