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Fachartikel, 11.09.2013
Weg von Powerpoint & Co.
Informationen neuronal verdaulich transportieren
„Verbrennen Sie Ihre PowerPoint-Folien!“, empfiehlt der Neurobiologe John Medina. Nur konsequent. Denn die Ergebnisse der Hirnforschung erfordern ein radikales Umdenken im Alltag.
Bisher dachten wir, die digitale Welt mache uns das Leben einfacher. Macht sie auch. Aber sie ignoriert auch, dass menschliche Wahrnehmung anders funktioniert, als Microsoft und Apple das gerne hätten. Wir sind halt keine Computer. Und wir lernen anders. Schon Manfred Spitzer berichtete in seinem lesenswerten Buch „Lernen“, dass Lernsoftware für kleine Kinder eher in die Mülltonne gehört als ins Kinderzimmer. Nun setzt John Medina noch einen drauf und nimmt den erwachsenen Professionals eines ihrer Lieblingsspielzeuge. „I think they suck“, sagt er über PowerPoint-Präsentationen. Das ist aber nicht die Attacke eines altbackenen Forschers aus dem  Elfenbeinturm, sondern das Ergebnis moderner Wissenschaft, die mit bildgebenden Verfahren inzwischen dem Gehirn bei der Arbeit zugucken kann.

Neurobiologen haben nämlich herausgefunden, dass unser Gehirn keine Datenverarbeitungsmaschine ist, wie wir das in Analogie zum Computer so gerne sehen. Unser Gehirn ist eher eine Erfahrungsverarbeitungsmaschine. Ständig und innerhalb weniger Sekundenbruchteile vergleicht es Wahrgenommenes mit bekannten Mustern. Das ist in ganzheitliches Erleben. Wir nehmen mit all unseren Sinnen wahr. Und da wir sinnliche Wahrnehmungen, also Bilder, Klänge, haptische Eindrücke, Geschmack, Gerüche, aber auch episodisches Erleben direkt an Bekanntes in unserem Gehirn ankoppeln können, werden diese Wahrnehmungen wesentlich leichter verarbeitet als abstrakte Information.

Aber sind gut aufbereitete Information am Bildschirm oder auf der Leinwand nicht auch sinnlich wahrnehmbar? Ja, Stimmt schon. Aber zum einen unterscheidet unser Gehirn sehr wohl zwischen physisch wahrnehmbarer Umwelt und dem virtuellem Abbild und zum anderen sind die meisten Bildschirmpräsentationen mit abstrakter Information überladen. Da findet sich zu wenig, das wir direkt ankoppeln können. Räumlichkeit findet dort zum Beispiel selten statt. Ganz im Gegensatz zu Filmsequenzen, die dazu noch das episodische Element enthalten.

Neuronales Lernen ist weniger ein Prozess der Informationsspeicherung, sondern ein Vorgang der Verarbeitung von Erfahrungen. Und Erfahrungen sind ein interaktiver Prozess. Wir lernen vor allem durch Austausch mit unserer Umwelt. Darum können wir Autofahren oder irgendeine andere praktische Fähigkeit auch nicht im theoretischen Unterricht lernen, sondern nur durch das tatsächliche Tun. Kennen und Können sind zweierlei. Und genau deshalb müssen wir uns schon etwas einfallen lassen, wenn wir anderen etwas vermitteln wollen.

Wer andere erreichen will, muss daher neuronal leichter verdauliches anbieten als PowerPoint-Folien. Aus diesem Grund arbeite ich in meinen Workshops zum Beispiel auch lieber mit Flipcharts und Moderationskarten als mit dem Beamer. Papier ist nicht nur geduldiger sondern auch ganzheitlich wahrnehmbar. Es lässt sich von verschiedenen Seiten betrachten, befühlen und beim Blättern sogar hören. Vielleicht liegt hierin auch das Geheimnis des Erfolgs der modernen Touchscreens, vom iPad bis zum Smartphone. Wir wollen Dinge halt gern „begreifen“. Dieses schöne deutsche Wort beschreibt genau das, was unser Gehirn beim effektiven Lernen tun. Es bildet aus Wahrnehmungserfahrungen neue neuronale Muster.

