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Fachartikel, 27.07.2015
Lean Management
Im Unternehmen eine Lean-Kultur verankern
Auf dem Papier bis ins Kleinste durchoptimierte Geschäftsprozesse und leistungsfähige IT-Systeme allein machen noch lange keine schlanke, effiziente Unternehmensorganisation. Lean Management erfordert auch eine auf Verankerung der „Lean“-Prinzipien in der Unternehmenskultur, zeigt eine Studie.
Bei vielen Unternehmen, die ein Lean Management in ihrer Organisation einführen möchten, haben die ergriffenen Initiativen keinen nachhaltigen Erfolg. Eine Ursache hierfür ist: Häufig führen Unternehmen  Methoden und Tools zum Schaffen effizienter Prozesse ein, bevor in ihrer Organisation die erforderliche Kultur besteht, um die Abläufe kontinuierlich zu verbessern. Entsprechend instabil sind die Verbesserungsprozesse.

Deshalb startete das Beratungsunternehmen Kudernatsch Consulting & Solutions eine Studie, um zu ermitteln, inwieweit in den „lean-aktiven“ Unternehmen bereits eine Lean-Kultur besteht und wie hoch der Lean-Reifegrad ihrer Organisation ist. Dies sollte bezogen auf folgende drei Ebenen beurteilt werden:
  • Vision, Strategie, Ziele, Kundenfokus,
  • Prozesse und kontinuierliche Verbesserung sowie
  • Leadership und Problemlösung.
Hierfür wurden 15 Fragen formuliert, die von den Unternehmen in einem Selbsttest beantwortet werden sollten. Dabei wurde ihnen folgende Antwortskala vorgegeben:  
  • 1 = kritische Lücke
  • 2 = größere Lücke
  • 3 = einige ernste Lücken
  • 4 = kleinere Lücken
  • 5 = wir sind angekommen

Der angestrebte Idealzustand wurde wie folgt beschrieben:

  • Ebene 1: Vision, Strategie, Ziele, Kundenfokus. Das Unternehmen hat eine klare Vision, auf die das gesamte Handeln ausgerichtet ist. Die Strategien werden konsequent verfolgt sowie weiterentwickelt und fußen auf einfachen Prinzipien. Auf kurzfristige Vorteile wird im Interesse der langfristigen Ziele verzichtet. Die Unternehmensziele sind durchgängig top-down über alle Ebenen heruntergebrochen und bereichsübergreifend abgestimmt. Der Kundennutzen ist der Maßstab bei jeder Prozessgestaltung.
  • Ebene 2: Prozesse und kontinuierliche Verbesserung. Alle nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten sind abgeschafft. Aufgrund der flussorientierten Prozessgestaltung werden Abweichungen und Probleme sofort sichtbar und verständlich. Sie werden priorisiert und auf der Basis des PDCA-Zyklus bearbeitet. Auf allen Ebenen erfolgt ein konsequentes, fortwährendes Lernen. Der Stand der Zielerreichung wird mittels eines Shopfloor-Managements regelmäßig überprüft – und zwar auf allen Ebenen zeitlich aufeinander abgestimmt. Für alle Prozesse gibt es definierte Standards, die primär als Tool zum Festlegen neuer Leistungslevels und als Basis für eine kontinuierliche Verbesserung dienen.
  • Ebene 3: Leadership und Problemlösung. Die Führungskräfte leben Disziplin vor. Sie übersetzen die Unternehmenswerte in ihre Führungspraktiken, reflektieren ihre Verhaltensweisen und entwickeln sich weiter. Sie sind auf allen Ebenen regelmäßig am Ort des Geschehens („go and see“). Sie beherrschen die Lean-Methoden und Tools zur Prozessverbesserung. Sie stehen ihren Mitarbeitern bei ihren Tätigkeiten unterstützend als Coach zur Seite. Probleme werden ohne Schuldzuweisung offengelegt und als Chance für eine kontinuierliche Verbesserung gesehen. Und bei der Auswahl der Führungskräfte sind zentrale Auswahlkriterien das Vorleben der Unternehmenswerte, das Umsetzen der Werte in Business Practices und ein Führungsverständnis, das der angestrebten Lean Leadership-Kultur entspricht.


