Fachartikel, 03.05.2006
Perspektive Mittelstand
Führung
Eine tragfähige Feedbackkultur - Teil I
Differenziertes Feedback zu Erfolgen, positivem Verhalten, Kompetenzen und Stärken sind in unserer Kultur eher selten. Nicht zuletzt deshalb ist die Selbstkompetenz bei vielen Menschen deutlich unterentwickelt. 1. Teil eines 2-teiligen Leitfaden zu Coaching und Feedback als Führungsinstrument.
Gelungenes wahrnehmen und aussprechen

Jemanden zu ermutigen, Anerkennung zu äussern oder bloss etwas Nettes zu sagen - das hat Seltenheitswert, wird vernachlässigt, ist allenfalls sogar verpönt oder als „Strebertum“ gebrandmarkt. Gleichzeitig weiss jeder Mensch aus eigener Erfahrung, dass es gerade im Bereich des Verhaltens kaum einen besseren Weg gibt als das Lernen am Erfolg. In unserer Zeit gilt die Defizitdiagnostik als das Mass aller Dinge: Wir suchen und zählen die Fehler anstatt das Richtige. Verstellt uns das nicht den Blick für das Gute und das Normale? Könnte es sein, dass wir eine Feedbackkultur haben, die sich mehr am Aussprechen von Negativem als an der Bestätigung von Positivem orientiert? Selbstverständlich färbt dieses Bild auch unsere Selbstgespräche, welche eher kritisierend, entmutigend und auf negative Gefühle ausgerichtet sind. Feedback könnte damit beginnen, Stärken zu stärken. Der erste Schritt auf dem Weg zu einer konstruktiven Feedbackkultur heisst deshalb: Alle Beteiligten müssen regelrecht trainieren, Erfolge, Gelungenes, Stärken und Kompetenzen differenziert wahrzunehmen und verbal zu äussern.
Noch ein wichtiger Hinweis zu den Begrifflichkeiten und deren Wirkung: Lob und Anerkennung ist eine Art Belohnung. Lob wird verdient, z.B. dadurch, dass ein Mitarbeiter Höchstleistung erbringt. Im Gegenzug dazu ist Feedback ein Geschenk, das sich niemand verdienen muss.

Feedback konstruktiv äussern

Das Feedback muss ehrlich sein und ohne „wenn und aber“. Die meisten Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob eine Rückmeldung ehrlich ist oder nur Mittel zum Zweck, um anschliessend eine Kritik loszuwerden. Manche Menschen haben es „verlernt“, ein ehrlich gemeintes, positives Feedback anzunehmen. Sie lauern förmlich auf die versteckte Ohrfeige, die spätestens im nächsten Satz sicher folgen müsste. Ihr Ohr ist für Kritik viel empfänglicher als für Feedback.

Konstruktiv Rückmelden heisst: Weniger kritisieren und stattdessen Möglichkeiten für Veränderungen aufzeigen bzw. Verbesserungen als Ideen formulieren. Diese Formulierungsart eröffnet dem Gegenüber die Möglichkeit zum Handeln. Jeder benötigt Feedback zur Aufhellung der „blinden Flecken“. Feedback zeigt Differenzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung auf. Feedback darf aber nicht aufgezwungen werden.
Unsere Einstellung zu Kritik ist eine seltsame. Keiner will kritisiert werden – aber alle bestehen auf dem Recht, eine eigene Meinung zu haben und sein eigenes Urteil zu den unterschiedlichsten Situationen formulieren zu dürfen. Mit anderen Worten: Wir tun regelmässig das, was wir anderen nicht erlauben!

Feedback hingegen ermöglicht dem Gegenüber die Möglichkeit des Lernens. Ein konstruktives Feedback ist bewusst und sorgfältig formuliert. Es beschreibt den Sachverhalt und – auf eine sensible Art – das eigene Erleben und Empfinden. Vor allem beinhaltet es konstruktive Komponenten. Ohne konstruktive, lösungsorientierte Komponenten verhallt Ihr Feedback im Raum. Mit dem in die Zukunft gerichteten Blick wird dialogisch eine gemeinsame Zukunftsvorstellung erarbeitet. Nur freiwillig gewählte Schritte ermöglichen eine eigene Zielvorstellung und eine Verhaltensänderung.

