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Monopolisten aller Parteien vereinigen sich: Politiker wollen Sportwetten als staatliche Geldquelle bewahren

(PM) , 30.03.2006 - Karlsruhe/Hamburg, www.ne-na.de - Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts haben sich Sport-Experten aus SPD und Union gegen eine Liberalisierung der Sportwetten ausgesprochen. Der Vorsitzende der Sportministerkonferenz der Länder, Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), verlangte eine bundeseinheitliche Neuregelung. "Wir müssen uns jetzt rasch länderübergreifend verständigen", sagte Röwekamp in Bremen. Er empfahl einen "unaufgeregten Umgang" mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Peter Danckert (SPD), der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, schloss eine völlige Liberalisierung des Wettgeschäfts aus: "Mit grenzenlosem Wettbewerb und marktschreierischen Angeboten würde die Suchtgefahr, die von Wetten ausgeht, nur noch vergrößert", sagte er der Passauer Neuen Presse. "Die Suchtgefahr muss aktiv bekämpft werden, zum Beispiel durch verstärkte Aufklärung und Prävention", forderte Dankert. Private Wettanbieter aus dem Ausland sollten mit einer Abgabe belegt werden. Nur bei konsequentem Vorgehen gegen die Suchtgefahr lasse sich das staatliche Monopol auf längere Sicht rechtfertigen. Baden-Württembergs Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU) sprach sich klar für den Erhalt des Monopols aus. Eine Suchtbekämpfung lasse sich besser erreichen, "wenn der Staat bereits als Veranstalter und nicht erst als Kontrolleur auftritt". Ähnlich argumentierte Maria Eichhorn (CSU), die drogenpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag: Spielsucht sei eine lange unterschätzte Abhängigkeit. Ihr zufolge gelten bundesweit 180.000 Menschen als spielsüchtig – mit wachsendem Trend. Für den Hamburger Medienrechtler Ralph Oliver Graef von der Anwaltskanzlei Unverzagt von Have ist die angebliche Bekämpfung der Spielsucht bei Sportwetten ein vorgeschobenes Argument zur Bewahrung des Staatsmonopols: "Selbst die Karlsruher Richter stellen in ihrem Richterspruch fest, dass Sportwetten für die große Mehrheit der Spieler reinen Erholungs- und Unterhaltungscharakter haben und pathologisches Spielverhalten nach derzeitigem Erkenntnisstand nur Automatenspieler und Casino-Spieler aufweisen. Es zieht aber daraus nicht die notwendigen Konsequenzen. Als vorgeschobenes Argument erscheint auch, dass die Spieler vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der Veranstalter geschützt werden müssen. Dieses Ziel ließe sich viel effektiver durch eine Begrenzung der Wetteinsätze erreichen, da damit die Verluste des Spielers begrenzt werden können", führt Graef aus. Sollten den Lippenbekenntnissen der Politiker zur Suchtbekämpfung wirklich gesetzgeberische Initiativen folgen, werde es nach Analysen der Rechtsanwälte Wulf Hambach und Hendrik Schöttle von der Kanzlei Hambach & Hambach für den staatlichen Anbieter ODDSET eng. Werbung sei für den Staatsmonopolisten nach dem Sportwettenurteil nur noch zum Zweck der Information und Aufklärung zulässig. Der staatliche Anbieter ODDSET müsste in diesem Fall unverzüglich Sponsoring der Fußball-WM 2006 einstellen und weitere aggressive Werbemaßnahmen einstellen. Zum Beispiel die Sponsoring-Verträge mit 15 Fußballvereinen der ersten Bundesliga einstellen. Im Weiteren ist auch das Internetangebot von ODDSET von dieser bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe betroffen: "Vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ist auch die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internetangebot der staatlichen Lotterieverwaltung