Fachartikel, 21.10.2009
Perspektive Mittelstand
Personalbeschaffung
Eigenständiges Recruitment oder Headhunter?
Viele Unternehmen scheuen aus Kostengründen davor zurück, beim Recruitment einen Personalberater einzuschalten. Allerdings werden dabei oft Äpfel mit Birnen verglichen. Denn die Zusammenarbeit mit einer (guten) Personalberatung bzw. einem Headhunter ist monetär betrachtet günstiger, wie eine Kostengegenüberstellung zeigt.
Wenn es um das Thema Personalbeschaffung geht, ist für viele Unternehmen eines stets von vornherein gewiss: „Eine Personalberatung einzuschalten kommt für unser Unternehmen nicht in Frage – die ist viel zu teuer und nur was für die Großen!“ Und ironisch gesprochen: für den Headhunter lohnt sich sein Einsatz zumeist tatsächlich. Damit es sich aber auch für Sie als Auftraggeber rechnet, sollten Sie
  1. die tatsächlich entstehenden Kosten bei Fremdbeauftragung realistisch vergleichen und
  2. Opportunitätskosten und Nutzenüberlegungen berücksichtigen.
Ersteres ist vergleichsweise einfach, allerdings nicht so einfach, wie es von einer Beraterin kürzlich gerechnet wurde: Für die Beschaffung einer Führungskraft mit einem Jahresgehalt von 100.000 Euro setzte sie für die Selbstbeschaffung Kosten von 33.340 Euro an. Dagegen stellte sie Kosten für einen Headhunter in Höhe von 25 bis 33% eines Jahresgehaltes. Auf den ersten Blick eine Einsparung zwischen 7 Euro und 8.340 Euro. Hier hat jemand die Eigenleistung teuer und die Fremdleistung billig gerechnet…

Drei Anzeigen in der FAZ sind ein Kunstfehler

Da wurde zum Beispiel vergessen zu erwähnen, dass viele eigene Kosten anfallen, auch wenn ein Externer beauftragt wird. Obendrein stecken in den enormen Kosten für die eigene Suche drei Anzeigen in der FAZ zu insgesamt Euro 12.000. Ein solcher Kunstfehler ist völlig absurd, für drei Anzeigen in der FAZ gibt es keinen mir bekannten Grund, das wäre auch schon vor der flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets Geldverschwendung gewesen, Abgesehen davon übernimmt kein Headhunter die Anzeigenkosten, die würden also auch bei Fremdvergabe anfallen. Bestenfalls bekommt der professionelle Vermittler Anzeigen etwas günstiger, weil er relativ viele schaltet.

Wer aber heute für die Schaltung von Anzeigen innerhalb eines Suchvorgangs wesentlich mehr ausgibt als 5.000 Euro, muss entweder einen sehr triftigen Grund haben (z.B. eine Suche im Ausland) oder er versteht sein Handwerk nicht. Zu diesem Preis könnte man eine Online-Anzeige perfekt gestaltet für ein Vierteljahr ins Netz stellen. Tatsächlich reicht oft die noch deutlich günstigere Suche über Social Networks, nötigenfalls ergänzt um die maximal vierwöchige Anzeige in einem der Job-Portale. Diese Anzeige erscheint, ohne dass Sie etwas tun (oder gar gesondert dafür bezahlen) müssten, auch auf den Job-Portalen der wichtigen überregionalen Tageszeitungen. Ich rechne bei einer normalen Suche mit maximal 2.000 Euro für Insertionskosten.

Betrachtet man nur die offensichtlichen Kosten, kommt der Headhunter jedenfalls immer schlechter weg als die Beschaffung durch die eigene Personalabteilung, wie die Gegenüberstellung am Ende dieses Textes zeigt.

Vorsicht bei der Gegenüberstellung


Die Beispiels-Rechnung am Ende dieses Textes legt stillschweigend einige nicht selbstverständliche Annahmen zugrunde. Die vielleicht wichtigste: Sie nimmt an, dass es in Ihrem Unternehmen eine erfahrene Personalabteilung gibt. Sonst müssten Sie für die Sichtung der Unterlagen, für die Vorbereitung und Durchführung der Erstgespräche etc. deutlich höhere Zeitbudgets ansetzen. Umgekehrt sind Leistungen eingerechnet, die viele Personalabteilungen heute (noch) gar nicht erbringen, dazu gehört zum Beispiel das laufende Handholding mit dem Bewerber (ein wöchentlicher Kontakt während des ganzen Verfahrens mit allen Kandidaten, denen nicht unmittelbar abgesagt wurde).

Headhunter zunächst immer teurer

Akzeptiert man die Rechnung jedoch für den Augenblick, scheint es, als ob der Headhunter zunächst deutlich weniger spart als er kostet. Ein guter Personalbeschaffer wird zudem bis zu einem halben Jahres(ziel)gehalt verlangen.

Nehmen wir beispielsweise ein Jahreszielgehalt des neuen Mitarbeiters von 100.000 Euro und ein Honorar von 40%, dann kostet der Kopfjäger zusammen mit den Eigenkosten rund 45.000 Euro, also gut viermal so viel, wie eine Beschaffung ausschließlich durch die eigene Personalabteilung. Selbst wenn er sich mit 25% Honorar zufrieden gibt, wäre es immer noch gut das Doppelte.

In der Rechnung fehlen jedoch Aspekte, die zunächst schwer zu bewerten sind. Sie sind im Folgenden in Stichpunkten ohne Anspruch auf Vollzähligkeit aufgezählt.