Lernprozesse auslösen

Das Ziel eines Feedbackgespräches besteht darin, beim Gesprächspartner langfristige Lernprozesse auszulösen. Dazu braucht es Veränderungen im Denken und Verhalten des Mitarbeiters.

Veränderungen dieser Art sind nur wirkungsvoll, wenn sie freiwillig und aus Überzeugung geschehen. Angst oder Druck sind an dieser Stelle destruktiv, weil sie das konstruktive Potenzial des Mitarbeiters nicht zur Entfaltung bringen. Für neue Schritte ist Lernfreunde erforderlich. Wenn ein Gesprächspartner ein offenes Ohr hat und sich auf das Gespräch einlässt, dann können Veränderungen ausgelöst werden. Jedes Abblocken, Ohren-verschliessen oder den-Rollladen-herunterlassen (Verteidigungs- bzw. Gegenangriffshaltung) lässt das Gespräch scheitern. Wer sich verteidigt, nach den besten Argumenten sucht und auf die Schwachstellen im Gespräch achtet, der hört nicht wirklich zu.

Die hohe Kunst im Feedbackgespräch besteht darin, diese Zuhörbereitschaft zu sichern und beizubehalten, auch wenn unangenehme Dinge zur Sprache kommen. Dies setzt hohe soziale Fähigkeiten und ein gutes „Gespür“ für Menschen voraus. Das Einhalten von Feedbackregeln nützt nichts, wenn die innere Haltung des Gegenübers nicht stimmt. Der Empfänger muss sich selbst und seine Wirkung auf andere bewusster verstehen.

Verstehen Sie die Menschen!

Menschen verstehen zu können bildet das Fundament der kommunikativen Kompetenz. Wenn Sie sich der Herausforderung stellen und verstehen, wie andere Leute denken, fühlen und begreifen, entstehen vertrauensfördernde Beziehungen. Während Sie irgendeine Situation analysieren, versuchen Sie diese mit den Augen der anderen Person zu sehen. Dies befähigt Sie, andere besser zu verstehen und ebenso auch Ihre eigene Rolle besser einzuschätzen. Beginnen Sie, die Verhaltensweisen von Leuten zu verstehen, indem Sie zuerst ihre Ziele herausfinden! Stellen Sie sich die Frage: „Was will jemand erreichen?“ oder: „Wozu ist dieser Person das so wichtig?“

Bitten Sie um Erlaubnis!

Wenn Sie um die Erlaubnis für Feedback bitten und dann die Reaktionen anderer Leute auf Ihre Ideen suchen, kommen Sie effektiver voran. Das Gehörte löst anfänglich in der Regel Widerstand aus. Menschen brauchen Zeit. Sie müssen über das Gehörte nachdenken können. Nur in Ausnahmenfällen, d.h. mit genügender und permanenter Selbstreflektion, können Menschen sofort zustimmen. Lassen Sie dem anderen Zeit zum Verarbeiten des Feedbacks! Feedback braucht ein Klima des gegenseitigen Vertrauens.

Positive Ich-Aussagen - statt negative Du-Aussagen

Das Sprechen in Ich-Aussagen ist von grosser Bedeutung für ein konstruktives Gespräch. Kommt beispielsweise ein Kollege öfter zu spät, macht es einen entscheidenden Unterschied, ob Sie zu ihm sagen: „Immer kommen Sie zu spät! Können sie nicht einmal pünktlich sein?“ oder (viel besser): „Ich komme sehr unter Druck, wenn Sie zu spät kommen.“ Die Du-Aussagen enthalten oft abwertende und beschuldigende Botschaften. Sie führen beim Angesprochenen eher zu Widerstand als zu einer Korrektur des Verhaltens. Ähnlich verhält es sich mit „man“ oder „wir“. Solche Formulierungen lösen Aggression aus. Bei Ich-Aussagen wird im Gegensatz dazu Achtung und Respekt der Person gegenüber signalisiert und lediglich eine gewisse Verhaltensweise kritisiert.

