Pressemitteilung, 06.03.2007 - 12:12 Uhr
Perspektive Mittelstand
Placanica-Urteil: EuGH-Entscheidung erschüttert deutsches Sportwettenmonopol
(PM) , 06.03.2007 - Von Gunnar Sohn Luxemburg/Berlin, www.ne-na.de – Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg erklärt es für gemeinschaftsrechtswidrig, dass in Italien Vermittler, die für Rechnung ausländischer Unternehmen Wetten sammeln, mit Strafe bedroht sind. „Ein Mitgliedstaat darf keine Strafe wegen Nichterfüllung einer Verwaltungsformalität verhängen, deren Erfüllung er unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat“, teilte der EuGH in einer Presseerklärung mit curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=C-338/04, C-359/04 und C-360/04. Nach italienischem Recht darf Glücksspiele nur organisieren und Wetten nur sammeln, wer dafür eine Konzession und polizeiliche Genehmigung besitzt. Für einen Verstoß gegen diese Regelung sieht das italienische Recht Strafen vor, die bis zu drei Jahren Freiheitsentzug reichen können. Im so genannten Placanica-Fall (Aktenzeichen: C-338/04, C-359/04, C-360/04) geht es um italienische Wettbürobetreiber, die für ein in England ansässiges privates Unternehmen Sportwetten vermitteln. Dagegen klagte die italienische Justiz. Grundsätzlich seien nach Auffassung des EuGH für das Strafrecht zwar die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setze das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen. „So darf das Strafrecht nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Die Italienische Republik darf daher gegen Personen wie die in den Ausgangsverfahren Beschuldigten keine Strafen wegen der Ausübung einer Tätigkeit des organisierten Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung verhängen“, so der EuGH. „Der Europäische Gerichtshof hat den Verfechtern von Staatsmonopolen deutlich gemacht, dass sie gegenüber der privaten Konkurrenz dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit unterworfen sind. Der Willkür deutscher Politiker ist hiermit Einhalt geboten worden, da der vermeintliche hehre Zweck nicht alle Mittel legitimiert. Der deutsche Lotteriestaatsvertrag ist nicht europatauglich, wenn man das Urteil sorgfältig studiert. Die Länderfürsten sollten daher besser nachsitzen und nachbessern“, rät Helmut Sürtenich, Vorstand des Düsseldorfer Sportwettenanbieters Stratega-Ost Beteiligungen AG www.stratega-ost.de. Auch die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt die EuGH-Entscheidung. „Die geplante Umsetzung des vorliegenden Entwurfes eines Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom Dezember 2006 sollte nun in weite Ferne gerückt sein. Dieser neue Staatsvertrag, der von den Ministerpräsidenten ausgehandelt wurde, liegt noch bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung. Die Kommission wird das heutige Urteil nicht unberücksichtigt lassen können“, so die FDP. Die im Staatsvertragsentwurf enthaltenen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken wurden auch im Rechtsgutachten von DFB und DFL vor einigen Tagen deutlich hervorgehoben. Die 15 Ministerpräsidenten, die den Staatvertrag im Dezember lediglich „zustimmend zur Kenntnis“ genommen haben, sollten nach Auffassung der FDP endlich ihren sturen Alleingang beenden und dem Vorbild ihres Kollegen Peter Harry Carstensen (CDU) in Schleswig-Holstein folgen.