Pressemitteilung, 10.04.2006 - 12:24 Uhr
Perspektive Mittelstand
Onlinemagazin NeueNachricht: Deutsche Denker: Nicht-Ökonomen dominieren den geistigen Haushalt
(PM) , 10.04.2006 - Bonn, www.ne-na.de - Wer hat eigentlich den größten geistigen Einfluss auf die Deutschen? Die Antwort darauf gibt das Ranking der Zeitschrift Cicero der Top-500-Intellektuellen, das den Einfluss der wichtigsten Denker auf die öffentliche Meinung untersucht. Es wertet aus, wie oft ein Wortführer in der Presse zitiert wurde, wie stark seine Präsenz im Internet ist und hinter den Kulissen im Networking. Ökonomen, Juristen und Naturwissenschaftler zählen nicht zu den dominanten Persönlichkeiten. Nach den Untersuchungen des Cicero-Autors Max A. Höfer haben sie nur eine geringe Wirkung auf den geistigen Haushalt der Nation. Auf den Gipfeln der öffentlichen Wirksamkeit stehen Literaten wie Günter Grass, Marcel Reich-Ranicki oder Medienstars wie Alice Schwarzer. Hauptmeinungsbildner sind mit einer deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheit Schriftsteller, Publizisten und Kulturschaffende. „In einem Land, dessen Zukunft von Wirtschaftskraft und technischem Fortschritt abhängt, ist das alarmierend“, kritisiert Höfer. Woran liegt das? Die deutschen Wirtschafswissenschaftler sehen ihre Hauptaufgabe in Forschung und Lehre, Politikberatung betreiben sie hinter verschlossenen Türen. „Erst seit kurzem drängen sich auch einige Ökonomen ins Rampenlicht, um einer breiten Öffentlichkeit ihre Einsichten kundzutun,“ hat der Würzburger Ökonom Professor Norbert Berthold beobachtet. Allerdings sind sie gegenüber den Politikern stark im Nachteil. Was Ökonomen verkünden, ist in den Ohren der Allgemeinheit unverständlich und unsozial oder amoralisch. Gegen die griffigen Parolen der anderen Meinungsführer haben sie keine Chance. „Es ist schon auffällig, dass bis auf sehr wenige Ausnahmen die Volkswirtschaftslehre durch Banken- und Institutsvolkswirte nach außen getragen wird. Universitätsvolkswirte tauchen dabei kaum auf und wenn, dann zumeist mit rührender Naivität,“ beschreibt Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, die Lage. Mehr Mut zu Klarheit und Vereinfachung, wo es wissenschaftlich vertretbar ist, sei nötig. Die Wahrheit muss nicht kompliziert sein. „Wer gehört werden will, der muss sich an der Sprache der Zielgruppe orientieren.“ Nur dann können sich Ökonomen und Wissenschaftler aus der öffentlichen Meinungsblockade befreien und über wirtschaftliche Zusammenhänge aufklären. Denn das Niveau der wirtschaftspolitischen Debatten ist hierzulande erschreckend niedrig. „Ein Land, in dem Nicht-Ökonomen wie Lafontaine und Geissler die Bestseller über ökonomische Probleme schreiben, ist krank,“ sagt der Münsteraner Ordinarius für Volkswirtschaft Ulrich van Suntum. „Statt ökonomischer Fachkompetenz regieren hierzulande ökonomisches Halbwissen und billige ad-hoc Argumente“. Van Suntum nennt das „Christiansen Economics“. Van Suntum und seinen Kollegen ist allerdings klar, dass sie nicht ganz unschuldig sind an ihrer Randlage in der Öffentlichkeit. „Wir haben ein Vermittlungsproblem, weil wir zu gefühlskalt rüberkommen“, meint Professor Klaus Zimmermann vom DIW. „Ökonomen sind Vertreter einer traurigen Wissenschaft“, ergänzt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Würden wir die Globalisierung negativ sehen“, kämen wir öfters in die Medien“, meint Professor Thomas Straubhaar vom Hamburger HWWA. Rankingspezialist Höfer macht allerdings auch die Wirtschaftsführer, Mediziner und Wissenschaftler für diesen Zustand verantwortlich: "Vor allem Wissenschaftler meinen hierzulande, über eine verständliche oder gar unterhaltsame Sprache erhaben sein zu können". Wer zudem wie unsere deutschen Top-Manager intellektuell auf Sparflamme koche, komme auch nicht ins Denker-Ranking. „Deutschen Top-Managern fehlt jeder Ehrgeiz, intellektuell zu glänzen. In Frankreich gehört es dagegen zum Image und auch in den USA ist es zunehmend Usus, dass ein Jack Welch, Bill Gates, Warren Buffet oder Michael Dell ihre Philosophie zu Papier bringen und ihre Vision für das Land formulieren", schreibt Höfer. Die aktuellen Medieninhaltsanalysen des Bonner Forschungsinstituts Media Tenor bestätigen diese Einschätzung. Unternehmensführer versuchen mit auswechselbaren Phrasen zu Innovationen, Produktneuheiten und Managementweisheiten zu glänzen. In den Medien dringen sie damit nicht vor. „Die kommunikative Zurückhaltung der Unternehmen geht Hand in Hand mit dem Desinteresse der Redaktionen", stellt der Media Tenor fest. Bei der Cicero-Untersuchung fällt auf, dass die wenigen Vertreter der Wirtschaft auf den vorderen Plätzen bei allen Unterschieden eines gemeinsam haben: Sie sind exzellente Redner und gute Selbstdarsteller. Das weist den Weg für die anderen. Siehe auch: www.ne-na.de/A556D3%5Cnena%5CNENA_NEU.nsf/0/8DE47722E5AA6DB4C125705900330781?OpenDocument