Pressemitteilung, 09.05.2007 - 10:18 Uhr
Perspektive Mittelstand
„Geiz ist eine Todsünde“ – Wer den Standort billig redet, kann keine Porsche-Preise erzielen
(PM) , 09.05.2007 - Bonn/Stuttgart – Wendelin Wiedeking versteht sein Geschäft. 1992 wurde er Vorstandschef von Porsche www.porsche.de und hat das Zuffenhausener Nobelunternehmen wieder auf die Erfolgsspur gebracht. Dem promovierten Maschinenbauingenieur wird also niemand unterstellen, er habe keine Ahnung von der Automobilbranche. Darüber hinaus ist der gebürtige Westfale aber auch ein glänzender PR-Manager in eigener Sache, der sich eben nicht nur zu seinem Kerngeschäft öffentlich äußert, sondern auch keine politischen Themen auslässt. So erreicht man maximale Aufmerksamkeit für das eigene Unternehmen und die eigene Person. Dass er das Zeug zum guten Autor hat, beweist er mit seinem Buch „Anders ist besser – Ein Versuch über neue Wege in Wirtschaft und Politik“. In seinem Vorwort legt Wiedeking die Marschroute fest: „Der Aktionär steht keineswegs im Mittelpunkt aller Überlegungen und Entscheidungen, sondern der Kunde. Unternehmer müssen sich auch politisch äußern und engagieren; damit sie dies glaubwürdig tun können, sollten sie sich vorbildlich verhalten.“ Wiedeking bekennt sich zum Standort Deutschland und hält „Made in Germany“ weiter für ein Gütesiegel. Wer an Billigstandorten produziere, werde global keine Porsche-Preise erzielen können. Das baden-württembergische Traditionsunternehmen ist daher auf der täglichen Suche „nach möglichst vielen Menschen, die bereit sind, diese Produkte zu unseren Preisen ohne Rabatt zu kaufen“. Windige Finanzanalysten sind dem Autor hingegen ein Dorn im Auge. Hierbei handele es sich oft um junge Hochschulabsolventen ohne praktische Erfahrung in Unternehmen und ohne Menschenkenntnis – „die populäre Theorien wie die des Shareholder Value nachbeten“. Wiedeking nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen, traditionelle Werte oder menschliche Zusammenhänge können sie die Kurse nach oben treiben. Auch und nicht zuletzt zum Wohl des eigenen Profits. Mit der Arroganz des jungen, akademisch gebildeten Überfliegers sitzen sie gestandenen Unternehmern gegenüber und spielen Schicksal – für die Firma und manchmal für tausende von Angestellten und ihre Familien“. Der St. Gallener Managementexperte Fredmund Malik www.malik-mzsg.ch sieht die Zunft der Finanzanalysten, Fondsmanager und Investmentbanker ähnlich kritisch. An Stelle von Wirtschaftssachverstand im eigentlichen Sinne böten sie nur Ignoranz und Arroganz sowie „eine Orgie von Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen“. Und auch der langjährige Nestlé-Manager www.nestle.com rät den Managern, sich wieder auf die langfristige und beständige Unternehmensentwicklung zu konzentrieren. In seinem Kapitel über die „weißen Raben“ macht der Porsche-Chef deutlich, dass solches Denken auch heute noch seinen Platz hat, zum Beispiel bei den zahlreichen Familienunternehmen. In allen Bundesländern säßen ein paar Mittelständler, die jeder Globalisierung trotzten: „Diese Firmen sind alle Weltmarktführer, sie waren vorzeiten auf dem Weltmarkt und kein Billiganbieter kann ihnen Konkurrenz machen. Sie brauchen keinen Finanzinvestor, sind solide finanziert und bezahlen ihre Leute gut.“ Selbst in der Autoindustrie gibt es diese Verbindungen. Hinter BMW steht die Familie Quandt, hinter Peugeot die Familie Peugeot und hinter Toyota die Familie Toyoda. Jeder kennt auch die Namen Persil, Dr. Oetker, Maggi oder Tempo. Bei Hautcreme denkt man spontan an Nivea. Marken sind wichtige Orientierungspunkte für die Kunden und daher enorm wichtig. Sie lassen sich aber nur in langfristiger Arbeit aufbauen, und nur dann wenn Customer Value vor Shareholder Value geht. In jedem erfolgreichen Wirtschaftslenker steckt auch ein kleiner Politiker. Zumindest besteht der Ehrgeiz bei Managern und Unternehmern, Ratschläge für die richtigen Reformen zu erteilen. So verkehrt ist dieser Gedanke ja auch nicht, denn wer einen international operierenden Konzern führen kann, der hat selbstverständlich das nötige Rüstzeug, um in der Politik zu reüssieren. Wiedeking fordert von den Politikern, wieder eine positive Vision zu entwickeln: „Schaffen Sie Aufbruchstimmung statt Depressionsgenörgel.