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Fachartikel, 03.02.2009
IT
Technisch-funktionale Stolperfallen bei der E-Mail-Archivierung
Die wachsende Sensibilisierung für rechtliche Anforderungen und die zunehmende Belastung der E-Mail-Infrastruktur in Unternehmen sind die wesentlichen Triebfedern für den Markt für E-Mail Management und E-Mail-Archivierung. Gleichzeitig wird das Lösungsangebot immer vielfältiger und aus Anwendersicht immer undurchsichtiger. Hinzu kommt, dass zentrale Stolpersteine bei Mail-Archivierung häufig übersehen und erst dann erkannt werden, wenn es schon zu spät ist.
Eine E-Mail ist nicht nur einfach eine andere Dokumentart. Die Art und Weise der Mailnutzung und ihrer Rahmenbedingungen unterscheidet das Thema fundamental von anderen Archivierungsthemen im Markt für Document Management (DMS) und Enterprise Content Management Systeme (ECM). Trotzdem sind Anwender gezwungen, die verschiedenen Content-Inseln zu integrieren, weil es keinen Sinn macht, ein Archiv für Eingangspost, ein anderes für Mail und dann vielleicht noch andere Archive für andere Unterlagen oder Dateien zu betreiben. Idealerweise hätte der Anwender gerne eine homogene Content-Infrastruktur, die auch die Mail-Archivierung einschließt.

Triebkraft Nr. 1: Regulatorische Anforderungen

Aus Sicht des HGB (Handelsgesetzbuches) ist nur die Pflicht zur ordnungsgemäßen, unveränderbaren Aufbewahrung von Mail-Inhalten, die als Handelsbrief gelten, abzuleiten. Steuerrechtlich betrachtet gibt es jedoch Archivierungsanforderungen, die aus dem geänderten § 147 der AO (Abgabenordnung) und erläutert in den GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) abzuleiten sind.

In der Regel ist davon jedoch nur ein geringer Anteil aller E-Mails im Unternehmen betroffen- die Verpflichtung zur vollständigen E-Mail-Archivierung ist weder aus dem HGB noch den GDPdU noch aus den GoBS (Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme) ableitbar. In vielen Fällen treibt eher pures Eigeninteresse ein Unternehmen, eine Mail zu archivieren. Im Vordergrund steht immer das Selbstqualifizierungsrecht jedes Unternehmens zu entscheiden, welche Unterlagen über welchen Zeitraum aufbewahrt werden müssen.

Triebkraft Nr. 2: Systementlastung

Oft kommt die Initiative zur E-Mail-Archivierung aus der IT. Aufgrund wachsender Datenbanken von Mailsystemen kann im Extremfall eine konsistente Sicherung nicht mehr im zugesagten Zeitfenster (z. B. über das Wochenende) zugesichert werden.

Eine systemgetriebene Mail-Archivierung zur Entlastung von Mail-Datenbanken kann die  Administration des Mailsystems erleichtern und Benutzern eine quasi „unlimitierte Mail-Box" verschaffen. Es stellt sich allerdings die Frage nach dem Umgang mit den so entsorgten E-Mail-Daten. Das immer größer werdende – ebenfalls kostenbehaftete - Mail-Archiv muss irgendwann ebenfalls (durch Löschen) wieder bereinigt werden.

Triebkraft Nr. 3: Wiederherstellung der Auskunftsfähigkeit

Bei vielen Unternehmen findet sich die Problematik, dass Vorgänge aufgrund fehlender Unterlagen – gerade in Form von Mail-Kommunikation – nicht mehr nachvollziehbar sind oder teilweise erheblichen Mehraufwand verursachen. Eine wichtige per Mail versandte Absprache eines in Urlaub befindlichen Vertriebskollegen ist aufgrund individueller Ablagesystematiken (Papier-, Dateisystem-, Mailsystemordner) nicht zeitnah auffindbar. Idealerweise sollte dazu eine zentrale strukturierte elektronische Ablage als Kundenordner - auch für solche E-Mails – genutzt werden können.

