Pressemitteilung, 12.01.2007 - 09:54 Uhr
Perspektive Mittelstand
Gerüchte und Gerichte: Grüner Punkt-Müllkonzern will mit juristischen Mitteln gegen Rufschädigung vorgehen - Zukunft der Verpackungsentsorgung erregt die Gemüter
(PM) , 12.01.2007 - Von Sabine KrauseBerlin/Köln, www.ne-na.de - Die Duales System Deutschland GmbH wehrt sich nach einem Bericht der Berliner tageszeitung (taz) gegen Gerüchte, dass der Vorstand beim Verkauf an den amerikanischen Finanzinvestor KKR „persönliche Profitinteressen" verfolgt hat. Spekulationen über die Zukunft des Müllkonzerns mit dem Grünen Punkt nach der „dubiosen Übernahme des einstigen Monopolisten durch den Private-Equity-Fonds Kohlberg Kravis Roberts Co (KKR) Anfang 2005 sorgen weiterhin für Unruhe. Für 260 Millionen Euro wechselte die frühere Non-Profit-Organisation den Besitzer - ein Schnäppchen, wie DSD-Konkurrenten meinen. Denn nach deren Berechnungen beläuft sich der aktuelle Verkaufswert auf 1,6 Milliarden Euro. Der Bundesverband der Selbstentsorger von Verkaufsverpackungen e.V. (BSVV) findet es ‚bis heute aus wirtschaftlichen Gründen nicht nachvollziehbar’, weshalb die bis dahin von Handel und Industrie gehaltenen Gesellschaftsanteile ‚in Windeseile’ an den US-amerikanischen Finanzinvestor ‚geradezu verramscht’ worden seien“, schreibt die taz. Es habe damals eine „beispiellose Mischung aus Geschacher, Vernebelung und womöglich gar eine Art Insiderhandel" gegeben, berichtete Ende 2006 das "Handelsblatt" und spekulierte über mögliche Interessensverquickungen von DSD-Managern und -Aufsichtsräten. Der BSVV fragte daraufhin in einer Erklärung spitz, „welches Interesse den Ex-DSD-Chef und heutigen -Beirat Peter Zühlsdorff und den DSD-Aufsichtsratschef Erich Greipl tatsächlich umtreibt". Diese Frage dürfe der Verband inzwischen nicht mehr stellen: „Das DSD sieht sich als Opfer einer Diffamierungskampagne und wehrt sich nun mit juristischen Schritten gegen eine vermeintliche Rufschädigung“, berichtet die taz. Auf einer Sondersitzung des DSD-Aufsichtsrates werde über die Frage weiterer rechtlicher Schritte gesprochen. „Auf Antrag der DSD hat das Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen den BSVV erlassen. So darf er auch nicht mehr behaupten, ‚Brancheninsider’ vermuteten ‚auch wegen des enormen persönlichen Einsatzes von Zühlsdorff und des Metro-Manns Greipl schon lange, dass sie als wahre Hintermänner des KKR-Deals in erster Linie auch ihre ganz persönlichen Profitinteressen verfolgen - auch auf Kosten der ahnungslosen Gesellschafter aus dem deutschen Einzelhandel und ihrer Kunden’", so die taz. In der Abfallbranche ist man wenig überrascht über die Eskalation des Müllstreits: „Es geht um sehr viel Geld und es geht um eine Exitstrategie von Finanzinvestoren, die es nicht gewöhnt sind, ständig in der Zeitung nachzulesen, mit welchen Käufern man angeblich verhandelt. So viele mögliche Kandidaten gibt es gar nicht mehr am Markt, die noch in das Geschäft einsteigen können. Es sind ja schon einige Namen in der Öffentlichkeit gefallen, die sicher die finanzielle Potenz aufweisen wie das französische Unternehmen Véolia Environnement. Ich möchte nicht sehr gerne mit einem löchrigen Schweizer Käse Vertragsgespräche führen, um mich dann am nächsten Tag in der FAZ oder im Handelsblatt wiederzufinden. Es ist völlig klar, dass dann die Nerven blank liegen und die Hütte brennt“, kommentiert der Vorstandschef eines Entsorgungskonzerns die Entwicklung. Gründlichkeit vor SchnelligkeitDarüber hinaus störten die öffentlichen Scharmützel das Ziel einiger Lobbyisten, so schnell wie möglich eine Novelle der Verpackungsverordnung durchzusetzen. Die vom Bundesumweltministerium (BMU) geplante Änderung der Rechtsverordnung will die Erosion bei der Finanzierung dualer Systeme bremsen und die Schlupflöcher bei der Gebührenerhebung für die Entsorgung von Altverpackungen schließen. Auf Länderebene mehren sich Stimmen, die den Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ stärker beachten wollen. „Angesichts der Umsatzzahlen und erzielten Gewinne der dualen Systeme scheint die haushaltsnahe Erfassung zumindest im Jahr 2007 