Fachartikel, 01.07.2010
Perspektive Mittelstand
Preiswerte Beschaffung
Im Einkauf zählt die Kosten-Nutzen-Relation
Eine alte Unternehmerweisheit sagt: Der Gewinn von einem Unternehmen entscheidet sich zum einem großen Teil im Einkauf. Die Folge: Bei der Beschaffung haben viele Unternehmen nur den besten Preis im Auge. Auf die Dauer aber zahlt sich das nicht aus. Worum es vielmehr geht, ist preiswert einzukaufen, sprich: die Kosten-Nutzen-Relation im Einkauf.
„Vom Sparen allein wurde noch niemand reich.“ Diese Aussage trifft nicht nur auf Privatpersonen zu. Sie gilt in abgewandelter Form auch für Unternehmen. Denn wenn ein Unternehmen aufgrund eines zu rigiden Sparkurses seinen Leistungen nicht mehr in der gewünschten Qualität erbringen kann, dann verliert es Kunden.

Deshalb kann die oberste Maxime beim Einkauf der meisten Unternehmen nicht lauten: „möglichst billig einkaufen“. Sie müssen vielmehr intelligent beziehungsweise preis-wert einkaufen – also die zur Verfügung stehenden (Finanz-)Mittel so nutzen, dass die beste Kosten-Nutzen-Relation entsteht.

Doch was ist die beste Kosten-Nutzen-Relation? Diese Frage zu beantworten, ist im betrieblichen Alltag oft nicht leicht. Denn hierbei spielt unter anderem eine Rolle, welche Bedeutung das einzukaufende Produkt oder die einkaufende Leistung für die Leistungserbringung und Zielerreichung des Unternehmens hat. Dies sei an Beispielen illustriert.

Der Preis ist eine relative Größe

Nehmen wir an, ein Produktionsunternehmen braucht eine Stanze. Und diese muss pannenfrei funktionieren, da bei einem Ausfall die gesamte Produktion still steht. Dann kann der Preis nicht das alleinige Kaufentscheidungskriterium sein. Denn wenn die Stanze ausfällt, sind nicht nur alle Produktionsmitarbeiter zum Nichts-tun verdammt – das heißt das Unternehmen hat hohe Ausfallzeiten. Es kann auch seine Lieferzusagen nicht mehr einhalten. Unzufriedene Kunden und Konventionalstrafen sind also vorprogrammiert.

Ebenso verhält es sich, wenn ein Unternehmen Anzeigen schalten möchte, um seine Produkte zu promoten. Dann bringt es ihm wenig, in den Zeitungen mit den billigsten Anzeigentarifen zu inserieren. Denn was nutzt dem Unternehmen eine Anzeige in Zeitungen, die von seinen Zielkunden nicht gelesen wird? Wenig! Also kann auch hier der Preis zumindest nicht das alleinige Entscheidungskriterium sein.

Anders verhält es sich, wenn ein Unternehmen zum Beispiel Notizblöcke für seine Mitarbeiter kauft. Oder wenn es einen Malerbetrieb zum Streichen seiner Lagerräume sucht. Bei solchen Produkten und Dienstleistungen, die für die Leistungserbringung des Unternehmens eine geringe Relevanz haben, kann der Preis, wenn nicht das einzige, so doch zumindest das oberste Entscheidungskriterium sein.

Kernziel: die Kosten-Nutzen-Relation verbessern

Weil die verschiedenen Produkte und Dienstleistungen für deren Käufer eine unterschiedliche Relevanz haben, ist es, wenn es um das Optimieren des Einkaufs geht, sehr wichtig, zunächst zu analysieren:
  • Welche Bedeutung hat das betreffende Produkt beziehungsweise die betreffende Dienstleistung für unsere Leistungserbringung beziehungsweise das Erreichen unserer Unternehmensziele? Und:
  • Welche Anforderungen ergeben sich hieraus an das Produkt beziehungsweise die Dienstleistung?
Dabei lassen sich entsprechend der TASK-Formel vier Anforderungsbereiche unterscheiden:
  • technische,
  • ablauf-organisatorische,
  • sozial-menschliche und
  • kaufmännisch-wirtschaftliche Anforderungen.
Unter den technischen Anforderungen werden nicht nur alle Bedingungen subsummiert, die zum Beispiel eine Computeranlage oder Maschine erfüllen muss, damit sie ihre Funktion in einer Organisation erfüllt. Hierzu zählen auch Aspekte wie: Über welche fachliche Qualifikation und Vorerfahrung muss beispielsweise ein Computer- oder Marketingfachmann verfügen, den wir engagieren?

Zu den ablauf-organisatorischen Anforderungen zählen alle Faktoren, die damit zusammenhängen, wie ein Lieferant eine Leistung erbringen soll. Zum Beispiel: Wie und wann werden die georderten Teile geliefert? Oder: Welche Unterstützung bietet der Lieferant bei der Inbetriebnahme der Maschine oder deren Wartung?