Unterschiedliche Systemkonzepte und –funktionen

Der Markt bietet momentan drei unterschiedliche Systemkonzepte zur Mail-Archivierung an:

  • Mail Appliance: Vorkonfigurierte Lösung inkl. Hardware-Komponenten mit Standard-Funktionalität und Schwerpunkt auf einer systemgetriebenen Mail-Archivierung.
  • Mail-Archiv: Funktional rein auf die E-Mail-Archivierung ausgerichtete Softwarelösung ohne vorkonfigurierte Hardware-Komponenten.
  • Mail-Archiv, erweiterbar mit DMS-Funktionen: Lösung zur E-Mail-Archivierung, die mit herstellereigenen Komponenten zur Nutzung von DMS-typischen Funktionen zur allgemeinen Dokumentenverwaltung, Aktenverwaltung, Postkorb, etc. erweitert werden kann.

Für eine vollumfängliche Archivierung aller Mails in Kopie aus Compliance- oder Risikogründen ergeben sich z.B. mehrere Optionen. Wird bereits eine DMS-Lösung im Unternehmen eingesetzt, könnte dort eine Erweiterung um eine Mail-Archivierung in Frage kommen. Alternativ könnte ein rein auf die Mail-Archivierung ausgerichtetes Produkt bessere Funktionalität zu niedrigeren Kosten bieten.

Die Entscheidungsgrundlagen für ein Systemkonzept basieren immer auf den unternehmensspezifischen, fachlichen und funktionalen Anforderungen zur E-Mail-Archivierung. Die folgende Übersichtstabelle zeigt einige typische Merkmale der dargestellten Lösungsansätze zur E-Mail-Archivierung im Vergleich.

Merkmale: E-Mail-Appliance

  • Hardware inkl. aller benötigten Infrastruktur-Komponenten: Ja
  • Speicherprinzip für Mails: Kopie
  • Formatkonvertierung von Mails (z.B. PDF): i.d.R. Nein
  • Verwaltung von "Nicht-Mail-Dokumenten": Nein
  • Offline-Nutzung: Nein
  • Anpassbarkeit der Benutzeroberfläche: i.d.R. Nein
  • Zusätzlich benötigte Komponenten: Keine
  • Optionen für direkte Integration in unterschiedliche Speichertechnologien: i.d.R. Nein

Merkmale: E-Mail-Archiv

  • Hardware inkl. aller benötigten Infrastruktur-Komponenten: Nein
  • Speicherprinzip für Mails: oft Kopie oder Ersetzen durch Link
  • Formatkonvertierung von Mails (z.B. PDF): i.d.R. Nein
  • Verwaltung von "Nicht-Mail-Dokumenten": i.d.R. Nein, manchmal als Dateispeicher nutzbar
  • Offline-Nutzung: manchmal
  • Anpassbarkeit der Benutzeroberfläche: i.d.R. Nein
  • Zusätzlich benötigte Komponenten: Server, Storage, ggf. Datenbank
  • Optionen für direkte Integration in unterschiedliche Speichertechnologien: manchmal

Merkmale: E-Mail-Archiv mit DMS-Option

  • Hardware inkl. aller benötigten Infrastruktur-Komponenten: Nein
  • Speicherprinzip für Mails: oft Kopie oder Ersetzen durch Link
  • Formatkonvertierung von Mails (z.B. PDF): Manchmal
  • Verwaltung von "Nicht-Mail-Dokumenten": Ja
  • Offline-Nutzung: manchmal
  • Anpassbarkeit der Benutzeroberfläche: Hoch
  • Zusätzlich benötigte Komponenten: Server, Storage, DMS, Datenbank
  • Optionen für direkte Integration in unterschiedliche Speichertechnologien: Ja

Kategorien der E-Mail-Archivierung

Mail-Archivierung lässt sich je nach Anforderungen in unterschiedliche Kategorien einteilen. Nachfolgend hierzu ein Überblick.

