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Pressemitteilung

Gesellschaftsrecht / Handelsrecht: Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in einen anderen Mitgliedstaat

(PM) , 22.11.2007 - Das OLG München hat in einem Beschluss vom 04.10.2007 Stellung bezogen zu der Frage, ob und wie eine Sitzverlegung einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH im Handelsregister behandelt werden kann. Danach kann die Verlegung des Satzungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH in einen anderen Mitgliedstaat der EU (hier: Portugal) nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen werden (OLG München, 31-Wx-36/07; Beschluss vom 04.10.2007; Verfahrensgang: LG Nürnberg-Fürth 4 HK T 4173/06 v. 2.1 3. 2007). Daran hat sich durch die neuere Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt "de Lasteyrie du Saillant" und "Sevic") zur Niederlassungsfreiheit nichts geändert.
Das OLG begründet seine Rechtsansicht damit, dass nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung im Schrifttum eine dem deutschen Recht unterliegende Kapitalgesellschaft zwingend eines in ihrer Satzung bestimmten inländischen Gesellschaftssitzes bedarf; das gilt auch für den Sitz einer GmbH im Sinne von § 4a GmbHG. Bei einer grenzüberschreitenden Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes verliert die Gesellschaft deshalb ihre Rechtsfähigkeit auf der Grundlage ihres bisherigen Personalstatuts, denn sie löst sich damit aus der Rechtsordnung, die Grundlage für ihre Existenz ist. Die identitätswahrende Auswanderung einer Kapitalgesellschaft lässt das geltende deutsche Recht nicht zu. Das gilt unabhängig davon, ob sie die Rechtsform der GmbH deutschen Rechts beibehalten oder - wie es hier nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin der Fall ist - eine entsprechende Rechtsform nach dem Recht des Zuzugslandes annehmen will. Der Senat meint ferner, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin es für die beantragte Eintragung im deutschen Handelsregister unerheblich ist, ob sie aus der Sicht des portugiesischen Rechts dort unter Wahrung ihrer Identität zugezogen ist. Denn ein Fortbestehen der Gesellschaft bei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung ist nur dann möglich, wenn sowohl der Wegzugs- als auch der Zuzugsstaat nach ihrer jeweiligen Rechtsordnung den Fortbestand ermöglichen. Nachdem nach deutschem Recht eine GmbH ihre Rechtsfähigkeit mit der Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland verliert, ist das Fortbestehen ausgeschlossen, unabhängig davon, wie das Recht des Zuzugsstaates - hier Portugal - diese Frage beantwortet. Aus Art. 43 und 48 EG ergibt sich nichts anderes. Die Frage, ob eine nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründete Kapitalgesellschaft ihren (Satzungs-)Sitz identitätswahrend in einen anderen Mitgliedstaat verlegen kann, berührt zwar die Niederlassungsfreiheit. Diese gebietet es jedoch nicht, ohne die in Vorbereitung befindliche Rechtssetzung die Verlegung des Satzungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH in einen anderen Mitgliedstaat zuzulassen. Die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes, die das deutsche Gesellschaftsrecht nicht vorsieht, bringt wegen des mit ihm verbundenen Wechsels der Rechtsform Gefahren für Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger mit sich. Die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie hinsichtlich der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder des tatsächlichen Sitzes aufweisen, stellen Fragen dar, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen. Ein Richtlinienvorschlag für die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes von Kapitalgesellschaften wird derzeit von der Kommission erarbeitet. Dieser soll eine rechtliche Koordinierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in die Wege leiten, um Kapitalgesellschaften die Ausübung des Niederlassungsrechts in Form der Verlegung des Satzungssitzes zu ermöglichen mit dem Ziel, dort Rechtspersönlichkeit zu erlangen und sich dem dort geltenden Recht zu unterstellen, das ihrer Ansicht nach besser ihren Erfordernissen entspricht, ohne sich auflösen zu müssen. Dabei soll unter anderem dem Herkunftsmitgliedstaat die Möglichkeit eingeräumt werden, den Rechten bestimmter Personengruppen, insbesondere der Minderheitsaktionäre und Gläubiger, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips besonderen Schutz zu gewähren. Solange die auch vom EuGH für erforderlich angesehene Regelung auf Gemeinschaftsebene fehlt, kann deshalb die im nationalen Recht nicht vorgesehene Satzungssitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat auch nicht unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit hergeleitet werden. Auch aus der Entscheidung des EuGH vom 11.3.2004 in der Sache "de Lasteyrie du Saillant" (NJW 2004, 2439) lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nach Meinung des OLG nicht herleiten, dass die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat ungeachtet entgegenstehenden nationalen Rechts ermöglicht werden müsste. Diese Entscheidung betrifft die Verlegung des Wohnsitzes einer natürlichen Person, die nach der angegriffenen Regelung des französischen Rechts zu einer Besteuerung bestimmter stiller Reserven führte. Aus ihr lässt sich nichts zum Wegzug von Kapitalgesellschaften aus einem Mitgliedstaat entnehmen. Denn anders als natürliche Personen bestehen Gesellschaften - mit Ausnahme der europäischen Aktiengesellschaft - nur kraft nationalen Rechts, d. h. sie bestehen als juristische Personen nur im Rahmen einer innerstaatlichen Rechtsordnung. Von ihrer Niederlassungsfreiheit machen sie im Allgemeinen durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften Gebrauch, wie es das Gemeinschaftsrecht ausdrücklich vorsieht. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, haben sie keine Realität. Die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft kann deshalb nicht gleichgesetzt werden mit der Verlegung des Wohnsitzes einer natürlichen Person. Vielmehr hat der EuGH in der Entscheidung "Daily Mail" die Beschränkung der Sitzverlegung durch die Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft gegründet wurde, nicht als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen.
(Quelle: OLG München, 31-Wx-36/07; Beschluss vom 04.10.2007; Verfahrensgang: LG Nürnberg-Fürth 4 HK T 4173/06 v. 2.1 3. 2007)
Mitgeteilt von: rechtsanwalts-TEAM.de Warm & Kanzlsperger in Paderborn, Rechtsanwalt Martin J. Warm, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Anwalt für Mittelstand und Wirtschaft www.rechtsanwalt-in-paderborn.de ; www.rechtsanwalts-TEAM.de
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