732 (Lean-)Manager befragt


An der Befragung nahmen branchenübergreifend 732 Führungskräfte und Projektmanager aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Von ihnen beurteilten die meisten das gesamte Unternehmen (33 %) oder einen Standort von ihm (34 %). Der Rest betrachtete einen Bereich. Von den betrachteten Unternehmen und Unternehmenseinheiten hatten knapp 40 Prozent 200 bis 999, 20 Prozent 1000 bis 4999 und 7 Prozent sogar mehr als 5000 Mitarbeiter. Die meisten Unternehmen waren bereits recht „lean-erfahren“. 30 Prozent von ihnen sind seit 2 bis 4 Jahren im Lean-Bereich aktiv; 32 Prozent sogar seit 5 bis 9 Jahren.

Die Studienergebnisse im Detail

Ebene 1: Vision, Strategie, Ziele, Kundenfokus

Die Befragungsergebnisse zeigen: Vielen Unternehmen fällt es bereits schwer, eine Vision in ihrer Organisation zu etablieren, „auf die alle Ziele und das gesamte Handeln ausgerichtet sind“. Über die Hälfte gibt an, diesbezüglich gebe es in ihrer Organisation „einige ernste“ (30 %) oder gar „größere Lücken“ (21 %). Und 6 Prozent bewerten die Lücke sogar als „kritisch“. Das heißt, in den betreffenden Unternehmen existieren weder eine Vision, noch hieraus abgeleitete Ziele.

Ein zentrales Manko scheint zu sein, dass die Strategie oft nicht konsequent verfolgt und weiterentwickelt wird; außerdem, dass die langfristigen Ziele im Tagesgeschäft in Vergessenheit geraten. Dies legt der Befund nah, dass fast zwei Drittel der Unternehmen diesbezüglich über das Vorhandensein  „einiger ernster“ (40 %) oder „größerer Lücken“ (22 %) klagen. 9 Prozent der Unternehmen erachten diese Lücke gar als „kritisch“.

Ein weiteres Problemfeld ist, dass die Unternehmensziele zu selten durchgängig top-down über alle Ebenen heruntergebrochen und bereichsübergreifend (cross-funktional) abgestimmt sind. Hier gibt es in 33 Prozent der Unternehmen „einige ernste“ und in 29 Prozent gar „größere Lücken. Defizite gibt es auch bei der Ausrichtung auf die Kunden. Fast zwei Drittel der Studienteilnehmer sehen diesbezüglich in ihrer Organisation „einige ernste“ (41 %) oder gar „größere Lücken“ (24 %).

Ebene 2: Prozesse und kontinuierliche Verbesserung

Viele Unternehmen haben massive Probleme beim Verankern einer Lean-Kultur in ihrer Organisation. Das zeigt sich unter anderem beim Beantworten der Frage, inwieweit alle nicht wert-schöpfenden Tätigkeiten unmittelbar erkannt und abgeschafft werden. Über zwei Drittel der Unternehmen sehen hier „einige ernste“  (24 %) oder gar „größere Lücken (43 %)  Und erstaunliche 16 Prozent erachten die Lücke gar als „kritisch“.

Eine Ursache hierfür ist, dass in vielen Unternehmen erkannte Abweichungen und Probleme nicht priorisiert und auf der Basis des PDCA-Zyklus bearbeitet werden; außerdem erfolgt kein konsequentes, fortwährendes Lernen auf allen Ebenen, das zu einer kontinuierlichen Verbesserung führt. Dass in diesem Bereich „einige ernste“ oder gar „größere Lücken“ bestehen, betonen 63 Prozent der Unternehmen. Und weitere 17 Prozent erachten die Lücke gar als „kritisch“.