Handlungsoption 1: Alles archivieren

Aus regulatorischen Gründen hat sich diese Variante als erste Mail-Archiv-Lösung bereits weit verbreitet. Hierbei geht es für das Unternehmen darum, eine maximale gerichtsbelastbare Auskunftsfähigkeit zu erreichen, ohne vorher schon wissen zu können, in welchem Zusammenhang diese Notwendigkeit entsteht. Es geht also nicht um bestimmte Projekte, Vertragsabschlüsse oder Mitarbeiter. Es geht darum, dass ein Dritter einen Sachverhalt behauptet, den man nur entkräften kann, indem man nicht nur die dafür notwendigen Dokumente beschafft sondern WICHTIG, indem man beweisen kann, dass man andere Dokumente nicht absichtlich oder versehentlich NICHT vorgelegt hat. Man muss die Vollständigkeit beweisen, wenn aus dem Mangel der Vollständigkeit ein juristisches Risiko entsteht. Mit anderen Worten: Die Aufforderung des Gerichts zu belegen, dass der Mitarbeiter KEINE Insiderinformationen an die eigene Verwandtschaft gemailt hat lässt sich natürlich nicht durch ein einziges Dokument belegen, sondern nur durch die belastbare Darstellung, dass sämtliche ein- und ausgehende ggf. auch interne Mail archiviert wird und sich eben trotz dieser 100%-igen Archivierung kein einziges Dokument findet, welches den Verdacht des Insiderhandels untermauern kann. Solche Archive werden häufig Compliance-Archive genannt, was ein wenig irreführend ist, da auch die selektive Archivierung von Mails durchaus durch regulatorische Anforderungen begründet sein kann. Weiterhin zu beachten ist, dass der Ansatz „Alles archivieren“ immer nach einer klaren Regelung zum Umgang mit privaten E-Mails verlangt.

Doch was bedeutet „Alles“? „Alles“ ist ein relativer Begriff. Das Unternehmen muss entscheiden, was genau es unter „Alles“ versteht. Soll die Archivierung vor oder nach dem Spam- und Virenfilter ansetzen? Wenn danach, könnte es – nicht nur theoretisch - Antragsgegner geben, die behaupten, dass ein Filter absichtlich oder versehentlich so eingestellt war, dass das Mail zwar rechtzeitig und vertragswirksam dem Unternehmen zugegangen sei, dann aber nicht weitergeleitet wurde. Und auf die Einstellung der Filter beim E-Mail-Empfänger hat der Absender keinen Einfluss. Er darf also bei geschäftlicher Mail davon ausgehen, dass der „Briefkasten“ ordnungsgemäß geleert wird und das Mail rechtswirksam zugegangen ist. In der Praxis führt das dazu, dass einige Firmen eine Policy haben, sämtliche Mails VOR dem Spam-Filter als Kopie zu archivieren. Es gilt dann das Motto: Speicherplatz ist billiger als ein verlorener Prozess. Wichtiger Punkt bei dieser Form der Archivierung: Es muss auf alle Fälle das zum frühestmöglichen Zeitpunkt verfügbare Mail-Format abgelegt werden. Eine Konvertierung in TIFF oder PDF ist erlaubt, aber nur als zusätzliche Version (auf die häufig unterschätzten Probleme bei der Konvertierung gehen wir in u.a. Absatz ein) mit folgender Begründung: Auch hier könnte ein böswilliger Dritter behaupten, dass die ursprüngliche Mail weitere Anhänge enthielt, das MS Excel-Sheet nicht A4 hoch, sondern A3 quer formatiert war, wodurch relevante Informationen an irgendeiner Stelle im Rendition-Prozess verloren gegangen sind.