“ Außerdem plädiert er für eine zügige Reform des Föderalismus und eine Reduzierung der Zahl der Bundesländer sowie eine Streichung von Subventionen (Wiedeking verweist gern und häufig darauf, dass sein Unternehmen auf millionenschwere Finanzspritzen freiwillig verzichtet hat). Zudem sollten sich die deutschen Interessenvertreter in Brüssel nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Die Forderung nach einer besseren Förderung von Forschung, Bildung und Entwicklung und dem Abbau der Bürokratie runden das Sechs-Punkte-Programm ab. In einem besonders lesenswerten Kapitel behandelt der Verfasser den (Wieder-)Aufstieg von Porsche. Anfang der 1990er Jahre steckten die Zuffenhausener in ziemlichen Schwierigkeiten. Sie galten als Kandidat für eine Übernahme durch einen größeren Autokonzern. Doch der „David“ setzte sich gegen alle „Goliaths“ durch. Wiedeking handelte schon damals nach seiner Devise „Anders ist besser“, schaute sich intensiv die Fabriken von Toyota, Nissan und Honda an und holte schließlich japanische Top-Berater nach Deutschland, die eine Rosskur verordneten und kaum einen Stein auf dem anderen ließen. Auf das Geld der Banken, um aus der Krise zu kommen, setzte Wiedeking damals aus gutem Grunde nicht: „Das wäre mir ein Gräuel gewesen, denn ich bin kein Bankenfreund. Für mich sind das Regenschirmverteiler, und sobald es anfängt zu regnen, verlangen sie den verliehenen Regenschirm zurück.“ Der Erfolg trug Früchte. Porsche hat heute in Deutschland nach Angaben von Wiedeking das Toyota-Produktionssystem, die schlanke Fertigung, am konsequentesten umgesetzt: „Wir haben sogar eigene Ergänzungen und Verbesserungen erarbeitet, so dass wir heute auch vom Porsche-Produktionssystem sprechen. Wir steigern unsere Produktivität jedes Jahr um sechs bis acht Prozent und bleiben damit wettbewerbsfähig.“ Mittlerweile hat der Sportwagenhersteller eine eigene Beratungsgesellschaft namens Porsche Consulting www.porscheconsulting.de gegründet, die anderen Firmen bei der optimalen Gestaltung ihrer Produktion und sonstiger Geschäftsprozesse hilft. Doch welche Lehren kann die deutsche Automobilbranche zurzeit aus dem Fall Porsche und dem Buch „Anders ist besser“ ziehen? „Porsche genießt national wie international ein hervorragendes Image“, sagt der Automobilexperte Uwe Röhrig, Geschäftsführer von International Car Concept (ICC) www.icconcept.de, einem Unternehmen, dass sich auf die Autohausberatung spezialisiert hat. „Das hat etwas mit Werten zu tun. Wiedeking belegt in seinem Buch anschaulich, dass aufgrund des hohen Prestiges, das mit der Marke Porsche verbunden ist, die Kunden eher bereit sind, für einen Neuwagen auch einen Premiumpreis zu akzeptieren. Da man die eigene Unternehmensphilosophie konsequent umgesetzt und nach außen kommuniziert hat, konnte sich Porsche vom teilweise ruinösen Preiswettbewerb auf dem internationalen Automobilmarkt fernhalten. Zurecht sagt Wiedeking, dass Geiz ursprünglich eine Todsünde war. Und Todsünden sind nun mal nicht ‚geil’. Der Autor hat das eigene Unternehmen, die eigene Marke und auch den Standort Deutschland nie billig geredet. Das halte ich für ein großes Verdienst.“ Wendelin Wiedeking: Anders ist besser. Ein Versuch über neue Wege in Wirtschaft und Politik. Piper-Verlag: München/Zürich 2006. 240 Seiten. € 19,90 [D], € 20,50 [A], sFr 34,70 ISBN: 9783492049498 .