Wie können Sie diese Erkenntnisse für Vorträge und Seminare praktisch nutzen:
  • Erzeugen Sie Bilder in den Köpfen von Menschen. Visualisieren Wie, was das Zeug hält. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dafür müssen Sie kein Künstler sein. Im Gegenteil. Ausgefeilte PowerPoint-Grafiken sind meist viel zu komplex, als dass Sie neuronal leicht konsumiert werden können. Skizzieren Sie möglichst einfach. Benutzen Sie Flipchart, Tafel oder Pinnwand.
  • Erzählen Sie Geschickten. Damit erzeugen Sie nicht nur Bilder, sondern lassen im Kopf der Zuhörer einen Film abspielen. Das ist fast wie konkretes Erleben. Da werden die Spiegelneuronen aktiviert, Menschen versetzen sich in die Szene, als würden sie sie selbst erleben. So könne Sie Menschen „ein-trancen“.
  • Arbeiten Sie mit Räumen, benutzen Sie die dritte Dimension. Es ist immer wieder faszinierend, wie gespannt meine Workshopteilnehmer zuhören, wenn ich irgendwelche Utensilien aus meinem Moderationskoffer hervorhole, wie z.B. Bälle, Äpfel, Steine, Holz. Dinge zum Anfassen ziehen Aufmerksamkeit an. Benutzen Sie den Vortragsraum auch als Raum und fokussieren Sie sich nicht nur auf die Leinwand. Nehmen Sie verschiedene Positionen im Raum ein, um z.B. gegensätzliche Sichtweisen zu veranschaulichen. „Hier steht Herr Konstruktiv und stellt sein neues Projekt vor, während hier Herr Destruktiv das Ganze zerreden möchte …“
  • Arbeiten Sie mit Bewegung. Hier kommt die vierte Dimension ins Spiel. Bewegung entsteht schon dadurch, dass Sie eine Grafik am Flipchart entwickeln und nicht als fertiges Produkt mit dem Beamer an die Wand werfen. Führen Sie Dinge praktisch vor. Stapeln Sie z..B. Kisten übereinander, um das Umsatzwachstum Ihrer Firma zu visualisieren. Auch Ihre eigene Bewegung im Raum gehört natürlich dazu. Vermeiden Sie aber monotones Auf- und Ablaufen. Bewegung sollte Ihre Message unterstützen und nicht davon ablenken.
  • Schaffen Sie Erlebensräume. Beteiligen Sie Ihre Zuhörer. Stellen Sie Fragen, fordern Sie Statements ein, lassen Sie die Menschen Dinge selbst tun. Eignes Erleben ist immer wirkungsvoller als das Reflektieren von Erlebnissen. Wenn ich zum Beispiel über SMARTe Ziele referiere und ein Teilnehmer sagt: „Ist doch kalter Kaffee“, dann bitte ich ihn, doch einmal eines seiner aktuellen Ziele zu nennen und uns zu erklären, ob und warum es SMART ist. Spätestens dann begreift er, dass kennen und können zweierlei sind.
  • Fassen Sie sich kurz. Stellen Sie einen Gedankengang nicht länger als 10 Minuten dar, da die Konzentration von Menschen danach stark nachlässt. Wenn Sie mehr Zeit benötigen, nutzen Sie einen sogenannten „Separator“. Bringen Sie ein Beispiel oder stellen Sie eine Frage an die Zuhörer.
Zum Abschluss noch ein Tipp für alle, die nun dennoch nicht von PowerPoint lassen wollen: Reduzieren Sie, wo Sie können. Machen Sie Darstellungen so minimalistisch wie möglich und sparen Sie sich verspielte Animationen und andere Gimmicks. Reduzieren Sie Text radikal. Stichworte gehen vor Sätzen. Professionalität zeichnet sich durch Einfachheit aus. Und wenn Sie animieren, dann sollten die Animationen eine sinnvolle Visualisierung des Gesagten darstellen. Wer es immer noch nicht glaubt, wird sich vielleicht durch folgende Erfahrung eines Hochschullehrers überzeugen lassen. Er testete in seinen Lehrveranstaltungen den Lerneffekt von animierten und nicht-animierten PowerPoint-Präsentationen sowie die althergebrachte Tafel und das Flipchart. Der beste Lernerfolg zeigte sich bei Verwendung der klassischen Medien. Am schlechtesten schnitten animierte PowerPoint-Präsentationen ab.
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ZUM AUTOR
Über Dr. Constantin Sander
BusinessVillage GmbH
Dr. Constantin Sander (www.mind-steps.de) hat acht Jahre Forschung und neun Jahre Marketing und Vertrieb als Background. Er ist Business-Coach in Heidelberg. Kürzlich hat er sein Debüt als Buchautor präsentiert: „Change! Bewegung im Kopf“, ist Ende Mai bei BusinessVillage erscheinen.
BusinessVillage GmbH
Reinhäuser Landstrasse 22
37083 Göttingen

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