Handlungsoption 2: Regelbasierte Archivierung einer Teilmenge

Sollen nur Teile der gesamten Mail-Kommunikation archiviert werden, erfolgt dies über die Definition von Kriterien. Diese können inhaltlicher Natur sein, um bspw. über die Empfängeradresse nur alle eingehenden Mails für die Schadensabteilung per Default automatisch zu archivieren. Die Regeln können auch zeitlich oder ereignisgesteuert arbeiten. Typisch dafür ist eine Archivierung von Mails aus Postfächern, sobald diese eine bestimmte Speichergröße im Mailsystem überschritten haben. Die Vorteile einer System-getrieben Archivierung liegen in der Tatsache, dass die Anwender eines Mailsystems sich nicht um die Archivierung kümmern müssen, sondern das System dies im Hintergrund erledigt. In Bezug auf die fachliche und sachlogische Strukturierung von Mails im Mail-Archiv sind aus der Erfahrung allerdings Grenzen gesetzt, da über das Regelwerk nur die Systemfelder einer Mail für eine Indizierung sinnvoll ausgewertet und für die spätere strukturierte Suche im Mail-Archiv verwendet werden können. Eine zusätzliche Volltextindizierung von Mails und deren Anhängen ist bei den meisten Mail-Archiven möglich, kann aber später bei zig-Millionen von archivierten Mails zu einer großen Trefferliste – ähnlich wie in Google – führen. Problem ist hier: Wie findet man trotz Volltextindizierung eine Mail zu einer bestimmten Kunden- oder Vertragsnummer wenn diese weder im Mail-Header noch im Mailbody oder in Anhängen enthalten war.

Handlungsoption 3: Selektive Archivierung

Manchmal wird dieses Verfahren auch qualifizierte oder Anwender-getriebene Archivierung genannt. Das Prinzip ist folgendes: der Anwender entscheidet nach einer Sichtung einer Mail individuell aufgrund fachlicher oder Geschäftsprozess-bedingter Zusammenhänge, firmenspezifischer Vorgaben, etc. ob eine Mail vollständig oder nur einzelne relevante Anhänge in einem Mail-Archiv abgelegt werden sollen. Es besteht die Anforderung, diese Mails in den jeweiligen fachlichen Kontext einer elektronischen Akte zu bringen.

Jeder Hersteller hat eigene Vorstellungen und Philosophien über den Komfort und die Möglichkeiten, wie ein Anwender eine E-Mail in ein Mail-Archiv ablegen oder in eine elektronische Akte speichern kann – einen Standard gibt es nicht. Bei einem synchronen Verfahren bekommt der Anwender ein sofortiges Feedback über den Erfolg oder Misserfolg der Archivierung. Findet bei der Speicherung gleichzeitig eine Konvertierung auf dem Client statt (z.B.TIFF-/PDF-Drucker), kann der gesamte Vorgang einen für Anwender inakzeptablen Zeitraum in Anspruch nehmen. Dies ist im Auswahlverfahren zu prüfen. Einige Lösungen setzen auf ein asynchrones Verfahren. Der Benutzer indiziert eine Mail, stellt diese in eine Warteschlange zur Archivierung und bekommt erst zeitversetzt eine Rückmeldung über den Status der Archivierung, da diese nur in regelmäßigen Zeitabständen im Hintergrund durchgeführt wird. Bei Fehlern – insbesondere bei Lösungen mit Formatkonvertierungen - kann dies zu individuellen Aufwänden zur Nachbearbeitungen und erneuten Versuchen zur Archivierung einer Mail führen.

Diese Anwender-getriebene Archivierung von Mails in elektronische Akten ist typischerweise nur in Verbindung mit einer DMS-basierten Lösung verfügbar. Das hier bestehende Risiko aus Unternehmenssicht ist die Möglichkeit, dass ggf. wichtige E-Mails von Anwendern nicht archiviert werden, bzw. von Dritten eine Manipulation behauptet wird, die man nur durch entsprechende Beweisketten entkräften kann.

Komfortstufen Mail-Archivierung

Ebenfalls kein Standard sind mobile Mail-Archiv-Clients, damit bspw. ein Außendienstmitarbeiter auch seine archivierten E-Mails auf dem Notebook mitnehmen und Offline sichten kann. Auch bei der System-getriebenen Funktionalität gibt es Unterschiede bei der Integrationstiefe in unterschiedliche Mailsysteme und damit verbundener Optionen beispielsweise in Bezug auf mögliche Speicherformate und Nutzung Mailsystem-spezifischer Funktionen.

