Kolumne
Hamsterrad, 06.11.2009
Perspektive Mittelstand
Handeln statt beklagen
Nichts ist so beständig wie der Wandel
Machen wir uns nichts vor: In Deutschland wird es nie wieder Vollbeschäftigung geben! Deswegen brauchen wir Experimentierfreude, um Chancen zu entdecken. Und den Mut, sie auch zu nutzen. Es gibt genügend Arbeit, aber nicht jeder sieht sie, oder will was machen…
Der Untergang von Quelle hat sie nicht überrascht, in einem System von notwendiger Nachfrage und entsprechendem Angebot. So sagt es Gabriele Fischer, Chefredakteurin beim Wirtschaftsmagazin Brand Eins: „Arbeit ist doch erst dann wertvoll, wenn wir sie verlieren“, sagt Fischer über sich selbst, meint aber auch die Ex-Verkäuferin bei Quelle. Arbeit bzw. Beschäftigungsmaßnahmen, organisiert von Vater Staat, hält sie für falsch. Im vergangenen Heidelberger Forum „Sinn im Beruf“ forderte Fischer, mehr aktiv zu sein. Wissen, was man will, wohin die Reise geht. Und bewusstes Meckern, „statt warten bis man rausfliegt“, sagt sie unverblümt.

Der mit über zwei Billionen Euros verschuldete Sozialstaat will eigentlich Leiden mindern. Problem dabei: Er verstärkt auch, dass sich manche, sagen wir zwei Prozent, aller Arbeitslosen ins gewärmte Nest setzen. Studenten sind viele Jahre mit rund 500 Euro im Monat für Miete, Mensa, Klamotten klargekommen. Das ist weniger als Hartz IV, unterm Existenzminimum. Später machen sie dann Karriere, verdienen mehr als ehemalige Azubis. Der Unterschied liegt in der Chancen-Achtsamkeit, gesellschaftlicher Anerkennung und Leidenschaft im Job.

Ein Job mit Berufung, das wünscht sich Anne Matzenauer in dem von ihr mit Therapeuten der Universität Heidelberg herausgegeben Buch „Ich arbeite, also bin ich“ zum Thema Work-Life und manchem Manager-Credo. Immer mehr Menschen suchen Sinn und Erfüllung weit weg von materieller Vergütung. „Die Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung im Beruf“, schreiben die Herausgeber, „wächst in Zeiten der zunehmenden Ökonomisierung des Lebensalltags“. Christliche Werte, ethische Leitbilder und Transparenz-Modelle sollen Firmen und Organisationen zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen.

Wie kann Sinnhaftigkeit im beruflichen Alltag erreicht werden? Sind Erfolg im Beruf und persönliche Erfüllung ein Widerspruch? Braucht erfolgreiches Arbeiten eine ethische Grundhaltung im Denken und Handeln? Klar ist jedenfalls, dass Unternehmenskultur immer auch eine religiöse Dimension hat – wenn auch oft im Verborgenen. „Die spirituelle Dimension der Arbeit“, wie es Mystik-Pater Willigis Jäger in einem Interview beschrieb.

Rund fünf Jahre waren Gabriele Fischer und ihre Redakteure nicht verpflichtet, "Vergnügungssteuer" abzuführen. Die Pleite stand sozusagen vor der Tür. Viel wichtiger als das finanzielle Überleben war den Gründern aber ihre Leidenschaft für gute Texte: „Wir wollten nur das machen, was wir auch selbst gerne lesen“, sagt sie. Das unter Journalisten verbreitete Runter-Machen oder Hoch-Jubeln von Menschen machen sie nicht mit. „Ein genialer Forscher ist nicht unbedingt auch ein toller Familien-Papa“, bemerkt Fischer scharf.

Ökonomen tendieren gerne dazu, die Welt zu erklären. Dabei ist das eigentlich das Metier der Theologen. Interessant ist dies: Gerade erstere meinen, die Welt bereits verstanden zu haben, machen sich zum Besserwisser. Klar: Geld verdienen muss nichts Böses sein. Das „Social Business“ macht das gerade in der Finanzkrise vor, auch an der Wall Street (vgl. Artikel). Es werden in den nächsten Jahren immer mehr Berater gebraucht. Auch Ratgeber. Aber nicht solche, die sich im vorhandenen 1:1 System bewegen, mit Standardlösungen langweilen, keinen Mut haben um die Ecke zu denken.

Im Grunde brauchen wir Menschen mit tiefem Glauben an sich und die eigene schöpferische Kraft, mit weitem Horizont und Verantwortungsbewusstsein für sich und Andere. Menschen mit einem frischen Geist und Chancen-Achtsamkeit im Leben. Bei mir ist das eine Verbindung aus christlichem Handeln und engagierten Beobachten der Wirtschaft. Das Suchen nach neuen Aufgaben und Finden einer tiefen Innerlichkeit in Jesus Christus. Etwas, das echten Halt und Orientierung schenkt trotz stetigem Wandel…
ZUM KOLUMNIST
Über Jan Thomas Otte
Ob die einfache Putzfrau mit drei bis vier Nebenjobs, der Kleinunternehmer im Großstadt-Dschungel oder Banker an der Wall Street. Jan Thomas Otte begleitet Menschen in der Wirtschaft. Und das auf vielen Ebenen. Mit Reportagen vor Ort gelingt dem Journalisten ...
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