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Pressemitteilung

Körpersprache im Unterricht

Körpersprache nimmt gerade in der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden einen hohen Stellenwert ein. Das ist das Ergebnis eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF, das seinen Fokus auf die verborgenen Seiten des Unterrichts lenkte.
(PM) Wien, 06.09.2016 - Ein ermunterndes Lächeln, skeptisches Stirnrunzeln, ablehnendes Kopfschütteln: Körpersprache ist vielfältig und wirkt. Die Hirnforschung hat das mit der Entdeckung der Spiegelneuronen wissenschaftlich belegt, indem sie aufzeigte, wie diese Nervenzellen die Handlungen eines Gegenübers, wie zum Beispiel ein Lachen, in etwas selbst Erlebtes übertragen.

Besonders im Unterricht herrscht ständige Interaktion zwischen Lehrenden und Schülerinnen und Schülern. Den in der Regel unbeachteten Faktoren wie Gestik, Mimik oder physische Erscheinung kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu, wie Erziehungswissenschafter und -wissenschafterinnen der Universität Graz in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF nun erstmals untersucht haben. Bernd Hackl, der Leiter des Instituts für Schulpädagogik und sein Team verfolgten die Frage, welche Rolle der körperliche Ausdruck von Lehrpersonen im Schulunterricht spielt. Dafür haben sie in einem Zeitraum von drei Jahren Unterrichtseinheiten per Video aufgezeichnet, anschließend interpretiert und als Fallstudien aufbereitet. "Die körperliche Präsenz der Lehrenden spielt im Unterricht eine enorm große Rolle", bringt Bernd Hackl die Untersuchungsergebnisse auf den Punkt. "Es ist die Körpersprache der Lehrenden, die den Unterricht glaubwürdig macht und darüber entscheidet, ob Lernprozesse entweder ausgelöst werden können oder eben auch nicht", so Hackl. Kurzum, ein gelingender Unterricht steht und fällt mit der Präsenz der Lehrpersonen und der Lernsituationen, die sie im Unterricht schaffen.

Auf der Schul-Bühne überzeugen

Projektleiter Hackl vergleicht das Unterrichten mit einer Theateraufführung. Wenn sich beide auch in manchen Punkten unterscheiden würden, gehe es sowohl in der Schule als auch auf der Bühne um eine glaubwürdige Inszenierung des Inhalts, so der Forscher. Lehrerinnen und Lehrer müssten, genauso wie Schauspielerinnen und Schauspieler, ihre Aufgabe in physischer Präsenz und Interaktion erfüllen, ein schwer kalkulierbares Publikum gewinnen und das in einem vorgegebenen knappen Zeitrahmen erfüllen. Dazu braucht es Überzeugung, ein professionelles Rollenverständnis und eine anerkennende Haltung gegenüber den Lernenden. Um die Vielfalt der körperlichen Inszenierungsfacetten fassen zu können, hat die Forschergruppe um Hackl zunächst vier pädagogische Aufgaben des Unterrichts auf Basis der Video-Analysen identifiziert. Diese sind: eine entspannte Lernsituation zu ermöglichen, die Lernenden in eine kooperative schulische Alltagspraxis zu integrieren, bereits bestehendes Wissen und Können zu hinterfragen und dieses schließlich zu demonstrieren und dadurch nachvollziehbar zu machen.

Spannungsverhältnisse

Der Schulpädagoge erklärt, dass sich diese Aufgaben an einer Idealnorm gelingenden Unterrichts orientieren und diese im Schulalltag oft nicht vereinbar ist mit den formalen und gesellschaftlichen Anforderungen an das Schulsystem. "In diesen Widerspruchsverhältnissen kommt es dann zu den unterschiedlichsten Handlungsweisen der Lehrenden und schlimmstenfalls zu Stagnation", erklärt Hackl. Konkret hat das Grazer Forschungsteam mehrere typische Strategien in dem FWF-Grundlagenprojekt ausgemacht, zwischen denen die Lehrenden im Unterricht pendeln, um Anforderungen zu genügen, die in Wahrheit nicht gleichzeitig zu erfüllen sind. Dies äußert sich dann auch im körperlichen Ausdruck, indem zum Beispiel Dinge überspielt werden, um ein Gleichgewicht herzustellen. "Gesagtes und Körpersprache driften dann auseinander und das spüren die Schülerinnen und Schüler", betont Hackl. Mit der Folge, dass beide Seiten genervt oder frustriert sind und sich schließlich voneinander entfernen.

Handlungsmuster

Erfüllen Lehrende die vier zuvor genannten Funktionen des Unterrichts, fördern sie also, anders formuliert, die Autonomie der Heranwachsenden, dann sprechen die Forscherinnen und Forscher von pädagogischem Engagement. Der Lehrende ist authentisch, überzeugend, motiviert und schafft einen offenen Lernraum, kurzum, ermöglicht einen gelingenden Unterricht. "Das ist allerdings die Ausnahme", berichtet Hackl von seinen Beobachtungen. "Was wir heute zunehmend beobachten, ist, dass Lehrende auf opportunistische, administrative oder ökonomische Arrangements orientiert sind." Das bedeutet, dass sie Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen, dass Leistungen als eine Art Tauschgeschäft mit Noten belohnt oder bestraft werden, dass Unterricht immer öfter als "Edutainment" inszeniert und unter das Motto gestellt wird: "Tust du mir nichts, tu' ich dir auch nichts." In solchen Fällen lässt sich durch eine präzise Analyse der videografischen Aufzeichnungen häufig ein weniger authentisches körperliches Auftreten der Lehrerinnen und Lehrer nachweisen. Die Schülerinnen und Schüler können diesen Umstand zwar nicht bewusst erfassen oder gar benennen, sie spüren ihn aber und ziehen sich aus den Lernaktivitäten unmotiviert zurück.
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