bedenklich. Der Vertreter der Staatlichen Lotterieverwaltung hat in der mündlichen Verhandlung selbst dargelegt, dass sie sich über diesen Vertriebsweg, jedenfalls derzeit der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtigen Jugendschutz nicht effektiv verwirklichen lasse. Gleiches wird aber auch für die Nutzung von SMS gelten, die Sportwetten mittels Mobiltelefon jederzeit von jedem Ort aus grundsätzlich spielbar macht". Die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts dürften nach Auffassung von Hambach und Schöttle kaum die Rahmenbedingungen sein, unter denen ODDSET wirtschaftlich existieren kann. "Dennoch, die Richter haben keinen Zweifel daran gelassen, dass sie es ernst meinen. Eine unabhängige Kontrollinstanz, das Verbot von Werbung, soweit diese über die reine Information hinausgeht und das Verbot von Vertriebswegen, die Spieler- und Jugendschutz nicht ausreichend berücksichtigen – wie Internet, SMS, aber auch TV – das alles sind Faktoren, welche das derzeitige Auftreten der staatlichen Anbieter radikal beschneiden würden. Auch die bisher verfolgte expansive Vermarktungsstrategie müsste in diesem Fall aufgegeben werden", schreiben die Rechtsexperten. Als andere Möglichkeit bleibe dem Gesetzgeber, das Monopol aufzugeben und den Sportwettenmarkt zu liberalisieren. Dann müssten allerdings auch private Anbieter zugelassen werden, die den Staatlichen ein Stück vom Kuchen streitig machen. Doch es blieben noch andere Fragen offen. "So hat das Gericht entschieden, dass eine Neuregelung durch den Bundes- oder auch den Landesgesetzgeber in Frage kommt. Das aber wirft praktische Fragen auf: Während der Bundesgesetzgeber für Wirtschaftsrecht zuständig ist, obliegt dem Landesgesetzgeber die Kompetenz des Ordnungsrechts. Mit anderen Worten: Eine Öffnung des Marktes ist unter wirtschaftsrechtlichen Gesichtspunkten durch den Bund zulässig. Eine restriktive Regelung des Monopols wäre ordnungsrechtlich durch den Landesgesetzgeber vorzunehmen. Wer aber entscheidet die grundsätzlichere Frage, in welche Richtung es geht", fragen Hambach und Schöttle Nach allem dürfte klar geworden sein, dass die über die Presse kommunizierte Freude über die weitere Möglichkeit der Beibehaltung des Staatsmonopols nicht berechtigt ist. Vielmehr würde eine Beibehaltung des Monopols gleichbedeutend mit einem Rückfall von ODDSET in die Steinzeit der Sportwette sein. Schließlich schreibe nicht der Staatsmonopolist oder der Sportwettengesetzgeber die Gesetze des Sportwettenmarktes, sondern der Sportwettenmarkt seine Marktgesetze noch selbst, sei es nun der deutsche, der europäische oder der globale. Im heutigen Medienzeitalter wäre ein Sportwettenveranstalter wie Oddset, der so stark im operativen Geschäft beschränkt wäre, kaum überlebensfähig. "Das Werbeverbot ist ein Dilemma für den staatlichen Wettanbieter. Wenn er die Werbung einschränkt, bedeutet dies erhebliche Umsatzeinbussen nicht nur im Wettgeschäft, sondern insbesondere für das Lotto. Der Lotto-Bereich mit knapp 5,4 Milliarden Euro Umsatz ist jedoch erheblich wichtiger als die Sportwetten – hier setzt ODDSET nur 482 Millionen Euro im Jahr um. Ich gehe daher davon aus, dass der staatlicher Wettanbieter einer Liberalisierung zustimmen wird, um weiterhin Werbung auch für Lotto machen zu dürfen. Denn sonst müsste sogar die Liveübertragung der Lottozahlen als Werbung verboten werden. Meiner Erwartung nach wird es hier ähnlich wie in Europa laufen: Der Sportwettenmarkt wird liberalisiert, um so das Monopol für das Lotto-Geschäft zu wahren", prognostiziert Branchenkenner und Unternehmensberater Jens Leinert.
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