Kolumne
Wachstumstreiber, 31.07.2009
Perspektive Mittelstand
Marketing-Basics
Der Fluch der Egomanen
In den Vorstandsetagen deutscher DAX-Unternehmen scheint schon seit längerem ein hartnäckiger Virus um sich zu greifen. Sein Name: Egomanie. Eines seiner Symptome: Das erste Gebot in Sachen Marketing, sich stets auf den Kundennutzen zu konzentrieren, wird aus den Augen verloren und manchmal sogar ganz außer Kraft gesetzt.
„Ich gehe, um dem guten Ruf von Porsche nicht weiter Schaden zuzufügen“ – so die sinngemäßen Abschiedsworte von Wendelin Wiedeking. Gut gebrüllt Löwe, wenn auch leider etwas zu spät. Der „Schaden“ nahm seinen Anfang nämlich bereits vor längerer Zeit. Genauer gesagt da, als es dem „Esel zu wohl ging“ und Porsche neben der Kernkompetenz „exzellente, exklusive und hochgradig profitable Autos herzustellen“, den zusätzlichen Wunsch verspürte, mit Finanzen zu jonglieren und neue Ziele anzupeilen.

Hätte sich die Führungscrew damals auf ihren Kernauftrag besonnen und ihre Konzentration auf die klassische Marketingfrage „Nützt mein Handeln unseren Kunden?“ beschränkt, hätten alle darauf mit einem klaren NEIN antworten und die Finger von diesem größenwahnsinnigen Spielchen lassen müssen.

Eine simple Frage, die auch Mehdorn davor bewahrt hätte, seine Mitarbeiter auszuspionieren, und stattdessen den erfolgreichen Sanierungskurs der Deutschen Bahn fortzusetzen. Auch die Familie Schäffler hätte sich mit dieser Hilfestellung den Continental-Deal schenken können. Die echte Sanierung der Arcandor-Gruppe hätte schon viel früher starten können und die Mühlstein-Idee mit den teuer vermieteten Immobilien hätte sich von selbst verboten.

Aber warum scheint es manchmal so schwer zu sein, als Unternehmenslenker marketing-orientiert zu denken? Fehlt vielen dieses eigentlich grundlegende Wissen? Oder fehlt vielmehr die Bodenhaftung? Ist die Versuchung, dem Größenwahn zu erliegen, oft zu groß? Oder ist es nur der anfangs erwähnte „Esel, dem es zu wohl wird“, auf den sich die gesamte Finanzkrise zurückführen lässt? – Wahrscheinlich ist eine Mischung aus all diesen Gründen verantwortlich und dementsprechend schwer ist diesem Phänomen zu begegnen.

Das Problem: Alle Egomanen erreichen irgendwann einen Punkt, an dem sie – im blinden Vertrauen auf ihren Erfolg und ihre Macht – Scheuklappen aufziehen und die kaufmännische Grundtugend eines seriösen und vorsichtigen Geschäftsgebarens über Bord werfen. Da zu dieser Tugend auch eine gewisse „Geräuschlosigkeit“ zählt, gibt es ein untrügliches Zeichen dafür, dass jemand „den Weg des Egomanen“ geht: seine Lautstärke nimmt zu.

Statt hinter den Kulissen vernünftig, effizient und still nach Lösungen zu suchen, lassen „abgehobene“ Unternehmen, vertreten durch ihre Unternehmenslenker, tagtäglich ihre nichtssagenden Wasserstandsmeldungen über die PR-Klicker der Medienlandschaft verbreiten. Interessanterweise schaffen sie es dabei, diese jeweils als klitzekleine Erfolge zu inszenieren, obwohl es im Grunde genommen ein täglicher Ohnmachts-, wenn nicht sogar Unfähigkeitsbeweis ist. Statt in der Krise Größe zu zeigen, mit intelligenten, tragfähigen Lösungen zu überraschen, werden gekränkte Eitelkeiten präsentiert und öffentliche Machtkämpfe ausgetragen. Und die gleichen Medien, die zuvor dazu dienen mussten, um über vermeintliche Erfolge zu berichten, werden nun für die eigenen Zwecke eingesetzt und mit Fantasiemeldungen „zugeschüttet“.

Da achten die gleichen Unternehmenslenker über Jahre hinweg auf anspruchsvolle Werbung, investieren in eine werteorientierte Unternehmensführung, drucken ihre Geschäftsberichte auf Hochglanzpapier und dann treten sie die gesamte Corporate Identity und Culture mit Füßen, wenn es um den Erhalt ihrer Macht gibt. Statt vorher darüber nachzudenken, ob ihre Strategie überhaupt dazu passt.
 
Fazit: Auch die besten Unternehmenslenker sind nur Menschen. Sie machen vielleicht weniger Fehler als andere, aber dafür manchmal größere. Doch solange wir nicht anfangen, sie regelmäßig mit der Marketing-Gretchenfrage „nützt mein Handeln unseren Kunden?“ zu konfrontieren, vergeben wir die Chance, sie vor eigenen Fehlern zu bewahren. Und damit das wirksamste Mittel gegen den Fluch der Egomanen.

ZUM KOLUMNIST
Über Christian Kalkbrenner
Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Personal startete Christian Kalkbrenner 1986 seine Karriere als Trainee bei einem mittelständischen Weltmarktführer der Automobilzuliefererindustrie. Dort wurde er zunächst ...
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