Bei den sozial-menschlichen Anforderungen hingegen handelt es sich um alle Erwartungen, die ein Unternehmen bezüglich der alltäglichen Zusammenarbeit hat. Zum Beispiel: Wie verschwiegen müssen die Mitarbeiter des Lieferanten sein? Oder: Wie sollen sie auf Beschwerden und Extra-Wünsche reagieren?

Und bei den kaufmännisch-wirtschaftlichen Anforderungen? Hiermit sind neben dem Anschaffungspreis zum Beispiel Aspekte gemeint wie: Welche Folgekosten/Einsparungen sind mit der Investition verbunden (Lifecycle Costs, Total Costs of Ownership?) Wie sehen die Zahlungs-, Finanzierungs- und Lieferbedingungen aus?

Schritt 1: Bedarfsanalyse

Da in die meisten größeren Kaufentscheidungen viele bis sehr viele Anforderungen einfließen, sollten Unternehmen zum Beispiel vor einer Ausschreibung eine detaillierte Bedarfsanalyse durchführen. Hierzu zählt nicht nur das Erfassen der von den Fachabteilungen und Experten in der Organisation formulierten Anforderungen, sondern auch das gezielte Hinterfragen von diesen. Zum Beispiel: Ist es wirklich nötig, dass der georderte Stahl den Härtegrad „...“ aufweist?“ Oder: Warum sollte die Maschine eine Drehzahl von „...“ haben? Denn nur durch ein solches Nachfragen lässt sich erkunden: Was sind Wunsch- oder Idealvorstellungen und was ist der reale Bedarf? Ohne ein solches Nachfragen lassen sich auch keine Kriterien dafür formulieren, bei welchen Anforderungen gegebenenfalls Abstriche möglich wären, weil deren Erfüllung zum Beispiel den Preis unverhältnismäßig stark in die Höhe treiben würde. Ebenfalls zur Bedarfsanalyse zählt das Ermitteln des Einkaufsvolumens in einem bestimmten Zeitraum – zum Beispiel in einem, zwei oder fünf Jahren. Denn hierüber ergibt sich unter anderem, welche Einkaufsmacht das Unternehmen hat.

Schritt 2: Analyse des Beschaffungsmarkts

Nach der Bedarfsanalyse erfordert ein intelligenter Einkauf eine Beschaffungsmarktanalyse. Oft scheitert ein preis-werter Einkauf schon daran, dass Unternehmen rein aus Gewohnheit ihren Stammlieferanten treu bleiben. Oder daran, dass sie sich bei der Lieferantensuche weitgehend auf ein „Googeln“ im Internet oder solche Lieferantenverzeichnisse wie „Wer liefert was?“ verlassen. Für einen intelligenten Einkauf ist es wichtig, nicht nur die naheliegenden Anbieter als Lieferanten in Betracht zu ziehen – speziell wenn es um strategische Investitionen oder den Abschluss langfristiger Lieferkontrakte geht. Vielmehr sollte man sich fragen: Wer käme eventuell noch als Lieferant in Betracht?

Die potenziellen Lieferanten sollten dann befragt werden – nicht nur um zu ermitteln, inwieweit sie die definierten Anforderungen erfüllen (können). Wichtig ist auch zu erkunden: Welche Bedeutung hätten wir für diesen Lieferanten? Wären wir für ihn ein A-, B- oder C-Kunde? Zum Beispiel aufgrund des mit uns erzielten Umsatzanteils? Oder weil wir für ihn ein Referenzkunde wären? Dies zu wissen, hilft, die eigene Verhandlungsposition einzuschätzen.

Ebenfalls zur Beschaffungsmarktanalyse zählt der Versuch zu ermitteln, wie der Markt der potenziellen Lieferanten „tickt“. Wird er zum Beispiel von drei, vier Großanbietern dominiert, die insgeheim Preis- oder Gebietsabsprachen getroffen haben? Ist dies der Fall, ist es besonders wichtig zu analysieren: Wie wird eigentlich das von uns benötigte Produkt hergestellt beziehungsweise die von uns gewünschte Leistung erbracht? Denn so lassen sich eventuell alternative Beschaffungswege ermitteln. Hierfür ein Beispiel. Nehmen wir an, ein Unternehmen benötigt Stahlbleche von einer bestimmten Größe. Dann kann es die fix und fertig zugeschnittenen Bleche bei einem der großen Stahlhersteller oder einem von deren Tochterunternehmen kaufen. Es kann jedoch auch bei einem Hersteller den gewalzten Stahl auf Rollen kaufen und diesen von hierauf spezialisierten, eigenständigen Unternehmen auf die gewünschte Größe zuschneiden lassen – sofern es weiß, dass solche Zuschneide-Betriebe existieren.

