Kolumne
Chefsache Führung, 01.12.2009
Perspektive Mittelstand
Quo vadis Führungskultur
Wenn dreckige Wäsche öffentlich gewaschen wird
Handelsblatt, 18. November 2009, Report:„Wir bauen eine neue UBS, die alte war schlecht gemanagt. Ich führe die Bank an die Weltspitze zurück“ sagte Oswald Grübel, seit neun Monaten Chef der einst so stolzen, durch die Finanzkrise stark gebeutelten UBS.
Gängige Praxis. Wird der Manager ausgetauscht, räumt er als erstes das Unternehmen auf. Getreu dem Motto: „Neue Besen kehren gut“. Da werden dem Vorgänger alle Schlechtigkeiten der Vergangenheit untergejubelt. Bekanntestes Beispiel: Siemens-Chef Löscher räumt den Schmiergeld-Skandal seit Monaten auf. Das geht so weit, dass er in einem Mitarbeiterbrief schreibt „Viele Manager haben unverantwortlich und wohl auch kriminell gehandelt“. Wie ein solches Geschäftsmodell in Ländern, wo ohne Bestechung kein Geschäft zustande kommt funktionieren soll, sagt Löscher nicht.

Grübel und Löscher haben eines gemeinsam. Sie schieben vorhandene Probleme Ihren Vorgängern in die Schuhe. Wer Fehlverhalten zeigt, soll dafür auch die Verantwortung tragen. So weit, so gut. Doch hier werden auch noch andere Themen, unabhängig vom aktuellen Skandal und ohne tatsächlich problematisch zu sein, dem Vorgänger als Schuldigen in die bis zum Anschlag gespannten Schuhe gesteckt. Der Vorgänger als Möglichkeit, alle unliebsamen Themen zu entsorgen.

Die Folgen: Das Unternehmen steht monatelang in den Schlagzeilen. Den Aktionären gefällt das nicht, schließlich haben die nur Freude an steigenden Aktienkursen. Siemens-Mitarbeiter „schämen“ sich, für ein solches Skandalunternehmen zu arbeiten und verschweigen das in Ihrem privaten Umfeld. Die Kultur wandelt sich in eine Misstrauenskultur.

Mitarbeiter werden unter Generalverdacht gestellt. Langjährige, vertrauensvolle Mitarbeiter werden kontrolliert und gegängelt. Mitarbeiter sichern sich zunehmend ab, trauen sich immer weniger zu. Die Gefahr, die Verantwortung nicht nur für eigenes Handeln zu tragen, steigt. Das befördert nicht Vertrauen, die Grundlage jeder guten Zusammenarbeit. Ebenso wenig, dass Mitarbeiter verantwortlich ihrer Arbeit nachgehen. Stattdessen Misstrauen, Suche nach dem Schuldigen und Abstrafung zumeist Unschuldiger.

Der Kern von Führung ist es jedoch, sicherzustellen, dass erwünschte Ziele und Ergebnisse erreicht werden. Dafür haben Führungskräfte sicherzustellen, dass Mitarbeiter engagiert ihrer Tätigkeit nachgehen. Dazu gehört, dass diese sich trauen, auch Fehler zu machen. Mangelt es hieran, ziehen sich Mitarbeiter zurück, denn: wer wenig arbeitet, macht wenig Fehler.

Wenn eine Führungskraft nicht die Verantwortung für ihren Job übernimmt, ist sie ein schlechtes Vorbild. Mitarbeiter erwarten jedoch vorbildliches Verhalten ihres Chefs. Mit gutem Beispiel vorangehen, Fehler machen und dazustehen. Das ist die pragmatische Lösung. So kann der Verantwortungslosigkeit im Unternehmen begegnet werden.

Größter Hinderungsgrund scheint jedoch die Fähigkeit zu sein, aus Fehlern zu lernen und sich zu bessern. Wie anders ist sonst der Vorschlag von Deutsche-Bank-Chef Ackermann zu verstehen, einen gemeinsam zu finanzierenden Rettungsfonds für notleidende Banken zu gründen. Vollkasko-Banking auf Kosten des Steuerzahlers. Ein Jahr nach der Finanzkrise ist das Verantwortungsbewusstsein bei den Verantwortlichen für ihre Fehler offensichtlich in Vergessenheit geraten.
ZUM KOLUMNIST
Über Roland Jäger
Roland Jäger ist Unternehmensberater, Trainer, Coach und Buchautor. Nach Berufsjahren im Banken- und Finanzwesen arbeitete er im Management einer renommierten Privatbank und in einem bedeutenden Beratungsunternehmen. Seit 2002 ist er Inhaber der rj management ...
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