noch ausreichend gesichert zu sein. Auch darf angesichts der Zunahme von festgestellten dualen Systemen davon ausgegangen werden, dass nach wie vor ein Markt mit auskömmlichen Gewinnmargen besteht. Vor diesem Hintergrund wird der Verordnungsgeber besonders dazu aufgerufen sein, im Rahmen der Rechtsfolgenabschätzung die Vor- und Nachteile einer strikten Trennung der Zuständigkeitsbereiche von dualen Systemen und Selbstentsorgern zu untersuchen“, sagte Matthias Roder vom bayerischen Staatsministerium für Umwelt beim Würzburger Verpackungsforum. Nach dem Arbeitsentwurf des BMU stelle die Trennung zwischen dualen Systemen und Selbstentsorgung einen zentralen Pfeiler in der Gesamtkonzeption der Novelle dar. Rechtsexperten halten das für unzureichend, um die Schwarzfahrer beim Verpackungsrecycling in den Griff zu bekommen. Es dürfe auf keinen Fall einen Anschlusszwang für die Packmittelhersteller, Abfüller oder Händler geben. Das würde klar dem Kreislaufwirtschaftsgesetz widersprechen. Roder warnte vor einer weiteren Konzentration in der Abfallwirtschaft. Man betrachte es nicht ganz ohne Sorge, „wenn sich größere Entsorgungsunternehmen zunehmend an dualen Systemen beteiligen oder diese als eigene Tochtergesellschaften gründen“. Sollte dies zu verstärkten Marktkonzentrationen führen, „müssten wir heute nicht einer Neuorientierung der Verpackungsverwertung, sondern womöglich einem grundlegenden Wandel der Entsorgungswirtschaft entgegensehen“, so Röder.Handelslizenzierung unterbindenAls große Gefahr für den Wettbewerb wurde in der Plenardebatte in Würzburg der Trend zur exklusiven Lizenzierung von Verkaufsverpackungen durch Discounter und große Handelsunternehmen benannt. Das höhle die in der Verpackungsverordnung festgeschriebene Produktverantwortung von Packmittelherstellern und Abfüllern aus und führe zu Nachfrageoligopolen bei der Lizenzierung über den Grünen Punkt. „Die Verhinderung einer zunehmenden Handelslizenzierung ist maßgeblich für die weitere Gestaltung der Verpackungsentsorgung. Wenn wir zum Schluss einen Pseudowettbewerb haben, der so aussieht, dass wir sechs oder sieben duale Systeme als Anbieter von Entsorgungsdienstleistungen haben und nur noch neun Handelsketten als Nachfrager, dann können wir einpacken. Ich weiß definitiv, dass alle großen Handelskonzerne an einer Eigenlizenzierung arbeiten. Das ist das ganz große Rahmenproblem der anstehenden Novelle. Wenn die Handelslizenzierung nicht wegfällt, ist das alles nur eine Showveranstaltung“, kritisierte ein Diskussionsteilnehmer. Thomas Schmid-Unterseh vom BMU äußerte Verständnis für die Bedenken und sagte zu, dieses Problem zu prüfen und gegebenenfalls im Referentenentwurf zu berücksichtigen. Ausschreibung der Entsorgungsverträge und Kennzeichnungspflicht für Verpackungen als MarkthemmnisWeitere wettbewerbshemmende Punkte der Novelle thematisierte in Würzburg Rechtsanwalt Bodo Baars. So sei nach seiner Meinung nicht geklärt, wie die dualen Systeme die Ausschreibung der Entsorgungsverträge regeln sollen. „Mit einer Ausschreibungsführerschaft des Ex-Monopolisten DSD zu arbeiten, zählt wohl zu den dümmsten Vorschlägen, die ich bisher gehört habe. Egal, welche Variante genommen wird, ist es entscheidend, nach welchen Kriterien Entsorgungsgebiete zugewiesen werden. Wie ich DSD kenne, weist dieser Konzern den Wettbewerbern die blödesten Vertragsgebiete zu“, sagte Baars scherzhaft. Auch die Kennzeichnungspflicht für Verkaufsverpackungen sieht Baars kritisch. „Leider hat die DSD GmbH dieses löbliche Unterfangen des Verordnungsgebers dazu benutzt, ihr Zeichen ‚Der Grüne Punkt’ zu einer Marke zu machen und im Zeichennutzungsvertrag markenrechtlich zu gestalten. Die Handhabung dieses Instruments dient der DSD GmbH als Keule, um den Wettbewerb zu behindern“, monierte Baars. Viele Hersteller und Vertreiber wollten aus dem DSD aussteigen und zu einem Konkurrenten wechseln, verlieren dann aber die Nutzungsrechte für den Grünen Punkt. „Dann greift das Markenrecht. Deswegen scheuen Firmen den Seitenwechsel. Hier sollte der Verordnungsgeber auf eine Kennzeichnungspflicht verzichten“, forderte Baars in seinem Vortrag.