Schritt 3: Beschaffungsstrategie ableiten

Kennt das Unternehmen seinen Bedarf und den Beschaffungsmarkt, kann es sich im nächsten Schritt fragen: Wie können wir das, was wir brauchen, am preis-wertesten einkaufen? Für ein Verbessern der Kosten-Nutzen-Relation gibt es viele mögliche Hebel. Ein relativ einfacher Hebel ist es, mehr Anbieter – zum Beispiel auch aus Übersee – in die Lieferantenauswahl einzubeziehen. Ebenfalls recht einfach ist es, beispielsweise durch ein Bündeln der Aufträge und eine Reduktion der Zahl der Lieferanten ein größeres Einkaufsvolumen je Lieferant zu schaffen. Anspruchsvoller ist der Versuch, die Gesamtbeschaffungskette zu optimieren und zum Beispiel mit den Lieferanten der Lieferanten, also den Lieferanten zweiten Grades, selbst Kontrakte abzuschließen – ein Vorgehen, das bereits manch Verlag und Unternehmen, das viele Druckstücke benötigt, praktiziert. Sie kaufen das für die Zeitschriften und Verpackungen benötigte Papier in Großmengen unmittelbar bei Papierfabriken ein und stellen es dann den Druckereien zur Verfügung. So senken sie den Preis für deren Endprodukt. Ein weiterer Ansatzpunkt, um die Materialkosten zu senken, kann eine Reduktion der Zahl der Varianten sein.

Wichtig ist es, beim Ableiten der Beschaffungsstrategie nicht nur die verschiedenen Hebel wie Global Sourcing, Volumenbündlung und Spezifikationsoptimierung zu kennen, sondern auch zu kalkulieren, welche Einsparung diese bringen. Denn sonst kann keine qualifizierte Entscheidung getroffen werden.

4. Schritt: Lieferantenanalyse und -auswahl

Steht die Beschaffungsstrategie kann mit der Auswahl der Lieferanten begonnen werden, die zum Beispiel zur Teilnahme an der Ausschreibung aufgefordert werden. Zuvor sollte man sich jedoch nochmals vor Augen führen: Welche Kriterien müssen Anbieter erfüllen, damit sie für uns als Partner in Betracht kommen? Zudem gilt es zu definieren, welche (Teil-)Leistungen die Angebote umfassen und welche Daten sowie Infos sie enthalten müssen, damit sie überhaupt vergleichbar sind.

Beim Bewerten der Lieferanten und ihrer Angebote kann den bisherigen Stammlieferanten ein Bonus eingeräumt werden, weil mit einem Lieferantenwechsel oft Mehrarbeit verbunden ist. Deshalb scheuen die Fachabteilungen häufig einen Lieferantenwechsel. Entsprechend wichtig ist es, dass beim Versuch preiswerter einzukaufen, Einkauf und Fachabteilungen von Anfang an eng kooperieren und offen miteinander kommunizieren. Hierbei muss der Einkauf oft in Vorleistung gehen. Taktisch klug kann es auch sein, mit den Fachabteilungen zu vereinbaren, dass diesen die eingesparten Gelder oder ein Teil hiervon für (innovative) Projekte, die ansonsten nicht finanzierbar wären, zur Verfügung gestellt werden. Die Einkäufer sollten also versuchen, sich als Einkaufsberater der Fachabteilungen zu profilieren – das gelingt ihnen umso leichter, je besser sie das Geschäft ihrer internen Kunden verstehen und den Beschaffungsmarkt kennen.

5. Schritt: Implementierung

Ist die Entscheidung für einen Lieferanten getroffen, zählt es zu den Aufgaben der Einkäufer, den neuen Lieferanten in der Organisation einzuführen und sozusagen einen Werbefeldzug für ihn zu starten. Hierzu gehört auch, mit dem Lieferanten und den Fachabteilungen Absprachen zu treffen, wie die „Einarbeitung“ des Lieferanten ablaufen soll; des Weiteren konkrete Ansprechpartner sowie Verantwortliche zu benennen, die dafür sorgen, dass unvorhergesehene Probleme schnell gelöst werden.

Ein solches „Sich-kümmern“ ist gerade in der Startphase der Zusammenarbeit wichtig. Denn in ihr ist die Gefahr groß, dass, wenn Probleme auftreten, die Skeptiker Oberwasser gewinnen, die schon immer wussten: Das funktioniert nie. Erfolgt dann kein Gegensteuern ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der sogenannte Maverick-Effekt eintritt. Das heißt, die Verantwortlichen in den Fachabteilungen denken sich „Was juckt mich der Vertrag mit dem neuen Lieferanten“ und kaufen am Vertrag vorbei beim alten Lieferanten ein.
ZUM AUTOR
Über Dirk Nold
Nold Consulting GmbH
Dirk Nold ist Diplom-Kaufmann und geschäftsführender Gesellschafter der auf Beschaffungsoptimierung spezialisierten Höveler + Nold Consulting (HNC) aus Düsseldorf.
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