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Barduhn Rechtsanwälte Strafverteidiger
Pressemitteilung

Beweisverwertungsverbot bei Anordnung von Blutproben durch Polizisten ohne Gefahr im Verzug

(PM) , 26.04.2009 - Ordnet ein Polizeibeamter die Entnahme einer Blutprobe an, ohne dass Gefahr im Verzug vorliegt, und begründet er diese Verfahrensweise als „der langjährigen Praxis entsprechend“, so liegt eine so grobe Verkennung der Eilzuständigkeit vor, dass die entnommene Blutprobe nicht zu Beweiszwecken verwertet werden darf.

§ 81 a der Strafprozessordnung (StPO) gestattet es dem Ermittlungsrichter, zur Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind – so beispielsweise die Alkoholkonzentration im Blutkreislauf des kraftfahrenden Bürgers – eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten anzuordnen. Eine solche Anordnung hat nach der gesetzlichen Konzeption des § 81 a Absatz 2 StPO der Ermittlungsrichter treffen. Erst dann, wenn „bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung“ ein Ermittlungsrichter nicht zu erreichen ist, dürfen auch Staatsanwälte und Polizeibeamten als „Ermittlungspersonen“ der Staatsanwaltschaft die Anordnung einer solchen körperlichen Untersuchung, meist eben Blutentnahmen, treffen.

Die polizeiliche Praxis sah und sieht meistenteils freilich anders aus: Es schert einige Polizeibeamten wenig, was in der Strafprozessordnung steht, es werden der Einfachheit halber ohne Rücksprache mit dem zuständigen Ermittlungsrichter in eigener Herrlichkeit körperliche Untersuchungen in Form von Blutentnahmen angeordnet, wie es gerade passt und gefällt. Begründet wird diese Vorgehensweise von den Polizeibeamten auch nach der Erfahrung der in unserem Hause als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwälte mit dem wenig treffsicheren Argument, man sei seitens der Polizei „schon immer so“ verfahren.
Dann hat die Polizei es „schon immer so“ falsch gemacht.

Das hat das Oberlandesgericht Hamm nun in einem Revisionsurteil vom 12. März 2009 (3 Ss 31/09 OLG Hamm) erfreulich deutlich zum Ausdruck gebracht:
Ein Jugendlicher überfuhr, nachdem er am Maifeiertag in erheblichem Maße dem Alkohol zugesprochen hatte, einen Zaun und ein Verkehrsschild, steuerte seinen Wagen dennoch zum elterlichen Haus, wo er sich schlafen legte. Die um 20.08 Uhr auf Anordnung eines Polizeibeamten entnommene Blutprobe ergab einen BAK- (Blutalkoholkonzentration-) Wert von 2,6 Promille. Der Polizeibeamte ordnete die körperliche Untersuchung in Form der Blutentnahme eigenmächtig an, ein Ermittlungsrichter wurde nicht eingeschaltet. Der Polizeibeamte begründete diese Vorgehensweise damit, dass es „langjährige Praxis sei“, diese körperlichen Untersuchungen selbst anzuordnen.

Das OLG Hamm urteilte, es sei gleichgültig, ob beim „zuständigen Amtsgericht Lemgo am 1. Mai 2008 zum Zeitpunkt der Anordnung der Blutentnahme ein richterlicher Eildienst bestand. Denn entweder hat der die Blutprobenentnahme anordnende Polizeibeamte gegen den Richtervorbehalt verstoßen, in dem er - trotz bestehenden richterlichen Eildienstes - nicht versucht hat, dessen Anordnung einzuholen, oder es liegt ein justizseitiger Verstoß (des Präsidiums oder des Eildienstrichters) vor, weil ein richterlicher Eildienst nicht eingerichtet war, obwohl er hätte eingerichtet sein müssen.“

Auf den Einwand der Generalstaatsanwaltschaft, es habe eine Alkoholisierung in der Nähe der strafrechtlichen Grenzwerte vorgelegen, was für eine Gefahr im Verzug spräche, kontert das OLG Hamm, es lag hier keine Gefahr im Verzug (oder, wie es in § 81 a Abs. 2 StPO heißt: „Gefährdung des Untersuchungszwecks durch Verzögerung“) vor, da bei dem vorliegenden, einfach gelagerten Sachverhalt eine nennenswerte Verzögerung durch Einholung einer (telefonischen) richterlichen Anordnung, die zu einem Beweismittelverlust hätte führen können, nicht erkennbar ist.

Der Verstoß gegen das Gebot des § 81 a StPO, dass lediglich ein Richter – und kein Polizeibeamter - unter gewöhnlichen Umständen eine körperliche Untersuchung anordnen darf, führte nach – begrüßenswerter – Auffassung des OLG Hamm zu einem Verwertungsverbot bezüglich des Blutalkoholgutachtens.

Diese Entscheidung hat eine gewichtige Tragweite. Eine Blutentnahme gegen den Willen des Beschuldigten ist ein erheblicher körperlicher Eingriff, da der Beschuldigte mit körperlicher Gewalt zur Duldung gezwungen werden kann. Und im Falle seiner Weigerung gezwungen werden muss. Auch kann der Beschuldigte in der konkreten Situation nicht tatsächlich überprüfen, ob der Blutabnehmende wirklich ein Arzt, wie es die Strafprozessordnung vorschreibt, oder ein Pfleger oder der Hausmeister der Polizeiwache ist. Auch kann der juristische Laie nicht wissen, ob und welche Untersuchungen er dulden muss – Polizeibeamte wissen dies im Übrigen auch nicht immer.
Wegen all dieser Unwägbarkeiten hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die Anordnung eines solch massiven Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht jedem x-beliebigen Streifenpolizisten zu überlassen, sondern festgelegt, dass die Entscheidung darüber, ob ein solcher Eingriff unter den konkreten Umständen erfolgen soll oder nicht, von einem ausgebildeten und unabhängigen Juristen, nämlich dem Ermittlungsrichter, getroffen werden soll. Daran sollte sich auch die Polizei halten.

Martin Barduhn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Frankfurt am Main

Hier bkeommen Sie weitere Informationen zu unserer Kanzlei für Strafrecht in Frankfurt am Main: www.die-strafverteidiger-frankfurt.de/anwalt/strafverteidiger_team.php
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