Wahl des „richtigen“ Speicherformates für Mails

Jeder Mail-Client stellt den Inhalt einer E-Mail unterschiedlich formatiert dar. Eine in Lotus Notes erzeugte und in MS Outlook angezeigte Mail (oder umgekehrt) verliert teilweise Zeilenumbrüche und andere Formatierungen. Es gibt keinen generellen Format-Standard zur Speicherung oder einen rechtlich begründeten Zwang zur Konvertierung von E-Mails vor der Archivierung. Die Optionen von Mail-Archiv-Lösungen reichen von der Speicherung systemspezifischer Formate (z.B. msg bei MS Exchange), über den Internet-Standard RFC 2822 bis hin zur Konvertierung in TIFF oder PDF/A. Zu beachten ist ggf. die in der GdPDU (Grundsätze der Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) dokumentierte Anforderung des BMF (Bundesministerium für Finanzen) zur Speicherung aller steuerrelevanten Mails (Text und Anhänge) im Originalformat. Hintergrund ist die Möglichkeit einer maschinellen Auswertbarkeit im Prüfungsfall.

Umgang mit qualifizierten Signaturen

Fast alle gängigen Mail-Clients erlauben eine digitale Signatur mit Hilfe von S/MIME, bei der der Text einer E-Mail inkl. aller Anhänge signiert werden kann. Eine Auftrennung der Mail-Komponenten oder eine Konvertierung bei der Archivierung würde die Signatur brechen, daher empfiehlt sich die Speicherung als Containerformat (RFC 2822, MSG, NSF, etc.), wenn man das E-Mail oder die Anhänge nicht bereits als signiertes PDF erhält. Vorher muss das E-Mail-Archiv eine Prüfung der Signatur vornehmen und das Ergebnis als Protokoll dokumentieren. Das Protokoll muss zum Zwecke der späteren Nachvollziehbar in Verbindung mit der signierten Mail gespeichert werden. Eine System-getriebene Archivierung muss diese Funktionen entweder geräuschlos im Hintergrund erledigen, oder es muss eine Aussteuerung zur manuellen Bearbeitung erfolgen. Wichtig: Der E-Mail-Archiv-Client muss diese Information bei einer Recherche im Mail-Archiv neben der Ursprungs-Mail darstellen können.

Stolperfalle Rendition

Fast alle DMS-Lösungen verfügen über so genannte Rendition Services (man könnte auch sagen Formatkonverter). Die Konvertierung in ein oder sogar mehrere Zielformate aus n Quellformaten kann sowohl ein Client-Prozess sein (die berühmten TIFF- oder PDF-Drucker) oder Server-basiert ablaufen. Die Idee ist einfach: ein Format, von dem der Anwender denkt, dass es über die Dauer der Aufbewahrungsfrist nicht mehr dargestellt werden kann (oder weil die externen Anwender kein MS Word oder Visio auf ihren Macs oder Linux-PCs haben) wird in ein anderes Format konvertiert, von dem man annimmt, dass es in Zukunft einfacher reproduzierbar ist und/oder auch bei anderen Anwendern (Call Center, Bürger, Kunden etc.) darstellbar ist. Als solche Rendition-Formate wurde in der Frühzeit der Branche vor allem TIFF, zunehmend aber PDF und seit neuestem auch die Langfristvariante PDF/A verwendet. Die Probleme fangen mit den Formaten an: TIFF und PDF sind Druckformate und damit nur für Dokumente geeignet, die von Geburt an so etwas kennen wie eine DIN A4 hoch oder ein anderes 2-dimensionales deterministisches Druckformat. Bereits MS Excel macht hier enorme Probleme, eine fehlerfreie Konvertierung von Excel-Dateien im ersten Anlauf ist eigentlich fast nie möglich. Woher sollte dann der Rendition-Prozess auch wissen, welche Druckansicht, welche Spalten/Zeilenreihenfolge die Richtige ist? Von Links nach Rechts, dann nach unten, oder von oben nach unten, dann nächste Spalte, also zuerst die 500 Fragen in Spalte A, dann 500 Antworten in Spalte B usw. Woher soll er wissen, dass die Kommentare oder ausblendeten Spalten natürlich (oder natürlich NICHT) zu drucken sind. Die Excel-Dokumente, die diszipliniert als lesbares A4-hoch Dokument erzeugt werden sind die Ausnahme. Alle anderen sehen in der automatischen Konvertierung mindestens seltsam aus, sind häufig unleserlich (weil das A0-Excel im Druckprozess auf „automatisch Verkleinern auf A4 Hoch Seitenansicht“ verkleinert wird) oder die relevanten Informationen sind gar nicht mehr in angemessener Zeit reproduzierbar, weil das Excel Sheet mit dem Hyperlink-Inhaltesverzeichnis und den Referenzen auf die Formeln im schwarz-weißen-TIFF jeglichen Sinn verloren hat. 