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Das Sprechen in Ich-Botschaften erweist sich als grosse Hilfe in allen konfliktträchtigen Situationen.
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Alle Aussagen sollten möglichst nur ein Sprechen über sich selbst sein:

::: „Mir geht es so, wenn ich das erlebe ...“
::: „Ich denke so, wenn Sie das sagen ...“
::: „Ich fühle mich so, wenn das geschieht ...“
::: „Mein Wunsch wäre ...“

Leider neigen wir in Konfliktsituationen dazu, Vorschläge, Forderungen (was unser Gegenüber tun oder lassen sollte!) oder gar Drohungen zu äussern:

::: „Sie müssen endlich damit aufhören!“
::: „Sie sagen immer ... !“
::: „Sie hören mir nie zu!“
::: „Weil Sie das getan haben, werde ich jetzt ... !“

Solche oder ähnliche Redewendungen führen direkt in die Eskalation.

Die Ich-Aussagen sollen positiv formuliert werden, wie z.B.:
::: Ich denke, ich fühle oder ich wünsche ...
::: Ich glaube, ich weiss oder ich hoffe ...

Die Ich-Formel lässt sich sprachlich in vielfältiger Weise formulieren:

::: Aus meiner Sicht ...
::: Nach meiner Erfahrung ...
::: Ich bin der Meinung ...

Sprechen Sie Klartext!

Viele geschäftliche und persönliche Situationen können durch eine klarere und deutlichere Kommunikation enorm verbessert werden. Die Schlüssel dazu sind folgende:

::: Gehen Sie wichtige Gespräche vorgängig gedanklich durch!

::: Schaffen Sie eine Gesprächsatmosphäre, in der sich die Zuhörer wohl fühlen!

::: Malen Sie mit Worten, indem Sie eine lebendige Sprache verwenden, reich an Beispielen und Bildern, die dem Gegenüber helfen, die wichtigen Punkte nachzuvollziehen und zu verstehen!

::: Äussern Sie sich klar und deutlich, was Sie für andere tun wollen und was Sie von anderen erwarten!

::: Besprechen Sie nicht zu viele verschiedene Aspekte auf einmal! Zu viele Details können Ihre zentrale Aussage verschleiern und Ihre Zuhörer mit unwichtigen Informationen überschütten.

::: Haben Sie den Mut den Sachverhalt auf den Punkt zu bringen!

::: Vermeiden Sie Pauschalformulierungen wie „nie“ oder „immer“, Verallgemeinerungen, vage Behauptungen und Floskeln!

::: Bringen sie nur persönlich erlebte Situationen ein und verzichten sie auf das Zitieren von „Geschichten, die sie nur vom Hörensagen“ kennen! Der Feedbackempfänger muss wissen, auf welche konkrete Gegebenheiten Sie sich beziehen.

::: Feedback muss beschreibend und nicht bewertend oder interpretierend formuliert sein! Bringen Sie konkrete Beobachtungen, aber verurteilen Sie das Gegenüber nicht!

::: Erkennen Sie verdeckte Absichten und Motivationen der beteiligten Person!

::: Zu guter letzt: Fassen Sie das Gespräch am Ende zusammen und ziehen Sie die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Gespräch!

Persönlich - nicht sachlich

Mit persönlichen Eindrücken machen Sie sich als Person erkennbar. Viele Feedbackgeber verzichten darauf, weil sie sich lieber „bedeckt“ halten. Wenn Sie offen über Ihr eigenes Erleben und Empfinden sprechen und Ihre Meinung darstellen, geben Sie Raum für menschliche Nähe - dies ist unabdingbar für eine weitere Vertrauensbeziehung.

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* Im zweiten Teil des Leitfadens finden Sie eine Reihe von Praxistipps und Anwendungsbeispiele zum konstruktiven Feedback als Führungsinstrument (Titel: Eine tragfähige Feedbackkultur - Teil II: erfolgreiche Menschen suchen das Feedback!)

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