Ebene 3: Leadership und Problemlösung

Beim Etablieren einer Lean-Kultur in Unternehmen spielen die Führungskräfte eine Schlüsselrolle, denn sie prägen die Arbeitsstrukturen in ihren Bereichen und sind Vorbilder für ihre Mitarbeiter. Damit die Führungskräfte diese Funktion adäquat erfüllen können, müssen sie die Unternehmenswerte in ihre Führungspraktiken übertragen. Außerdem müssen sie ihr Führungsverhalten reflektieren und weiter entwickeln, so dass auch ihre Coaching-Kompetenzen steigen. In diesem Bereich konstatieren fast zwei Drittel der Unternehmen noch „einige ernste“ (35 %) oder gar „größere Lücken“ (30 %). Das heißt, es existieren zwar erste Ansätze von Lean Leadership jedoch meist nur auf den oberen Ebenen. Zudem agieren die Führungskräfte noch zu wenig als Coach ihrer Mitarbeiter.

Eine Ursache hierfür dürfte sein: Die Führungskräfte sind oft nicht ausreichend in der Anwendung des PDCA-Zyklus geschult sind und beherrschen die disziplinierte Problemlösung (z.B. auf Basis des A3-Reports) nicht.  Ein weiterer Schwachpunkt sind die Kriterien, nach denen die Auswahl der Führungs(nachwuchs)kräfte erfolgt. Häufig korrespondieren diese nicht mit den Eigenschaften und Verhaltensweisen, die das Einführen und Verankern einer Lean Kultur von den Führungskräften erfordern. Zumindest betonen 59 Prozent der Unternehmen, in ihrer Organisation gebe es noch „ernste“ oder „größere“ Lücken, wenn es darum gehe, die angestrebte Entwicklung einer Lean Leadership-Kultur mit der Nachfolgeplanung und Personalauswahl zu verknüpfen. 20 Prozent der Unternehmen sehen hier gar eine „kritische“ Lücke.

Der Lean-Reifegrad der Unternehmen

Aufgrund der Selbstbeurteilung der Unternehmen wurde in der Studie auch ihr Lean-Reifegrad ermittelt. Hierfür wurden ihnen abhängig von ihren Antworten auf die einzelnen Fragen jeweils 1 bis 5 Punkte gegeben („kritische Lücke“ = 1 Punkt, „größere Lücke“ = 2 Punkte, ….., „angekommen“ = 5 Punkte). Aufgrund der Gesamtzahl der Punkte erfolgte dann eine Zuordnung zu folgenden fünf Reifegrad-Stufen:

  • Reifegrad 1: Das Unternehmen befindet sich am Anfang der Lean-Reise.
  • Reifegrad 2: Die Verankerung einer KVP- und Lean-Kultur weist noch größere Lücken auf.
  • Reifegrad 3: Es gibt noch einige ernstzunehmende Lücken auf dem Weg zu einer KVP- und Lean-Kultur.
  • Reifegrad 4:  Die Organisation ist auf dem besten Weg zu einer KVP- und Lean-Kultur.
  • Reifegrad 5: Das Unternehmen kann als Best Practice bezeichnet werden.

Die Einstufung ergab: Circa 38 Prozent der Unternehmen befinden sich, wenn es um den Aufbau einer Lean-Kultur geht, noch weitgehend am Beginn der Entwicklung. Sie haben entweder den Reifegrad 1 oder 2 (es dominieren noch die „kritischen“ oder „größeren Lücken“). Etwa 57 Prozent haben bezogen auf den angestrebten Kulturwandel bereits eine beachtliche Wegstrecke zurückgelegt. Sie haben entweder den Reifegrad 3 oder 4 (dominierende Antworten: „einige ernste“ oder „kleinere Lücken“). Nur fünf Prozent sind bereits am Entwicklungsziel angekommen, Reifegrad 5, und können als Best-Practices beim Aufbau und Etablieren einer Lean-Kultur in Unternehmen gelten.

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ZUM AUTOR
Über Dr. Daniela Kudernatsch
KUDERNATSCH Corporate Consulting & Solutions
Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions in Straßlach bei München, die Unternehmen beim Umsetzen ihrer Strategie im Betriebsalltag unterstützt. Die promovierte ...
KUDERNATSCH Corporate Consulting & Solutions
Fußsteinerstraße 3b
82064 Straßlach b. München

+49-8170-92233
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