Ist Excel bereits ein Problem, gilt das erst Recht für solche Dokumente, die nun definitiv nicht als Druckformat enden sollten: MS Project-Dateien (Welche Ansicht hätten Sie denn gerne: Gantt-Chart-Ansicht, Kritischer-Pfad, Ressourcenzuordnung?), Audio/Video, aber auch Visio oder 3D-CAD Modelle sind Beispiele, wo man durch Erzeugung einer flachen 2-dimensionalen Struktur, die sich an Druckformaten orientiert, ziemlich sicher revisionssicher Informationen vernichtet statt sie aufzubewahren. Wir können nicht sehen - und sehen das auch nicht in den Produkten am Markt - wie ein automatischer Server-Prozess alle diese Varianten korrekt archiviert. Hier ist der Automatismus eher kontraproduktiv, weil von vorneherein klar sein sollte, dass der Zweck des Archivs, nämlich die ordnungsgemäße vollständige Aufbewahrung von Mails nicht erfüllt wird.

Selbst einfache Mails ohne Anhang oder mit „einfachen“ Anhängen wie Word oder PDF scheitern an der Vielfalt der kleinen Fallen im täglichen Leben. Berühmtes Beispiel: die Winmail.dat-Mails. Hierbei handelt es sich um Mails, die jemand zuhause im kostenlosen MS Outlook Express (Einstellung: HTML- oder RTF-formatiert) erstellt und mit Anhang an jemand verschickt der ein anderes Mail-Programm verwendet. Der Empfänger kann diese Mail nicht öffnen ohne diesen Mail-Client oder ein entsprechendes Tool zu verwenden oder er teilt dem Absender mit, die Mail als rein Text-formatiertes Mail mit Anhang noch mal zu verschicken. Skurrilerweise passiert das nicht nur bei Produkten verschiedener Hersteller sondern auch zwischen Outlook Express und Outlook. Noch problematischer wird die Konvertierung wenn passwortgeschützte Verschlüsselungen für die Anhänge und ähnliche Hässlichkeiten verwendet werden. In solchen Fällen ist es zwingend erforderlich, dass der Anwender Ausschlusslisten für die automatische Konvertierung einrichten kann (Anhänge der Art XYZ auf keinen Fall konvertieren etc.). Außerdem darf der Rendition Service nicht das gesamte System zum Absturz (oder zum Stillstand bringen) wenn beim Öffnen / Konvertieren ein Fehler auftritt. Solche Mails müssen in einen Überlauf/Fehler-Bereich, wo sie nachbehandelt werden können. Wir erwähnen dies deswegen, weil es tatsächlich Produkte am Markt gibt, denen es an solchen Basisfunktionen mangelt.

