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Harvey Nash-Chef kritisiert BundOnline-Projekte: „Verwaltungsmodernisierung ist bislang ein Rohrkrepierer“

(PM) , 06.02.2008 - Kompetenzgerangel der Staatsbürokratie verhindert erfolgreiche IT-Strategie

Von Silke Landwehr

Berlin/Düsseldorf – Auf dem IT-Gipfel bekräftige Bundeskanzlerin Angela Merkel die wichtige Führungsrolle der öffentliche Hand beim Einsatz von Informationstechnologien. „Ähnlich selbstbewusst klangen die Proklamationen der Schröder-Regierung in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung. Man wollte den aktivierenden Staat an die Stelle des schlanken Staates setzen und die Verwaltungsmodernisierung vorantreiben. Ein wesentlicher Punkt war, alle onlinefähigen Dienstleistungen des Bundes im Internet anzubieten - dem Bürger, der Wirtschaft und anderen Verwaltungen. Das Ärzteteam am Kabinettstisch verabreichte der maroden und teuren Bundesverwaltung eine Therapie: Internettechnologie als Allheilmittel gegen Lähmungserscheinungen und unterentwickelten Kommunikationsfähigkeiten. ‚BundOnline 2005’ www.staat-modern.de hieß der Heilplan. Rund 18 Modellprojekte erhielten Finanzspritzen in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe, um den Patienten Leben einzuhauchen. Dazu kommen noch hochbezahlte Strategieberater, die sich im Bundesinnenministerium die Klinke in die Hand geben“, so Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer IT-Dienstleisters Harvey Nash www.harveynash.com/de, im Gespräch mit dem Onlinemagazin NeueNachricht www.ne-na.de.

Das Jahr 2005 sei nun lange vorbei und das Ergebnis insgesamt ernüchternd. Einige Projekte wie das Förderportal oder der Liegenschaftsnachweis würden ein Mumiendasein fristen. „Andere dümpeln vor sich hin. Kaum ein Projekt hat die erhoffte Nutzerfrequenz erreicht. Von einer Führungsrolle des Bundes beim Thema eGovernment kann also keine Rede sein. Das Ganze verdient einen Ehrenplatz im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler und sollte vom Bundesrechnungshof genau untersucht werden“, fordert IT-Experte Nadolski.

Das Kabinett-Ärzteteam habe bei seinen Online-Initiativen etwas Wesentliches vergessen: „Wo krankt der Patient und welche Therapie macht Sinn? Wer braucht die Internetdienstleistungen des Bundes, was muss getan werden, damit sie auch genutzt werden und wie können Doppelentwicklungen vermieden werden? Ohne Anamnese gibt es keine erfolgreiche Medikation, so viel ist klar. Die verstorbenen Patienten des BundOnline-Projektes wurden in aller Stille zu Grabe getragen und die Todesursache lautet in allen Fällen ‚ärztliches Versagen’“, resümiert Nadolski.

Die Kritik aus der Wirtschaft macht sich auch an Staatsekretär Hans Bernhard Beus fest, der auf dem IT-Gipfel von Kanzlerin Angela Merkel zum Bundes CIO gekürt wurde: „Beus war verantwortlich für die eGovernment-Initiative ‚BundOnline 2005’ und dies bemerkenswert erfolglos. Da sind fast nur Totgeburten herausgekommen“, bestätigt Mittelständler Michael Müller, Geschäftsführer des After Sales-Spezialisten a&o www.aogroup.de. An dem IT-Kuddelmuddel des Bundes werde sich nichts ändern: Dies beruhe nicht auf der Unfähigkeit der einzelnen Ministerien, die Projekte sinnvoll zu planen und umzusetzen, sondern an der bürokratischen Verwaltung. Die notwendige Kooperation der Ministerien scheitere an dem Gezerre um Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel oder schlichtweg an lethargischen Oberamtsräten: „Da braucht man sich nur das Verteidigungsministerium anschauen. Die schreiben seit Jahren lieber wöchentlich lange Berichte, warum sie etwas nicht können, statt es einfach zu tun. Die Hausleitungen der Ministerien sind dabei erstaunlich leidenschaftslos, woran auch ein Bundes CIO nichts ändern wird. Die Ressorts lassen sich nicht gerne etwas von einem anderen Haus sagen. Das nennt man dann Ressortbefindlichkeit. Und die Hausleitungen kümmern sich um das Tagesgeschäft, wenig um die Informationstechnik“, weiß Müller

Um die Ressorts zu sinnvollen Kooperationen zu bewegen, seien in der Vergangenheit Kabinettsbeschlüsse erlassen worden, die in den wenigsten Fällen tatsächlich umgesetzt wurden. „Am grünen Kabinettstisch haben die Damen und Herren so lange an den Vorlagen herumgefingert, bis jeder Beschluss so viele Schlupflöcher geboten hat, dass sich letztlich keiner daran halten musste“, so Müller. Beispiel für die Schlupflochformulierungen. „Das Projekt ist einzuführen, es sei denn wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe sprechen dagegen“. Um eine ordentliche IT-Strategie des Bundes zu etablieren, müsse man die Projektverantwortlichen der einzelnen Häuser stärken. „Dazu gehören ressortübergreifende Kompetenzen. Und diese können nur durch einen entsprechenden Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht werden, der ohne Schlupflöcher verpflichtend ist. So und nicht anders funktioniert Verwaltung“, so IT-Fachmann Müller. Die Kanzlerin habe der IT-Wirtschaft mit dem Bundes CIO eine Mogelpackung serviert. Merkel sei wohl die Ressorthygiene wichtiger als eine durchsetzungstaugliche IT-Strategie des Bundes. „Es ist fraglich, wie lange sich die IT-Entscheider noch auf den IT-Gipfeln in den nächsten Jahren um die Kanzlerin scharen werden. Das Spektakel ist zwar medienwirksam, doch heiße Luft sollte nicht nur im Sinne der Klimakatastrophe vermieden werden“, resümiert Müller.
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