Die Gegenrechnung, von Ehda-Kosten …

Wir beginnen mit den sogenannten „(Die Mitarbeiter sind) Ehda“-Kosten: Wenn die Planrechnung realistisch sein soll, dann müssen Sie die einschlägige Kompetenz der Personalabteilung vorhalten und ständig aktualisieren, und zwar unabhängig davon ob das Thema Personalbeschaffung gerade aktuell ist oder nicht. Beides müssen Sie angesichts immer schneller drehender Personalmärkte mit mindestens 20.000 Euro bewerten – und zwar jährlich. Unangenehmer Nebeneffekt: Haben Sie einen Beschaffungsprofi und setzen ihn nur für die Verwaltung oder den Abbau von Personal ein, wird er Ihnen früher oder später von der Fahne gehen.

Halten Sie diese Professionalität dagegen nicht vor und beschaffen dann selbst, steigen die Kosten pro Vorgang, gleichzeitig ist die Gefahr einer Nicht- oder Fehlbesetzung signifikant höher. Scheitert der neue Mitarbeiter innerhalb der Probezeit, kostet das nach amerikanischen Berechnungen für die entgangene Wertschöpfung durch die Bindung von Kräften für die Einarbeitung, die letztlich ohne Gegenleistung gezahlten Gehälter, die Wiederbesetzung und den Kollateralschaden (z.B. Unruhe im Unternehmen) bis zu zwei Jahresgehälter.

… bis zum Zusatznutzen des Headhunters

Lassen Sie uns also lieber über den zusätzlichen Nutzen sprechen, den Ihnen ein professioneller externer Personaler bringt:
  • Ein guter Headhunter wird Ihnen von vorneherein als Lotse in den unübersichtlichen Personalmärkten dienen, in knappen Märkten alternative Wege und Zielgruppen zeigen und Sie obendrein bei einer zielgerichteten Ansprache unterstützen.
  • Er ist schneller im Markt: Sie können heute in der Regel verlangen, dass Sie die ersten geprüften Kandidaten innerhalb maximal einer Woche nach Ausschreibung der Stelle vorgestellt bekommen. Sie können damit in der Regel schneller einstellen, als wenn Sie selbst suchen müssten.  
  • Da er ständig Personalauswahlgespräche führt, sind seine Entscheidungen belastbarer. Er bringt einen ersten, einen externen Blick mit ein, den Sie angesichts der menschlichen Neigung zum assortative mating (wir sagen: gleich zu gleich gesellt sich gern) dringend brauchen, wenn Sie wirklich frisches Blut im Unternehmen wollen.
  • Auch daran erkennen Sie einen guten Personalberater: Er wird Ihnen widersprechen.
  • Eine verdeckte Suche ist seriös nur über Personalberater möglich.
  • Einige Suchmethoden, darunter die Direktansprache, kann die eigene Personalabteilung aus Wettbewerbsgründen gar nicht durchführen, manche Bewerber kann nur der Headhunter glaubwürdig ansprechen, da er echte Vertraulichkeit garantieren kann.
  • Er ist gut für Ihren Ruf. Absagen für die große Mehrheit der Ungeeigneten kommen vom Berater, nicht von Ihrem Unternehmen. Ein guter Berater wird Ihnen auch keine „Alibi-Listen“ vorlegen, Ihnen also keine Excel-Tabellen mit Namen von Bewerbern schicken, die für die Stelle nicht in Frage kamen. Das entlastet den Auftraggeber nicht und ist indiskret.
  • Umgekehrt wird er geeignete Bewerber in Ihrem Namen „bei Laune“ halten, indem er sie mindestens einmal wöchentlich über den Fortgang informiert, selbst wenn sich gerade gar nichts bewegt.
  • Last but not least gehört es zu den selbstverständlichen Leistungen, dass er ohne zusätzliches Honorar wiederbesetzt, wenn der neue Mitarbeiter innerhalb der Probezeit scheitert oder von sich aus ausscheidet. Dabei ist klar, dass genau dieser Fall tunlichst vermieden wird.
Die Leistung des Profis amortisiert sich meist in zwei Jahren

Sie haben neben der Leistung selbst also immer auch eine Versicherung mit eingekauft. Und wie lässt sich dieser Mehrwert rechnen? Ich gehe davon aus, dass die kombinierte Erfolgswahrscheinlichkeit (von der Passung bis zur Leistung) des neuen Mitarbeiters um 20% höher liegt, wenn dieser mit Unterstützung eines professionellen Beraters beschafft wurde. Geht man von den oben angesetzten 40% eines Jahresgehaltes als Honorar des Beraters aus, hat sich sein Einsatz innerhalb von zwei Jahren amortisiert, selbst dann, wenn man die eigene Kompetenz der Personalbeschaffung ständig vorhält. Braucht man diese nicht, zum Beispiel, weil das Unternehmen relativ klein ist und/oder selten neue Mitarbeiter beschafft, halbiert sich die Zeit, bis sich der Einsatz des Externen gerechnet hat.
ZUM AUTOR
Über Ulf Uebel
Ulf Uebel Consulting
Ulf Uebel ist, nach einer Karriere als Manager in mittelständischen und großen Unternehmen, seit vielen Jahren Personalberater und Coach. Neben der Personalbeschaffung schult er Personalverantwortliche in der Personalauswahl. Ein besonderer Schwerpunkt ist der Arbeitsmarkt der 50plus Generation.
Ulf Uebel Consulting
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