Stolperfalle Mail-Klassifikation

Die Idee, Mails inhaltlich zu klassifizieren, um sie entweder ohne manuelle Eingriffe abzulegen oder nachgelagerten Prozessen zuzuführen ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, weil Massenprozesse automatisiert werden können. Das Argument allerdings, dass es einfacher ist als bei der Klassifikation von Papierpost – weil diese muss man erst scannen und die Zeichen per OCR erkennen während bei Mail die Zeichen nicht erst erkannt werden müssten – können wir aus der Praxis nicht nachvollziehen. Der einfache Grund ist: Wenn ein Kunde oder ein Kreditor ein Stück Papier erzeugt (ein allgemeines Schriftstück, einen Antrag oder eine Rechnung), werden unbewusst bestimmte Strukturen eingehalten.

  • Der Absender findet sich irgendwo, meistens oben, manchmal unten in der Fußzeile
  • Die Empfänger-Informationen sind in der Nähe der Stelle, wo sie in einem Fensterkuvert sichtbar wären
  • Ein Großteil der Dokumente kennt so etwas wie einen Betreff, auch wenn „Betreff“ nicht mehr davor steht
  • Es gibt ein Datum, an dem dieses Dokument beim Absender erzeugt ist.

Mit anderen Worten: Der Absender mag Rechtschreibschwächen haben oder unhöflich sein. Aber im Vergleich zu einer Mail ist ein Papierdokument eine Oase der verlässlichen Indexdaten. Welcher Betreff steht in der Mail? In ziemlich vielen Fällen eben nicht der aktuelle Betreff, sondern derjenige aus dem Mail von vor 3 Jahren, auf das man mit „Antworten“ wieder den damaligen Ansprechpartner erreicht, ohne die Mailadresse neu eingeben zu müssen.

Wie hoch ist der Anteil an Textinformation in der Mail, die sich auf frühere Mails bezieht, weil beim Antworten die alten Texte nicht gelöscht sondern mit jedem Ping-und-Pong der Mail-Kommunikation drangehängt wird. Auch das ist ein Problem der Klassifikationssysteme, die ja nicht wissen, dass die Unfallmeldung vor drei Jahren mit der aktuellen Adressänderung nichts zu tun hat. Sie wurde halt beim Klick auf „Antworten“ nicht gelöscht. Wir würden daher aus der Projekterfahrung argumentieren, dass Mail sehr viel unstrukturierte Informationen bereitstellt wie Papierdokumente und die Fehleranfälligkeit bei der OCR-basierten Zeichenerkennung in vielen Fällen geringer ist als die Fehleranfälligkeit bei der korrekten fachlichen Qualifikation des Mail-Inhaltes.

Resümee

Die aufgezeigten Stolperfallen und die nicht immer souveräne Art und Weise, wie manche Mail-Archive mit diesen Situationen umgehen sind auch ein Indikator dafür, dass derzeit einige Produkte einen gefühlten Release 0.9-Status haben. Offensichtlich werden diese erst beim Kunden auf den Prüfstand gestellt. Anwender sind gut beraten, ihre konkrete Anwendungssituation vor einer Beschaffungsentscheidung darzustellen und sich Referenzen mit vergleichbaren Volumina und Funktionen darstellen zu lassen.

Der Einsatz eines Mail-Archivs zur Entlastung der Mail-Datenbank kann sinnvoll sein, bedarf aber immer einer wirtschaftlichen Betrachtung der Gesamtkosten für den dauerhaften Betrieb. Anwender- und System-getriebene Mail-Archivierung decken unterschiedliche Anforderungen ab und ergänzen sich daher häufig in der Praxis.

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52 Hersteller und 55 DMS-Produkte im Überblick
Aktuelle Marktübersicht zu Dokumenten Management Systemen (DMS)

In der aktuellen DMS-Marktübersicht des Verband Organisations- und Infomationssysteme (VOI) erhält der Leser umfassende Informationen von 52 Anbietern zu 55 Dokumenten Management Systemen.  Diese umfassen nicht nur Aspekte wie Unternehmensgröße und Umsatz sondern vor allem auch technische und funktionale Facetten. Für den Leser ist es damit sehr einfach möglich, die Produktunterschiede zwischen klassischen DMS-Anbietern und Neueinsteigern wie Microsoft oder Oracle zu recherchieren.

Weitere Informationen zur DMS-Marktübersicht

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